Mehrere Panzer fahren über einen Truppenübungsplatz bei Szczecin, der vordere richtet das Rohr auf die Betrachterin.
Leopard-Panzer der Bundeswehr, vielleicht bald mit Agrosprit oder E-Fuels unterwegs. (Foto: Mike Mareen/​Shutterstock)

Über sein Bemühen in der Klimapolitik legt das Verteidigungsressort alle zwei Jahre in einem Bericht Rechenschaft ab. Der jüngste Nachhaltigkeitsbericht erschien Ende vergangenen Jahres und umfasst die Jahre 2020 und 2021.

Um welche Klimaziele es dort geht, ist ziemlich komplex, teilweise überlappen sie sich. Hintergrund ist eine Zweigleisigkeit im Bundes-Klimaschutzgesetz.

Dort gibt es einerseits das generelle Ziel, das auch für das ganze Verteidigungsressort gilt und die sechs Treibhausgasarten betrifft, die unter die internationale Klimaberichterstattung fallen. Hier müssen die inländischen Emissionen aus den Liegenschaften, Fahrzeugen und Naturflächen (sprich Truppenübungsplätzen) des Verteidigungsressorts bis 2045 auf netto null sinken.

Neben diesem generellen Ziel steht das spezielle Ziel, dass die beiden Standorte des Verteidigungsministeriums in Berlin und Bonn schon 2023 klimaneutral sein sollen. Dazu gibt es eine Selbstverpflichtung aus dem Jahr 2019.

Daneben legt Paragraf 15 des Klimaschutzgesetzes fest, dass die Bundesverwaltung 2030 klimaneutral sein soll. Die Emissionen, die hier in Verantwortung des Verteidigungsministeriums liegen, müssen also bis 2030 so weit wie möglich vermieden und der Rest dann klimaneutral gestellt werden.

Wichtige Emissionen bleiben außen vor

Zu beiden Arten von Zielen ist im Nachhaltigkeitsbericht 2022 ein Überblick zu finden, auch wenn man sagen muss: ein recht schmal formulierter.

So wird über den Erfüllungsstand des generellen Ziels – Treibhausgasneutralität 2045 – allein für die Bundeswehr, ohne die Ministerialverwaltung, berichtet. Dies geschieht getrennt für die beiden wesentlichen Sektoren "militärische Mobilität" und "inländische Liegenschaften der Bundeswehr".

Die Emissions-Angaben macht der Bericht in Form von CO2-Äquivalenten. Es geht somit nicht nur um den Ausstoß von CO2 aus der Verbrennung fossiler Energieträger, sondern auch um andere Treibhausgase. Welche das aber sein sollen und ob sie relevant sind, bleibt ungeklärt.

Umso mehr fällt auf, dass die Emissionen aus Landnutzungsänderungen von Truppenübungsplätzen – der militärspezifischen Form der Landnutzung – nicht berücksichtigt sind und aus der Berichterstattung ausgeklammert bleiben. Dabei dürfte diese Quelle eine erhebliche Bedeutung für die Emissionsbilanz haben.

Das eigene Klimaziel des Ministeriums für 2023 wird im Nachhaltigkeitsbericht unter dem 2030er Klimaneutralitätsziel für die Bundesverwaltung einsortiert. Wie das 100-Prozent-Einsparziel für 2023 erreicht werden soll, wird gar nicht thematisiert – vermutlich wird dieses Ziel aufgegeben und in das ressortübergreifende Ziel für 2030 integriert.

Aber auch beim 2030er Ziel gibt es offensichtliche Abstriche, wobei die Bundeswehr ausdrücklich ausgeschlossen wird. Betrachtet wird vielmehr allein die "Bundesverwaltung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung", wie es wörtlich heißt.

Krisen sorgen für mehr Treibhausgase

Zu der Verwaltung gehören, neben dem Ministerium selbst, ausgelagerte zivile Organisationsbereiche sowie dem Ministerium direkt unterstellte zivile Dienststellen. Dabei werden Emissionen aus Vorleistungen eingeschlossen.

Das heißt: Wird Strom bezogen oder werden Dienstreisen unternommen, also "Beschaffungen" getätigt, deren Emissionen nicht direkt in der Bundesverwaltung anfallen, so werden diese Emissionen dennoch der Verwaltung zugerechnet.

Diese Vorgehensweise ist keine Erfindung des Verteidigungsministeriums. Das ist vielmehr so normiert und demnach üblich.

Konkret lagen die Emissionen der Bundeswehr – allein im Inland wohlgemerkt – im Jahr 2020 bei 1,47 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Das ist etwa so viel wie im Vorjahr.

2021 ist dann aber ein erheblicher Anstieg auf 1,71 Millionen Tonnen verzeichnen, das sind 16 Prozent mehr. Auffallend ist hier besonders ein Anstieg der Emissionen um etwa 100.000 Tonnen auf 780.000 Tonnen aus sogenannter militärischer Mobilität.

Als Gründe für den Anstieg nennt der Bericht unter anderem eine "erhöhte Aufgabenerfüllung" der Luftwaffe. Gemeint ist vermutlich die Heimholung aus Afghanistan. Flugemissionen werden nach dem Ort des Tankens zugerechnet.

Als ein weiterer Grund wird die Katastrophenhilfe 2020 und 2021 erwähnt. Gemeint sind sowohl die Corona-Hilfe als auch die Unterstützung nach der Flut im Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Vorteile durch Dezentralität

Die Aufwärtstrends gegenüber der Vergangenheit sollte man aber nicht überbewerten. Wichtig sind strategische Entscheidungen, die sich auf Klimagas-Emissionen erst mit der Zeit auswirken.

So verfügt die Bundeswehr über 1.500 Liegenschaften mit rund 33.000 Gebäuden. Meist befinden sie sich im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, dennoch scheinen Sanierung und Neubau Sache der Bundeswehr selbst zu sein, dort vor allem des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (BAIUDBw).

Die Pointe scheint hier zu sein, dass die Bundeswehr das Potenzial der dezentralen erneuerbaren Energien gerade für sich und ihre Liegenschaften erkannt hat. Diese Liegenschaften zeichnen sich dadurch aus, dass genug Platz ist – verdichtetes Bauen ist in Kasernen nicht üblich. Hier scheint also viel Raum für gebäudenahe Erneuerbaren-Anlagen zu sein. Damit lässt sich Klimaneutralität für ein Gebäude-Ensemble leicht schaffen.

Ergebnis sind dezentral energieautarke Gebäude oder besser Liegenschaften. Die haben nicht nur einen Klimavorteil, sondern auch noch einen erheblichen Sicherheitsgewinn: Sie sind nicht mehr so sehr abhängig von kritischen zentralen Infrastrukturen.

Der Gewinn durch Dezentralität der Energieversorgung liegt aber nicht allein in der erheblich erhöhten Resilienz militärischer Liegenschaften in Deutschland. Richtig deutlich wird das Potenzial bei Auslandseinsätzen.

Grünstrom erhöht "Durchhaltefähigkeit"

Der Bericht spricht hier ausdrücklich davon, dass bei landgebundenen Einsätzen vor allem der "Betrieb der sogenannten Einsatzliegenschaft, also der Basis der Soldatinnen und Soldaten, einen maßgeblichen Anteil am Energiebedarf der Mission" hat.

Diese Einsatzliegenschaft müsse einer Vielzahl an Anforderungen genügen: Unterbringung, Schutz, Betreuung, Verpflegung, Kommunikation und medizinische Betreuung, Vorbereitung militärischer Operationen sowie Instandsetzung von Material und Fahrzeugen.

Eine "durchhaltefähige" Versorgung mit Energie sei daher eine zentrale Aufgabe, heißt es im Bericht. Nach Möglichkeit werde die "konventionelle Stromproduktion" – meist auf Basis von Dieselgeneratoren – dabei durch Photovoltaik und Windkraft ergänzt.

Porträtaufnahme von Hans-Jochen Luhmann.
Foto: Wuppertal Institut

Jochen Luhmann

studierte Mathematik, Volks­wirtschafts­lehre und Philosophie und promovierte in Gebäude­energie­ökonomie. Er war zehn Jahre als Chef­ökonom eines Ingenieur­unternehmens und 20 Jahre am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie tätig. Er ist Vorsitzender des Beirats der Vereinigung Deutscher Wissen­schaftler.

Tatsächlich wurden beim Bundeswehreinsatz im Rahmen der UN-Mission Minusma Solar- und Windkraftanlagen an Standorten in Mali und Niger betrieben, wie der Bericht auflistet.

Dabei wurden in den beiden westafrikanischen Ländern 2020 und 2021 jeweils rund 1.400 Megawattstunden Ökostrom erzeugt und somit pro Jahr etwa 450.000 Liter Diesel eingespart. Auch wurde Solarthermie für die Warmwassererzeugung genutzt.

Den Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch in den Einsatzliegenschaften der Bundeswehr beziffert der Bericht für 2021 auf etwa zehn Prozent.

Strategisch im Blick hat die Bundeswehr, gemessen am Nachhaltigkeitsbericht, auch das Substitutionspotenzial, das mit Wasserstoff-Elektrolyseuren vor Ort erreichbar ist. Damit könne man ergänzend Treibstoffe herstellen – ebenfalls dezentral.

Der militärische Sicherheitsgewinn durch die Dezentralität der Erneuerbaren-Anlagen scheint also beim Militär erkannt worden zu sein.

Kriegsgerät bleibt Verbrenner-dominiert

Doch der Gang in die Eigenerzeugung von Energie macht die militärischen Liegenschaften in ihren Investitionen aufwändiger – das Argument des Sicherheitsgewinns, das so nur fürs Militär und seine Gebäude gilt, muss sich im Wettbewerb um knappe Finanzmittel durchsetzen. Und das gegenüber einem Finanzministerium, das die Investitionskriterien für die Auslegung energieeffizienter Bundesbauten gerne über einen Kamm scheren will.

Als einziges Ressort hat das Verteidigungsministerium gegenüber dem Finanzministerium durchgesetzt, dass es mit CO2-Schattenpreisen – nur 100 Euro pro Tonne – in der energetischen Auslegung rechnen darf. Der Militär-spezifische Sicherheitsgewinn ist darin aber noch nicht abgedeckt.

Bleibt noch die militärische Mobilität. Auch da gibt es den Bedarf, auf Straßen von A nach B zu fahren – und dafür geht das Verteidigungsressort mit dem Zug der Zeit, es wird auf batterieelektrische Fahrzeuge gesetzt. Daneben aber kauft man auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge, was mit eigenen Elektrolyseuren aussichtsreich scheint.

Die Hauptsache aber sind die Fahrzeuge für den Kampf in den Elementen Boden, Wasser und Luft. Dafür braucht es, wie der Bericht formuliert, "leistungsfähige Antriebe und Energieträger höchster Energiedichte" – und das sind nun einmal flüssige Kraftstoffe, die aber in Zukunft aus erneuerbaren Quellen synthetisiert werden sollen.

Das Umstellungsproblem trifft das Militär nicht allein. Auch die zivile Luftfahrt steht vor demselben Problem. Die Bundeswehr engagiere sich deshalb in gemeinsamen Pilotprojekten mit der Zivilluftfahrt, heißt es im Bericht.

Im Wesentlichen geht es zunächst um veränderte Treibstoffe, bei denen herkömmliche und künftige Treibstoffarten "gemixt" werden. Auch das "Nato Energy Security Center of Excellence" in Vilnius ist auf diesem Gebiet tätig, koordiniert vom "Nato Allied Command Transformation". Auch dort ist die Energiewende offenbar angekommen.

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