Im Sommer 2011 erlitt Rostock mehrere Starkregenereignisse hintereinander. Die Tiefs "Otto" und "Quentin" überfluteten die Hafenstadt an der Ostsee dreimal innerhalb von drei Wochen. Die lokale Ostsee-Zeitung berichtete über Wut und Verzweiflung der Bürger nach den Überschwemmungen und eine generelle Besorgnis über den Einfluss des Klimawandels.
Ein Jahr später hatte Rostock als eine der ersten Städte in Deutschland eine Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Zu den wichtigsten Errungenschaften dieser Strategie gehören Maßnahmen zur Verbesserung der Regenwasserableitung und der Schutz vor Überschwemmungen. Heute hat Rostock auch einen Hitzeplan und ist europaweit Vorreiter für Klimaanpassung.
Der Starkregen von 2011 hat zweifellos dazu beigetragen, das Thema Klimaanpassung auf die Agenda zu setzen. Doch die direkte Betroffenheit ist nicht der einzige Grund dafür, warum sich manche Städte als Vorreiter etablieren, während andere zurückbleiben.
Die Gemeinde Loulé, eine kleine Stadt im Süden Portugals, ist ein landesweites Vorbild in der Klimaanpassung, ohne in den letzten Jahren mehr als andere unter dem Klimawandel gelitten zu haben. Seit zehn Jahren ist Loulé Teil des Gemeindenetzwerks Adapt Local, das vom Projekt Climadapt Local ins Leben gerufen wurde.
Das EU-geförderte Projekt will einen kontinuierlichen Prozess zur Ausarbeitung kommunaler Klimaanpassungsstrategien in Portugal einleiten. Die Zugehörigkeit zu dem Netzwerk ermöglichte es der Stadt Loulé, eine solche kommunale Strategie zu entwickeln. Mit ihrem 2021 verabschiedeten Klimaaktionsplan ist sie eine der ambitioniertesten Städte Portugals.
Auch in der rumänischen Großstadt Oradea gab es keine größeren klimabedingten Katastrophen – aber auch kaum Anstrengungen, die Stadt an den Klimawandel anzupassen. Lokale Aktivisten kritisieren, dass die Stadt der Erhaltung von Grünflächen wenig Aufmerksamkeit schenkt. Im Rahmen der EU-finanzierten Infrastrukturprojekte, die eigentlich Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen fördern sollen, werden hauptsächlich Straßen gebaut.
Die Frage, warum einige Städte bei der Klimaanpassung deutlich weiter fortgeschritten sind als andere, ist daher komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass es klare Schlüsselfaktoren für die Förderung von Anpassungspolitik gibt: konkrete Pläne und Monitoring, ausreichende personelle und finanzielle Mittel, politischer Wille, aktive und motivierte Menschen in den Verwaltungen, Zugang zu Wissen.
Ein Blick auf die unterschiedlichen Ansätze in Rostock, Loulé und Oradea zeigt, dass diese Faktoren tatsächlich eine Rolle spielen.
Ein Anpassungsplan ist gut, konkrete Maßnahmen sind besser
Ein Aktionsplan ist ein guter Anfang, aber die eigentliche Herausforderung liegt in seiner Struktur und Ausführung. Kristine Kern vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung betont: "Es besteht ein großer Unterschied zwischen einem Aktionsplan, der vielversprechend klingt, aber keine konkreten Schritte enthält, und einem Plan, der konkrete Ziele und Fristen vorgibt."
Rostocks Plan ist konkret und enthält einen detaillierten Follow-up-Mechanismus, bei dem jede Maßnahme einer bestimmten Abteilung in der Stadtverwaltung zugewiesen ist, die für die Verfolgung der Fortschritte verantwortlich ist.
Auch der kommunale Klimaaktionsplan von Loulé ist sehr detailliert. Er umfasst Nachhaltigkeitsstandards, die Bewirtschaftung der Wasserressourcen, den Schutz der biologischen Vielfalt und die Anpassung der Infrastruktur, um mit den Auswirkungen des Klimawandels wie extremen Wetterereignissen und dem steigenden Meeresspiegel fertig zu werden.
Im Gegensatz dazu scheint die Strategie von Oradea weniger konkret zu sein. Der Aktionsplan für nachhaltige Energie und Klima der Stadt widmet der Klimaanpassung nur fünf von fast 150 Seiten. Die aufgeführten Projekte bleiben weitgehend konzeptionell. Die integrierte Stadtentwicklungsstrategie von Oradea, ein umfangreiches Dokument von über 800 Seiten, hat für Klimaanpassung sogar nur eine halbe Seite übrig.
Fehlende Finanzierung behindert lokale Bemühungen
In Deutschland begann die Finanzierung der Klimaanpassung durch den Bund im Jahr 2008 und stellte einen Wendepunkt für die Kommunen dar. Dadurch wurde Anpassung überhaupt erst ein Thema, sagt Kristine Kern: "Diese Förderung durch den Bund ist sehr wichtig für die Kommunen. Früher haben nicht so viele Kommunen etwas gemacht."
Die Stadt Rostock profitiert in der Tat massiv von dem Förderprogramm des Bundes. Mehr als die Hälfte ihrer Projekte zur Klimaanpassung wird dadurch gefördert.
Oradea in Rumänien kämpft indes mit einem erheblichen Mangel an finanziellen und personellen Ressourcen für die Klimaanpassung. Im Rathaus gibt es für Klimaschutz- und -anpassungsprojekte weder eine eigene Abteilung noch ein Budget. Finanzierungsmöglichkeiten wie die EU-Mission "Anpassung an den Klimawandel", stehen theoretisch zur Verfügung, bleiben aber für viele Kommunen weitgehend unzugänglich.
Selbst in Rostock berichteten Gemeindevertreter, dass die EU-Fördermittel aufgrund schwieriger Zugriffsmöglichkeiten nicht in Betracht bezogen werden. Sprachbarrieren hindern zumindest ältere Mitarbeitende daran, EU-Fördermittel zu beantragen, da viele Informationen nur auf Englisch verfügbar sind.
Interessanterweise geht Loulé noch einen anderen Weg zur Finanzierung von Anpassung. Investitionen für mehr Energie- und Wassereffizienz und für Klimamaßnahmen sind dort eine der vier Hauptachsen des kommunalen Finanzplans. Die dafür geplanten Investitionen belaufen sich auf 18,6 Millionen Euro bis 2029. Das Budget ist zwar das kleinste unter den vier Hauptachsen, aber dass ein Bereich wie Energie- und Wassereffizienz und Klimaschutz so zentral behandelt wird, ist schon allein eine verwaltungstechnische Innovation.
Der Schlüssel: politischer Wille und genug Personal
Politischer Wille, Verwaltungskapazitäten und vor allem motivierte Menschen in den Verwaltungen spielen auch in den drei Städten eine entscheidende Rolle.
In Oradea ist der Klimawandel immer noch ein Randthema, politisch wie verwaltungstechnisch. Obwohl Nicu Ștefănuță, ein unabhängiger rumänischer Politiker im Europäischen Parlament, sich stark für Umweltfragen einsetzt, bleiben seine Bemühungen isoliert.
Die politischen Parteien, sowohl auf lokaler Ebene in Oradea als auch auf nationaler Ebene, haben den Klimawandel in ihren Wahlkampagnen weitgehend ignoriert. In den vier Wahlgängen des letzten Jahres gab es keine nennenswerten Vorschläge oder Debatten zur Eindämmung des Klimawandels oder zu Anpassungsmaßnahmen.
Selbst auf Verwaltungsebene scheint das Engagement für die Klimaanpassung oberflächlich zu sein. Die Stadtverwaltung von Oradea gibt zwar an, sieben Berater für klimabezogene Fragen zu haben, aber die mangelnde Transparenz hinsichtlich ihrer Qualifikationen und Aufgaben lässt auf einen Mangel an strukturierten oder sinnvollen Bemühungen schließen.
Im Gegensatz dazu hat Rostock einen systematischen Ansatz. Politische Entscheidungsträger räumten Umweltfragen schon früh Priorität ein. Rostock ist zum Beispiel schon seit 1993 Mitglied im Klima-Bündnis europäischer Städte. Zudem hatte Rostock von 2010 bis 2022 mit Holger Matthäus einen besonders engagierten Senator für Bau und Umwelt. Der Grünen-Politiker trug in seiner Amtszeit maßgeblich dazu bei, klimarelevante Ziele voranzubringen.
Bianca Schuster, Abteilungsleiterin im Amt für Umwelt- und Klimaschutz, hebt hervor, dass ihre Position ausdrücklich auf die Klimaanpassung ausgerichtet ist, obwohl nur 50 Prozent offiziell dafür vorgesehen sind. Sie hofft, dass es für diese Aufgabe künftig eine Vollzeitstelle gibt, damit sich die Stadt kontinuierlich für ihre Klimainitiativen einsetzen kann.
In Loulé hat die politische Führung der Stadt den Umweltschutz maßgeblich vorangetrieben. Bürgermeister Vítor Aleixo von den Sozialisten, seit 2013 im Amt, ist in ganz Portugal bekannt für seinen Widerstand gegen die Öl- und Gasförderung an der Algarve und sein Engagement für Nachhaltigkeit.
Nähe zur Wissenschaft
Wenn Menschen sich für Klimaanpassung einsetzen, geht es also voran. Und wenn sie dann noch wissenschaftlich unterstützt werden, kann in kurzer Zeit wirklich viel passieren. "Die Nähe zur Wissenschaft macht einen Unterschied", sagt Kristine Kern. Als Beispiele nennt sie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. "Solche Institute spielen durchaus eine Rolle." Aber auch eine Universität vor Ort sei meist ein positiver Faktor.
Loulé ist ein gutes Beispiel für diese Synergie. Der kommunale Klimaaktionsplan der Stadt wurde mit Unterstützung eines Forschungsteams der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Lissabon entwickelt. Loulé diente als Fallbeispiel einer Studie zur Bewertung des steigenden Meeresspiegels und der Flutwelle bei extremen Überflutungsereignissen und Küstenüberschwemmungen.

Auch Rostock profitiert davon, dass die örtliche Universität einen eigenen Fachbereich für ökologische Fragen hat, der die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und städtischen Behörden fördert. Darüber hinaus war die Stadt Teil einer groß angelegten Studie unter Leitung der HafenCity Universität Hamburg, die Anpassungsstrategien für die Stadt- und Regionalplanung an der Ostseeküste untersuchte.
Im Gegensatz dazu hat Oradea mit einer erheblichen Lücke in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zu kämpfen. Wie die Universität Oradea bestätigt, unterhält sie keine Projekte oder Partnerschaften mit der Stadtverwaltung im Bereich der Klimaanpassung. Auch gibt es an der Uni keine Abteilungen oder Forscher, die sich mit der Anpassung an das städtische Klima oder den Auswirkungen des Klimawandels auf die städtische Umwelt beschäftigen.
Anders als Städte wie Rostock und Loulé, wo akademische Einrichtungen aktiv zu den lokalen Anpassungsbemühungen beitragen, muss die Stadtverwaltung von Oradea die klimatischen Herausforderungen ohne diese entscheidende Unterstützung bewältigen.
Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen als große Hürde
Eine Rolle spielt auch die Gestaltung der Versorgungsinfrastruktur. "Die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen ist ein großes Problem", erklärt Kern. Werden grundlegende Dienstleistungen privatisiert, kann das den Einfluss einer Kommune auf wichtige Infrastrukturen einschränken. Dagegen ermöglicht eine öffentlich verwaltete Versorgungsinfrastruktur oft mehr Kontrolle, sodass die Stadt Klimaanpassungsmaßnahmen effektiver umsetzen kann.
Rostock ist ein überzeugendes Beispiel dafür. Anders als viele Städte, die wesentliche Dienstleistungen privatisiert haben, behielt Rostock die öffentliche Kontrolle über wichtige Versorgungseinrichtungen wie Wasser und Strom. Das erwies sich als entscheidender Vorteil bei den Anpassungsbemühungen.
In seiner zehnjährigen Amtszeit nutzte dies Bau- und Umweltsenator Matthäus, um Klimaschutzinitiativen voranzutreiben. Dank der öffentlich verwalteten Infrastruktur hatte er direkten Zugang zu den Versorgungsunternehmen. Er konnte deren Beteiligung an Diskussionen und Initiativen anordnen und dafür sorgen, dass die Stadt ihre Klimabemühungen sektorübergreifend koordinierte.
Die portugiesische Stadt Loulé hingegen sah sich wegen ihrer privatisierten öffentlichen Dienstleistungen mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. In der Stadtverwaltung gibt es Frustration darüber, dass der Einfluss auf Schlüsselsektoren wie Wasser und Energie begrenzt ist. Privatisierte Dienstleistungen bedeuten, dass die Verwaltung mit privaten Unternehmen verhandeln muss, die oft kurzfristige Gewinne über langfristige Nachhaltigkeit stellen. Dieser Mangel an Kontrolle hat Loulé daran gehindert, seine Anpassungsbemühungen noch effizienter voranzutreiben.
Interessanterweise teilt Oradea den Rostocker Vorteil des öffentlichen Eigentums, da seine wesentlichen Dienstleistungen unter kommunaler Kontrolle geblieben sind. Im Gegensatz zu Rostock ist es der rumänischen Stadt jedoch nicht gelungen, daraus Kapital zu schlagen. Oradea hat gute Voraussetzungen, Interessengruppen zusammenzubringen und robuste Klimamaßnahmen einzuleiten, aber fehlender politischer Wille ließ diese Chance weitgehend ungenutzt.
Aus den gegensätzlichen Erfahrungen von Oradea, Rostock und Loulé lässt sich eine wichtige Erkenntnis gewinnen: Klimaanpassung erfordert mehr als nur Pläne – nötig sind politischer Wille, Finanzierung, Verwaltungskapazitäten und Zusammenarbeit mit der Wissenschaft.
Diese Herausforderungen unterstreichen den dringenden Bedarf an besserer Kommunikation, Kapazitätsaufbau und strategischer Mittelvergabe, um sicherzustellen, dass sich Kommunen in ganz Europa effektiv anpassen können. Eine öffentlich verwaltete Versorgungsinfrastruktur kann Städten dabei die nötige Handlungsautonomie geben, doch ohne Führung und Vision stockt der Fortschritt.
Angesichts des sich beschleunigenden Klimawandels müssen Städte aber schnell und entschlossen handeln, um ihre Bevölkerung zu schützen. Die Frage bleibt: Wie können Stadtverwaltungen motiviert werden, die Herausforderung anzunehmen, bevor die Kosten der Untätigkeit zu hoch werden?
Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag ist Teil einer Kooperation zwischen den Autorinnen sowie Correctiv, NDR, BR und WDR. Das Netzwerk Correctiv Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, unter anderem mit einem langfristigen Fokus auf die Klimakrise. Der Beitrag wurde durch das Förderprogramm für grenzüberschreitenden Lokaljournalismus von Journalismfund Europe finanziert.