Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit, längst sind Folgen wie steigende Hitze spürbar. Die Stadtregierung hat sich daher das Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Dazu hat sie die "größte Photovoltaik-Offensive der Geschichte" gestartet.
Zur Erläuterung teilt sie mit: "Gebäudedächer, -fassaden und sonstige bereits versiegelte Flächen sind besonders wertvoll für Photovoltaik-Anlagen." Die Frage, ob ein Dach zur Begrünung oder zur Stromerzeugung genutzt werden soll, stelle sich dank technischer Fortschritte nicht mehr.
Entsprechend fasst der neue "Solarleitfaden" Möglichkeiten und Potenziale zusammen, um Gebäudebegrünung und Solarstromnutzung gemeinsam zu realisieren.
Der Solarleitfaden, von dem hier die Rede ist, gilt seit Anfang Juni, aber nicht in einer Stadt in Deutschland, sondern in Wien, der Hauptstadt Österreichs. Mit bis zu 400 Euro pro Kilowatt Solarkapazität unterstützt die Wiener Stadtregierung die Installation von Photovoltaikanlagen auf Gründächern oder deren Einbau als "Verschattungseinrichtung" für Dachlandschaften mit Aufenthaltscharakter und Dachbegrünung.
Gefördert werden sogar die verschiedenen Kombinationen von pflanzlichem und solarem "Grün". Beides kann nebeneinander an der Fassade oder auf dem Dach koexistieren oder "übereinander" mit mindestens 20 Zentimetern Abstand zwischen Beet und Solarmodul.
Oder auch mit einem Abstand von zwei Metern. Dann ergeben die Solarmodule eine Überdachung wie eine Art Pergola. Die Begrünung darunter steigere dabei den Wirkungsgrad der Photovoltaik um vier Prozent, heißt es im Leitfaden.
Der Münchner Ökostromanbieter Polarstern hält hier sogar ein Plus von bis zu acht Prozent für möglich – je nach Technik und Region. Positiv auf die Stromausbeute wirkten dabei der kühlende Effekt durch Verdunstung über die Pflanzen, deren Staubabsorption sowie die diffuse Reflexion des Sonnenlichts durchs Blattwerk.
Dieter Schenk, Geschäftsführer der Zinco GmbH in Nürtingen bei Stuttgart, findet die Wiener 400-Euro-Förderung "sehr attraktiv", sagte er gegenüber Klimareporter°. Seit 2002 bietet Zinco ein Montagesystem an, um Photovoltaik und Dachbegrünung zu kombinieren. In den fast 20 Jahren seitdem ist dem Zinco-Chef aber kein Förderprogramm untergekommen, mit dem diese intelligente Lösung – Klimaschutz plus -anpassung – in Deutschland ausdrücklich unterstützt wird.
"Es fehlt an Fantasie für intelligente Lösungen"
Das Durchforsten diverser Förderdatenbanken bringt zwar zutage, dass es in Deutschland um die 380 Programme gibt, die Gründächer fördern. Doch ob diese später mithilfe der normalen EEG-Förderung "solar nachgerüstet" werden können, darüber sind keine Angaben zu finden.
Ganz einfach dürfte dies nicht sein, denn die Gründach-Solar-Kombination stellt an die Statik des Hauses besondere Anforderungen. Auch dürfen die Pflanzen die Module nicht überwuchern. Das treibt die Kosten nach oben. Nur in einzelnen Kommunen wie Hamburg und Hannover soll es inzwischen spezielle Förderprogramme für Dachgrün plus Solarstrom geben.
Die staatliche Förderbank KfW konnte auf Nachfrage nicht mitteilen, ob ein KfW-Programm noch gilt, bei dem mit der Dachbegrünungs-Förderung auch Solarmodule mitfinanziert werden konnten. Man solle das beim Bundeswirtschaftsministerium anfragen, hieß es.
Nicht nur für Dieter Schenk von Zinco ist eine bundesweite Förderung längst überfällig, auch der Branchenverband BSW Solar begrüßt grundsätzlich solche und andere Photovoltaik-Hybridanwendungen. "Beiträge zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Dämpfung des globalen Klimawandels gehen hier Hand in Hand", betont Verbandschef Carsten Körnig.
Für Hans-Josef Fell ist das Nischendasein der grünen Kombi-Lösungen keine große Überraschung. Viele wichtige Klimaschutzideen würden zunächst "als nebensächliche Außenseiteraktivität wahrgenommen", meint der Energiewendepionier und Präsident der Energy Watch Group gegenüber Klimareporter°.
So komme es dann, dass die Lösungen weder in den Medien die nötige Aufmerksamkeit finden noch die Politik entsprechende Bauvorschriften erlässt und Förderprogramme auflegt. "Den meisten fehlt schlicht die Fantasie, dass Dachbegrünungen in Verbindung mit Photovoltaik ein wesentlicher Beitrag für grüne Städte und Klimaschutz sind", meint Fell.
Aus Sicht des Energieexperten darf es auf den Dächern kein Entweder-oder geben – also nur Grün oder nur Photovoltaik. Nötig sei, wo immer möglich, eine Kombination von beidem.
Um die Mehrkosten abzudecken, die durch die Verstärkung der Statik oder veränderte Anordnungen der Solarmodule entstehen, plädiert Fell für einen höheren EEG-Vergütungssatz für Photovoltaik auf begrünten Dächern und für den Verzicht auf Ausschreibungen, auch für Anlagen mit mehr als 750 Kilowatt.
Notwendig seien aber auch Information, Aufklärung und Beratung für Architekten, Solarfirmen und Bauwillige.