Auf einem großen Flachdach sind Solarmodule installiert, daneben wachsen Gräser, Moose und andere Pflanzen.
Ein Beispiel für die Koexistenz von Photovoltaik und Dachbegrünung, die allerdings nicht für lau zu haben ist. (Foto: BuGG)

Mitunter entsteht ein Win-win-Effekt an Stellen, wo man ihn nicht vermutet. So verbessern Gründächer erwartungsgemäß das Stadtklima, sie verlängern aber auch die Lebensdauer von Dächern mit Photovoltaikanlagen.

Bei einer ungeschützten Photovoltaik-Dachanlage wird die erste größere Reparatur nach elf bis 15 Jahren fällig. Befindet sich die Photovoltaikanlage aber auf einem Gründach als eine Art Schutzschicht, verlängert sich die Zeit bis zur ersten Reparatur auf über 20 Jahre.

Das ist Ergebnis einer Umfrage des Bundesverbandes Gebäudegrün (BuGG) unter Dachdeckern, aus der Verbandspräsident Gunter Mann kürzlich auf dem ersten bundesweiten Kongress zum Solar-Gründach zitierte.

Dank der Vegetation schütze so ein Gründach ganz anders vor Wetterextremen, wie sie mit dem Klimawandel immer häufiger auftreten, begründete Mann die geringere Reparaturanfälligkeit. Auch könne das Grün, zumal wenn Drainagen und Speichermöglichkeiten dazukämen, bis zu 80 Prozent des niedergehenden Wassers aufnehmen. Das kühle die Stadt bei Hitze – und ganz nebenbei auch die Solarstromanlage.

Dem BuGG-Präsidenten war auf dem Kongress seine Begeisterung über die vielfachen Erfolgsfaktoren der Dach-Kombination von Sonne ("gelb"), Vegetation ("grün") und Wasser ("blau") deutlich anzumerken. Da wären zum Beispiel: Überflutungs- und Hitzevorsorge, Wasserrückhalt, CO2-Reduktion, Artenvielfalt, Ertragssteigerung bei der Photovoltaik, Bindung von Luftschadstoffen und Schutz der Gebäudehülle.

Gründächer mit all diesen Vorteilen muss man in Deutschland allerdings mit der Lupe suchen. Nach BuGG-Angaben entstanden im vergangenen Jahr hierzulande rund 90 Millionen Quadratmeter Dachflächen neu. Davon blieben mehr als 90 Prozent unbegrünt. Knapp zehn Prozent oder 8,7 Millionen Quadratmeter bekamen eine Vegetation obendrauf gepflanzt.

Davon zählen allerdings rund 82 Prozent zur Kategorie "extensives" Gründach. Bei dem bedeckt eine höchstens 15 Zentimeter hohe Schicht aus Moosen und Gräsern das Dach. Sogenannte "intensive" Gründächer, begehbar und mit Sträuchern, Bäumen und möglicherweise Biodiversitätszugaben wie Totholz, entstanden letztes Jahr auf nur 17,5 Prozent der begrünten Dächer.

Wie viele Gründächer dann noch mit Solarenergieanlagen ausgestattet wurden – darüber kann auch der BuGG keine genauen Angaben machen. Gunter Mann schätzte, dass etwa auf fünf Prozent der extensiv begrünten Dachflächen auch Solarmodule installiert wurden – mit welcher Gesamtkapazität, ist natürlich noch weniger bekannt.

Keine explizite Förderung

Die peinlich geringe Verbreitung von Solargründächern in Deutschland liegt vor allem auch an fehlender Förderung, die sich derzeit auf einige kommunale Programme beschränkt.

Derzeit gibt es nur in 121 Städten eine Förderung von Dachbegrünung, meist für die einfachere extensive Form, referierte BuGG-Expertin Rebecca Gohlke auf dem Kongress aus einer entsprechenden Analyse. 13 Städte förderten zudem die Kombination eines Gründachs mit Photovoltaik direkt oder per Bonus, darunter Leipzig, Bielefeld, Maintal oder die regionale Initiative Pro Klima Hannover.

Auf Landesebene gebe es eine Solardachgrün-Förderung praktisch nur in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin, so Gohlke weiter. Die Flächenländer würden zwar Maßnahmen für Klimaanpassung und Nachhaltigkeit fördern und dies wortreich bekunden. Es sei aber unklar, ob damit auch Solargründächer gemeint seien, sagte die Expertin, direkt genannt würden sie in den Förderrichtlinien jedenfalls nicht.

Dieselbe Situation bietet sich Gohlke zufolge auf der Bundesebene. Die Richtlinien zur Städtebauförderung erwähnten das Solargründach nicht explizit. "Thematisch sollte es eigentlich förderfähig" sein, meinte sie. Allerdings seien Energie und Begrünung im Bund "zwei Paar Schuhe", schränkte sie ein. Entweder werde Phototvoltaik gefördert oder Dachgrün.

Gohlkes Nachforschungen brachten nur ein einziges Bundesprogramm zutage, bei dem seit diesem Jahr Dauergrün förderfähig ist – als Wärmedämmmaßnahme an der Gebäudehülle. Ihr Fazit: Bei investiven Maßnahmen für Solargründacher besteht kein Förderangebot auf Bundesebene.

Drei Jahre Pflege

Die gelb-grün-blaue Vision, das machte der Kongress ein ums andere Mal klar, ist nicht für lau zu haben. Christoph Harlacher, Vizepräsident der Schweizerischen Fachvereinigung Gebäudebegrünung, veranschlagte die Kosten für eine billige Unterkonstruktion pro Solar-Panel auf etwa 75 Euro. Soll Grün darunter, steigen die Kosten Harlacher zufolge auf 110 Euro pro Panel, also um gut ein Drittel.

Dabei dürfe sich die Förderung nicht darauf beschränken, die Installation der "gelben", "grünen" und vielleicht auch "blauen" Infrastruktur auskömmlich zu unterstützen, hieß es unisono bei den Fachleuten. Mindestens genauso wichtig sei es, in den ersten drei Jahren für eine gute Pflege der Dächer zu sorgen – sonst bestehe die Gefahr, dass die Natur die Regie auf dem Dach übernimmt.

Auf dem Kongress gab es dazu warnende Bilder zugewucherter Dächer zu sehen, deren Solarmodule so übergrünt waren, dass Experten die einzige Lösung im Abriss der Anlagen sahen. Das Zusammenspiel von Natur und Technik braucht Hege und Pflege. Insofern erscheint das Solargründach als eine anspruchsvolle Lösung.

Für die Doppel- oder gar Mehrfachnutzung wertvoller Flächen baut sich auch ein gewisser Zeitdruck auf. Wenn es absehbar auf Bundesebene zu einer Solarpflicht für neue und später auch für Bestandsgebäude komme, drohten Zielkonflikte zwischen Grün- und Solardächern, warnte BuGG-Präsident Mann. Es gehe aber darum, Solarstrom und Dachgrün, Klimaschutz und Klimaanpassung, zusammenzubringen.

Ein entsprechendes Positionspapier für ein "Bundesförderprogramm Solargründach" stellte auf dem Kongress Harald Uphoff vom der mitveranstaltenden 100-Prozent-Erneuerbar-Stiftung vor. Das Papier schlägt vor: Wird ab einer Untergrenze von 100 Quadratmetern Dachfläche Solarstrom oder Solarthermie installiert, bekommen private wie öffentliche Gebäudeeigentümer den Mehraufwand für eine passende Dachbegrünung gefördert, einschließlich der Pflege für drei Jahre.

Die Untergrenze gebe es, damit nicht jeder, der sich eine Solaranlage zulegt, auch ein Gründach dazu bauen muss, erläuterte Uphoff. Zunächst solle die Förderung auch nur für Neubauten gelten und später auf den Bestand ausgeweitet werden. Abwickeln könnte die Förderung die KfW Bank, Bundes- und Länderprogramme sollten kombinierbar sein.

Aufnahme in Bundes-Aktionsprogramm?

Für multifunktionale Lösungen plädierte auf dem Kongress auch Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium. Sein Haus favorisiere bei der grünen und blauen Infrastruktur naturbasierte Lösungen. Es müsse mehr Biomasse in die Städte kommen, um diese resilient zu machen gegen die Klimakrise. Kombinierte Solar- und Gründächer seien dazu eine Möglichkeit.

Nach Angaben von Uphoff zeigt sich das Umweltministerium inzwischen aufgeschlossen gegenüber einem Förderprogramm für Solargründächer und dessen Finanzierung über das geplante Aktionsprogramm "Natürlicher Klimaschutz". Das mit vier Milliarden Euro ausgestattete Programm soll laut Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in dieser Legislaturperiode beschlossen werden.

Uphoff ist sich sicher, dass das Solargründach in Zeiten fortschreitender Klimaerhitzung der neue Standard als kombinierte Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahme auf großen, wenig geneigten Dächern wird. "Die Planer von Gebäuden sind gefordert, das Solargründach von Beginn an mitzudenken", forderte Uphoff. Das Wissen und die Technologie seien vorhanden, auch wenn die Branche weiter an noch besseren Lösungen arbeite.

Gelb, grün und blau zu kombinieren, ist eben noch nicht alltäglich.

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