Das deutsche Militär emittiert in normalen Jahren 1,1 Millionen Tonnen Treibhausgase (CO2‑Äquivalent) für die Infrastrukturen und 0,7 Millionen Tonnen für die militärspezifische Mobilität. So weist es der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht der Bundeswehr aus, der im vergangenen Oktober veröffentlicht wurde und die Jahre 2018 und 2019 abdeckt.
Zusammen sind das rund 1,8 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr – die Emissionen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr sind dabei nicht mitgerechnet.
Das Jahr 2018 ist in dieser Hinsicht aber kein normales Jahr für die Bundeswehr. Die Wehrtechnische Dienststelle 91 im Emsland lässt in der Endphase des Hitzesommers einen Test eines Dritten, eines Waffenentwicklers, mit 70-Millimeter-Raketen aus dem Waffensystem Tiger trotz eines nicht einsatzbereiten geländegängigen Löschfahrzeugs zu – und prompt kommt es am 3. September bei Meppen zum Worst Case: einem umfänglichen Moorbrand.
Bis der Brand gelöscht ist, gehen etwa fünf Wochen ins Land. Die Menge der Treibhausgase, die dabei freigesetzt werden, wird errechnet und in den Inventarbericht der Bundesrepublik an das UN-Klimasekretariat für das Jahr 2018 aufgenommen. Der Bericht wird im Juli 2020 veröffentlicht.
Danach sind im Jahr 2018 aufgrund dieses Unfalls zusätzlich 637.000 Tonnen Treibhausgase emittiert worden, ausgewiesen in einer Tabelle auf Seite 682 des rund tausendseitigen Berichts. Rund 545.000 Tonnen davon, 85 Prozent, sind CO2-Emissionen. Die restlichen 15 Prozent sind emittiertes Methan, angegeben als 92.000 Tonnen CO2-Äquivalent.
Das mitgezählt, sind die Emissionen des deutschen Militärs im Inland im Jahr 2018 auf etwa 2,4 Millionen Tonnen angestiegen. Im Nachhaltigkeitsbericht der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums ist das aber nicht ausgewiesen worden. Das ist eine Nicht-Berichterstattung in der Größenordnung von 25 Prozent.
Die Kompensationszusage von 2018
Der Moorbrand von Meppen schlägt in der Öffentlichkeit hohe Wellen. Im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit sagt das Verteidigungsministerium daraufhin zu, dass die verursachten Treibhausgasemissionen vom Umweltbundesamt und dem Thünen-Institut ermittelt und dann "ausgeglichen beziehungsweise kompensiert" würden.
Diese Aussage macht das Verteidigungsministerium am 12. November 2018 in einem Bericht "zum Waldbrand Meppen und den damit verbundenen Kosten durch gesundheitliche Schäden und ökologische Schäden an der Umwelt" aufgrund einer Bitte des Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler (Grüne).
Offen sei nur noch "Art und Umfang" der Kompensation, so das Ministerium in seiner Zusage. Übermittelt wird Kindler dieser Bericht mit Anschreiben vom 15. November von der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium Bettina Hagedorn (Geschäftszeichen II D 2 – WE 0101/0 :011, Dokument 2018/0903034; die Papiere liegen Klimareporter° vor).
Das ist deshalb hier so pedantisch festgehalten, weil Hagedorn in ihrem Schreiben, mit dem sie diese absehbar finanzwirksame Zusage ihres Ministeriums dem Fragesteller übermittelt, auch festgehalten hat, dass für die Kosten der Kompensation oder des Ausgleichs der "Einzelplan 14" des Bundeshaushalts infrage komme. Das ist der Verteidigungshaushalt. Entsprechend hat Hagedorn die parlamentarischen Berichterstatter zu diesem Einzelplan in den Verteiler für ihr Schreiben aufgenommen.
... und der Rückzieher 2020
Zwanzig Monate später kommt das Verteidigungsministerium auf das Thema zurück – und macht einen völligen Rückzieher. Am 20. Juli 2020 antwortet das Ministerium, vertreten durch den parlamentarischen Staatssekretär Thomas Silberhorn, auf eine schriftliche Anfrage des emsländischen Abgeordneten Jens Beeck (FDP).
Silberhorn informiert zunächst darüber, dass das Volumen der Treibhausgasemissionen aus dem Moorbrand auf 637.000 Tonnen bestimmt worden sei. Dann teilt er jedoch mit, dass eine Kompensation nicht stattfinden werde. Der Grund: Ein passender Haushaltstitel habe sich nicht gefunden.
Bislang hat sich keiner der beiden Abgeordneten des Deutschen Bundestages darüber beschwert, mit der Behauptung an der Nase herumgeführt zu werden, das Finanzministerium habe 2018 einen Haushaltstitel gefunden, den das Verteidigungsministerium eineinhalb Jahre später nicht mehr fand.
Jochen Luhmann
studierte Mathematik, Volkswirtschaftslehre und Philosophie und promovierte in Gebäudeenergieökonomie. Er war zehn Jahre als Chefökonom eines Ingenieurunternehmens und 20 Jahre am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie tätig. Er ist Herausgeber der Zeitschrift Gaia und Vorstandsmitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler.
Für Außenstehende klingt die Antwort des Bundesverteidigungsministeriums wie eine Einladung zum Ostereiersuchen. Ernst gemeint sein kann das nicht.
Der Preis für Zertifikate im EU-Emissionshandel bewegt sich heute bei etwa 40 Euro pro Tonne. Der materielle Wert der Zusage, die Staatssekretärin Hagedorn im November 2018 gegenüber dem Abgeordneten Kindler gemacht hat, lag somit, wie sich nun erweist, bei etwa 25 Millionen Euro.
Keinen passenden Haushaltstitel zu finden und darüber eine solche Zusage zurückzunehmen – das ist leicht verdientes Geld.