Hätte es einen schöneren Titel geben können als "Frieden mit der Natur"? Doch der UN-Gipfel, der so poetisch angekündigt wurde, endete in einem Fiasko.

Die Delegierten der Weltnaturschutzkonferenz im kolumbianischen Cali haben ein enttäuschendes Ergebnis abgeliefert. Sie konnten sich nicht auf eine Finanzierung für die Ziele zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt auf dem Planeten und die Einrichtung geeigneter Kontrollmechanismen einigen.

 

Der Gipfel wurde ohne Abschlusserklärung abgebrochen, die zentralen Themen sind vertagt – auf eine Konferenz in zwei Jahren. Die Delegierten von knapp 200 Regierungen taten so, als hätten sie noch einen zweiten Planeten in Reserve. Nur, den gibt es bekanntermaßen nicht.

Große Erwartungen waren in die Konferenz gesetzt worden. Es sollte der erste Umsetzungsgipfel nach dem legendären Beschluss des Vorgängergipfels 2022 in Montreal werden. Damals hatte die Weltgemeinschaft die Krise durch den rasanten Schwund der Biodiversität sowie der Verschlechterung der Ökosysteme anerkannt – und war, bildlich gesprochen, auf die Bremse gestiegen.

Grundlage der Zivilisation gefährdet

Vereinbart wurde in Montreal, bis 2030 jeweils 30 Prozent der Land- und Ozeanflächen des Planeten unter Schutz zu stellen, kurz auch "30 × 30"-Ziel genannt. Bisher sind an Land aber nur rund 15 Prozent der Flächen mehr oder weniger gut geschützt und bei den Meeren erst sieben Prozent. Die Schutzlücke ist also noch groß, und die Zeit bis 2030 wird knapp.

Wie viel bei der Erhaltung der Biodiversität auf dem Spiel steht, ist in der Öffentlichkeit noch weniger bekannt als beim zweiten Megathema Klima. Es geht nicht nur um irgendwelche aussterbenden Käferarten, sondern um die Basis für das Überleben der Menschheit.

Die Menschen brauchen zum Leben nicht nur Rohstoffe und Energie, sondern auch sauberes Wasser, gesunde Böden und intakte Ökosysteme. (Bild: Delyth Williams/​Pixabay)

Ohne die Leistungen der Natur – etwa die Regulation des Wasserhaushalts und die Trinkwasserversorgung, die CO2-Speicherung in Böden und Vegetation sowie die Bereitstellung von Nahrung und Rohstoffen – ist die Zivilisation gefährdet.

Das lässt sich auch in Geld ausdrücken. Mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung hängt von einer intakten Natur ab, stellte das Weltwirtschaftsforum in Davos 2020 in einem wegweisenden Bericht fest.

Man muss den Cali-Gipfel an dem Ziel messen, das die neue Chefin der UN-Biodiversitätskonvention, Astrid Schomaker, vor der Konferenz aufstellte. Die deutsche Juristin und europäische Umweltdiplomatin sagte: "Wir haben erst vor zwei Jahren einen ehrgeizigen Rahmen geschaffen und müssen nun prüfen, ob dieser Rahmen tatsächlich so viel verändert hat, wie die Leute glauben."

Viel Vertrauen zwischen Nord und Süd zerstört

Offenbar hat er das nicht und die Aussichten sind wirklich trübe. Zwar wurden in Cali einige positive Signale gesetzt, so die Einrichtung eines eigenen Gremiums, das indigene Völker mit ihrem traditionellen Wissen bei künftigen Gipfeln ein Mitspracherecht geben soll. Doch die meisten Regierungen verweigerten das Wichtigste: Umsetzung und Finanzierung.

Konkret: Nur 44 von 196 Mitgliedsstaaten der Biodiversitätskonvention, also nicht einmal ein Viertel, reichten die bis zum Cali-Gipfel geforderten konkreten Pläne für "30 × 30" ein, auch Deutschland ist nicht dabei.

Und die Industrieländer verweigerten ausreichende Zusagen für den globalen Biodiversitätsfonds, aus dem ärmere Länder den Naturschutz finanzieren sollen. Für 2025 sollten es 20 Milliarden US-Dollar sein, danach ansteigend auf 30 Milliarden bis 2030.

Dass dies in Cali nicht zustande kam, hat viel Vertrauen zwischen Süd und Nord zerstört.

Dabei ist klar, dass die reichen Staaten hier in der Verantwortung stehen. Sie haben erstens die Biodiversität in ihren Ländern bereits in früheren Jahrhunderten stark dezimiert, und sie profitieren zweitens auch heute oft noch vom Umwelt-Raubbau im Süden, Stichworte sind hier zum Beispiel Tropenholz, Palmöl oder genetische Ressourcen.

Das Fiasko muss ein Weckruf werden

Ob das Vertrauen schnell wieder aufgebaut werden kann, steht in den Sternen. Allerdings: Eine erneute Hängepartie wie bei den Klimagipfeln, wo der globale Norden rund 15 Jahre gebraucht hat für sein Versprechen, 100 Milliarden Dollar jährlich aufzubringen, ist nicht zu verantworten.

Es ist nun der Job verantwortlicher Politikerinnen und Politiker, die Cali-Scharte möglichst schnell auszuwetzen, auch weil der Mangel an Finanzen die Ursache dafür ist, dass viele arme Länder bisher noch keine konkreten Pläne für "30 × 30" auflegen konnten.

Die EU, die immerhin Zusagen von über 150 Millionen Euro jährlich gemacht hat, sollte hier vorangehen, aber auch andere reiche Industriestaaten sind gefragt. Dass wegen des Putin-Krieges derzeit enorme Summen in die Rüstung gepumpt werden, darf nicht dazu führen, dass andere Zukunftsaufgaben hinten runterfallen.

 

Neben öffentlichen Geldern braucht es hier auch neue Ansätze, um das Potenzial der Wirtschaft zu mobilisieren. Ein Ansatz könnten "Naturgutschriften" sein, die den Erhalt der Biodiversität lukrativ machen sollen und für die sich unlängst auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stark gemacht hat. Damit soll jenen, die Ökosystemleistungen erbringen, Geld zufließen. Es werde, so die EU-Chefin, ein "Markt für die Wiederherstellung unseres Planeten" entstehen.

Darüber muss genauso diskutiert werden wie über andere Initiativen. Das Cali-Debakel darf nicht das Ende sein. Damit kann es keinen Frieden geben. Es muss ein Weckruf werden.

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