Qualm steigt von einem brennenden Wald auf
Dürre in Deutschland: Trockene Felder und hohe Waldbrandgefahr. (Foto: Sven Lachmann/​Pixabay)

Die Liste ist sehr lang, was Deutschland alles tun müsste, um sich auf die Folgen der Klimaerhitzung einzustellen. Die Städte brauchen mehr Bäume und mehr Grünflächen, auch mehr Kaltluftschneisen, um den Wärmeinseleffekt im Sommer abzumildern.

Asphaltierte Flächen müssen entsiegelt oder mit wasserdurchlässigen Baustoffen ersetzt werden. Gebäude müssen anders konzipiert und gebaut werden als bislang. Im Straßenbau braucht es Beläge, die Hitze und Starkregen aushalten. Das Schienennetz muss sturmsicher gemacht werden.

Flüsse brauchen mehr Raum. Auch für Böden und Wälder braucht es naturnahe oder noch besser naturstärkende Lösungen – um die Resilienz angesichts zunehmender Hitze, Trockenheit und Starkregenereignissen im gesamten Bundesgebiet zu erhöhen.

Diese und viele weitere Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels hat das Umweltbundesamt (UBA) zusammen mit zahlreichen Klimaexpert:innen von Behörden und Ministerien aufgelistet. Die sehr umfangreiche Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 wurde heute von UBA und Umweltministerium vorgestellt.

Die Schäden, die bei fortschreitendem Klimawandel auftreten werden, so das UBA, "wirken sich dabei wie bei einem Dominoeffekt von bereits heute stark belasteten Ökosystemen wie Böden, Wäldern und Gewässern hin zum Menschen und seiner Gesundheit aus".

UBA-Präsident Dirk Messner mahnt: "Zum Ende des Jahrhunderts könnten einige Risiken in Deutschland so stark ansteigen, dass sie nur durch tiefgreifende Vorsorgemaßnahmen reduziert werden können." Auch angesichts des langen Vorlaufs, der für viele Maßnahmen erforderlich ist, fordert er: "Wir müssen jetzt handeln."

Hitze, Dürre, Starkregen

Wie stark der Handlungsbedarf ist, zeigen die Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD). "Die durchschnittliche Jahrestemperatur in Deutschland ist seit 1881 bereits um 1,6 Grad gestiegen – stärker als weltweit", sagt Tobias Fuchs vom DWD.

Diese Erwärmung hat Folgen. Laut DWD hat sich die Zahl der Hitzetage mit Höchsttemperaturen über 30 Grad Celsius schon fast verdreifacht. Geht es mit dem Klimawandel ungebremst weiter, erwarten die Fachleute für 2050 ein Temperaturplus von 2,3 bis drei Grad und für das Ende des Jahrhunderts 3,9 bis 5,5 Grad mehr.

Zugleich werden Dürre und Starkregen zunehmen, also einerseits zu wenig Wasser und andererseits zu viel. Die Niederschläge im Winter sind dem DWD zufolge bereits um 27 Prozent gestiegen. Kanalisation, Regenwassernutzung, Land- und Forstwirtschaft, Stadtplanung – an praktisch allen Stellen muss etwas passieren.

Insgesamt wurden in der Risikoanalyse über 100 Wirkungen des Klimawandels untersucht. Bei rund 30 davon lässt sich ein "sehr dringender Handlungsbedarf" feststellen. Dazu gehören tödliche Hitzebelastungen, besonders in Städten, Wassermangel im Boden und häufigere Niedrigwasser – mit schwerwiegenden Folgen für alle Ökosysteme, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Warentransport.

Auch die ökonomischen Schäden durch Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser an Bauwerken zählen die Expert:innen zu den gravierenden Risiken, ebenso die Bedrohung der Biodiversität und die Ausbreitung von Krankheitsüberträgern und Schädlingen bei weiter steigenden Temperaturen.

Erstmals wurden in der Studie auch die Wechselwirkungen der Klimafolgen untersucht, also wie die Risiken in einzelnen Sektoren zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen.

"In der Realität wird bei Grünflächenämtern oft gespart"

Sektorübergreifend war auch die Arbeit an der Studie. Fachleute aus 25 Bundesbehörden und neun Ministerien waren eingebunden. Denn inzwischen setzt sich die Einsicht durch, dass der Klimawandel und seine Folgen ein gemeinsames und aufeinander abgestimmtes Vorgehen erfordern.

Viel zu oft ist das noch nicht der Fall. Das Konzept der "Schwammstadt" beispielsweise ist mittlerweile bekannt. Etwa durch Begrünung wird Niederschlag zurückgehalten, sodass ein kühlender Effekt entstehen kann.

"Das ist aber ein abstraktes Wissen", sagt Robert Kaltenbrunner von dem an der Studie beteiligten Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). "In der Realität wird bei Grünflächenämtern oft gespart." Dabei seien sie es, die die wichtige Klimaanpassungsmaßnahme vorantreiben und in die Tat umsetzen könnten.

In vielen Fällen sei das Bewusstsein für die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Themas noch nicht genug ausgeprägt, so Kaltenbrunner. Seine Forderung: In der Ausbildung von Stadtplanern und weiteren Berufen muss der Klimawandel künftig eine Rolle spielen.

Ab Juli wird es für Klimaanpassung ein eigenes Kompetenzzentrum geben. Das Umweltministerium will damit Kommunen "beim Finden individueller Lösungen" unterstützen. "Wir werden auch den Einsatz von Anpassungsmanagern fördern, die vor Ort die Klimaanpassung vorantreiben", kündigte Ministerin Svenja Schulze (SPD) heute an.

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