Die globale Erwärmung wirkt sich deutlich nachteiliger auf den Wohlstand der Länder weltweit aus, als das in vielen Wirtschaftsmodellen bisher vorausgesagt wurde. Eine neue Untersuchung eines australischen Forschungsteams ergab: Das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Person wird selbst dann um rund 16 Prozent niedriger liegen als ohne Klimawandel, wenn die Erwärmung bis 2100 auf zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau begrenzt wird.
Derzeit steuert die Welt allerdings auf etwa drei Grad Plus zu. Die Chance, dass die Weltgemeinschaft die globale Erwärmung nahe bei 1,5 Grad stoppt, ist nur noch gering. Dieses untere Limit aus dem Pariser Weltklimavertrag wurde 2024 erstmals durchgängig überschritten.
Doch ein Ziel nahe zwei Grad ist noch drin. Die jüngste Abschätzung der Forschungsinitiative Climate Action Tracker ergab, dass die globale Erwärmung bei 2,1 Grad liegen wird, falls alle Länder neben ihren kurzfristigen CO2-Reduktionszielen auch die langfristigen Ankündigungen zur Klimaneutralität zwischen 2050 und 2070 erreichen.
Damit gibt es die Hoffnung, dass wichtige Kippelemente des Weltklimas wie die Eisschilde an Nord- und Südpol noch halbwegs stabil bleiben, die ansonsten eine katastrophale Zuspitzung des Klimawandels auslösen könnten.
Die ökonomische Entwicklung allerdings wird auch schon bei etwa zwei Grad spürbar Schaden nehmen, wie die Forschungsgruppe um Timothy Neal vom Institute for Climate Risk and Response der Universität von New South Wales zeigt.
Studie: Extremwetter wird Lieferketten massiv stören
Frühere Abschätzungen waren zu dem Ergebnis gekommen, dass das globale BIP nur um 1,4 Prozent zurückgehen würde. Neal und Co zeigen nun auf, dass in den dafür genutzten Modellen die Folgen der zunehmenden extremen Wetterereignisse auf die globalen Lieferketten nicht ausreichend berücksichtigt worden waren.
In der Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters erschienen ist, wurden auch die Folgen einer Erwärmung um vier Grad untersucht. Das wäre der Fall, wenn die globalen Emissionen sogar langfristig weiter ansteigen würden.
Die Auswirkungen wären erwartungsgemäß noch deutlich dramatischer. Laut dem Neal-Team würden die Menschen dann im Schnitt um 40 Prozent ärmer, während ökonomische Modelle hierfür bisher nur einen BIP-Rückgang in der Größenordnung von zehn Prozent ergeben hatten.
Neal kritisierte, dass die Modelle bisher meist nur das sich auf lokaler Ebene ändernde Wetter berücksichtigt hätten, nicht aber, wie sich Dürren, Überschwemmungen oder stärkere Stürme auf die globalen Lieferketten auswirken werden – etwa bei der Lebensmittelversorgung. "In einer heißeren Zukunft können wir mit kaskadierenden Unterbrechungen der Lieferketten rechnen, die durch extreme Wetterereignisse weltweit ausgelöst werden", sagte der australische Ökonom.
Tatsächlich vertreten manche Fachleute die Erwartung, dass Verluste, die etwa bei der Nahrungsmittelproduktion in südlichen Ländern durch mehr Dürren oder Überschwemmungen entstehen, teilweise durch bessere Anbaubedingungen in kühlen Regionen wie Kanada, Russland und Nordeuropa ausgeglichen werden.
Falsche Sicherheit ökonomischer Prognosen
Neal erwartet nicht, dass das in großem Stil funktionieren wird. Die Folgen der globalen Erwärmung würden alle Länder wegen der Handelsverflechtungen mehr oder minder negativ treffen, erwartet er.
Neals Kollege Frank Jotzo, Professor an der Australian National University, sieht das genauso. Der Fehler der meistgenutzten ökonomischen Klimamodelle sei: Für den Fall, dass der Klimawandel eine Aktivität wie die Landwirtschaft in einem Teil der Welt unrentabel macht, werde angenommen, dass die Produktion dann einfach an einem anderen Ort erhöht werden kann, sodass zu einem ähnlichen Preis von dort geliefert wird.

"Das Ergebnis ist: Die Modelle besagen, dass der Klimawandel für die zukünftige Weltwirtschaft kaum einen Unterschied macht", so Jotzo. Das aber sei eindeutig falsch.
Ähnlich äußerte sich Mark Lawrence, Professor an der University of Adelaide. "Ich glaube, dass die ökonomischen Auswirkungen eher noch schlimmer sein könnten", sagte der Mathematiker und Klimarisikoforscher. Eine Folge der Diskrepanz zwischen Modellierung und realen Klimafolgen sei, dass die potenziellen wirtschaftlichen Vorteile des CO2-Sparens in Politik und Wirtschaft deutlich unterschätzt würden. Jotzo und Lawrence waren an der neuen Studie nicht beteiligt.
Die australische Untersuchung untermauert damit die Kritik an den gängigen ökonomischen Prognosen zum Klimawandel. Diese wiegen die Politik offenbar weltweit in der falschen Sicherheit, die Folgen einer Erwärmung auch jenseits von zwei Grad seien beherrschbar.
Neal jedenfalls analysierte: Die Wirtschaftsmodelle, die "irrtümlich zu dem Schluss kamen", dass selbst eine starke globale Erwärmung nur moderate Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben würde, hätten die Klimapolitik "tiefgreifend" beeinflusst – und zwar in die falsche Richtung.
"Klimaschutz kostet viel weniger als kein Klimaschutz"
Erst im letzten Jahr hatte eine ähnliche Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ergeben, dass selbst bei erfolgreicher Klimapolitik und einem Einhalten des Zwei-Grad-Limits die wirtschaftlichen Kosten etwa durch geringere Agrarerträge, sinkende Arbeitsproduktivität oder Schäden an der Infrastruktur bis 2050 auf weltweit mindestens rund 38 Billionen US-Dollar jährlich ansteigen werden.
Das entspräche einem Einkommensverlust von 19 Prozent für die Weltwirtschaft. Afrika und Südasien wären dabei am stärksten betroffen, doch auch Europa und Nordamerika müssten mit Verwerfungen fertigwerden.
Laut PIK sind die zu erwartenden Schäden sechsmal höher als die Vermeidungskosten, die bei einer Begrenzung der Erwärmung auf zwei Grad anfallen. Grundlage der Studie, die in Nature erschienen ist, waren empirische Daten von über 1.600 Weltregionen aus den letzten 40 Jahren.
PIK-Forscherin Leonie Wenz, die die Untersuchung leitete, betonte: "Unsere Studie zeigt, dass der Klimawandel innerhalb der nächsten 25 Jahre in fast allen Ländern der Welt massive wirtschaftliche Schäden verursachen wird, auch in Ländern wie Deutschland, Frankreich und den Vereinigten Staaten."
Diese Schäden seien bereits eine Folge der bisher in die Atmosphäre entlassenen Emissionen, stellte Wenz klar. Sie mahnte: "Wenn wir zumindest einige davon vermeiden wollen, brauchen wir mehr Anpassungsmaßnahmen." Unabhängig davon müssten die Treibhausgasemissionen ab sofort drastisch reduziert werden.
Andernfalls würden die wirtschaftlichen Verluste in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts noch höher sein und bis 2100 im globalen Durchschnitt bis zu 60 Prozent betragen, sagte Wenz. "Es kostet uns viel weniger, das Klima zu schützen, als dies nicht zu tun – und zwar selbst dann, wenn man nur rein wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigt und weitere Folgen wie die Verluste von Menschenleben oder der biologischen Vielfalt außen vor lässt."