Die Gaswirtschaft macht lieber unrealistische Zukunftsversprechen, als ihre Verteilnetze abzuschreiben. (Bild: Werner Weisser/​Pixabay)

Mit der Energiekrise 1973 verzehnfachten sich die Rohölpreise. Heizen war auf einmal sehr teuer. Daraus wurden Lehren gezogen. Seit dem Jahr 1976 ist die energetische Auslegung von Gebäuden in Deutschland reguliert, seitdem gibt es in diesem Land auch eine Heizungsverordnung.

Damit werden Vorgaben zur energetischen Mindest-Effizienz von Heizungsanlagen gemacht. Hintergrund ist die jahrzehntelange Erfahrung, dass der Markt nicht funktioniert, dass ohne solche Vorgaben unökonomische Heizungen eingebaut werden. Das ist nicht allein in Deutschland so.

Die Bestimmungen der Heizungsanlagen-Verordnung wurden im Jahr 2020 zu einem Teil des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gemacht. Im Vertrag der Ampel-Koalition von November 2021 wurde entschieden, sie um ein Klimaziel zu ergänzen, indem ein Erneuerbaren-Anteil an der Herkunft des Heizenergieträgers vorgeschrieben wird.

Wörtlich heißt es auf Seite 90 im Koalitionsvertrag: "Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden." Im März 2022 wurde im Koalitionsausschuss beschlossen, den Termin auf den 1. Januar 2024 vorzuziehen.

Dem haben alle drei Partner zugestimmt, auch die Vertreter der FDP. Geführt hatte die Verhandlungen in der Arbeitsgruppe "Bauen und Wohnen" auf FDP-Seite der jetzige Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Bundestagsfraktion, Daniel Föst.

Inszenierter Widerstand auf dem FDP-Parteitag

Um diese Neufassung wird nun in bizarrer Weise öffentlich debattiert. Vorbereitet wurde das zum Zeitpunkt der ersten regierungsinternen Vorlage eines frühen Referentenentwurfs. Das Papier wurde an Zeitungen des Springer-Verlags gegeben, die daraufhin das Narrativ eines Grundsatzkonflikts in die Welt setzten. Anfang April dieses Jahres wurde vermeldet, man habe sich regierungsintern auf "Technologieoffenheit" geeinigt.

So mental vorbereitet ergab es sich, dass die FDP-Parteiführung auf ihrem Bundesparteitag im April in Berlin mit einem Dringlichkeitsantrag konfrontiert wurde. Eingebracht wurde er vom Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler, der fachlich unzuständig ist. Der Titel: "Gebäudeenergiegesetz: Smarter Klimaschutz statt Angriff auf das Eigentum".

Dieser Antrag fand breite Unterstützung durch rund 50 Delegierte, meist Abgeordnete von Landtagen und Bundestag – also Politiker, die des pragmatischen Denkens fähig sind. Lediglich der fachlich zuständige Abgeordnete Föst fehlt auf der Liste.

In dem Antrag wurde ernstlich behauptet und gefordert: "Die Grünen wollen die Bürgerinnen und Bürger zwangsbeglücken. Dies lehnen wir ab. Unser Instrument, um die Klimaziele zu erreichen, ist ein sektorübergreifender europäischer Emissionshandel. Dieser kann durch Förderprogramme unterstützt werden. Verbote lehnen wir als Instrument ab."

Foto: Wuppertal Institut

Jochen Luhmann

studierte Mathematik, Volks­wirtschafts­lehre und Philosophie und promovierte in Gebäude­energie­ökonomie. Er war zehn Jahre als Chef­ökonom eines Ingenieur­unternehmens und 20 Jahre am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie tätig. Er ist im Beirat der Vereinigung Deutscher Wissen­schaftler und dort Mitglied der Studien­gruppe Europäische Sicherheit und Frieden.

Was ist ein "Verbot"? Das gesamte, aufgrund der desaströsen Erfahrung von 1973 konzipierte Energieeinspargesetz, jetzt als Gebäudeenergiegesetz gefasst, verbietet es, energetisch unwirtschaftliche Gebäude und Heizungsanlagen zu konzipieren und zu errichten. Es setzt eine Grenze.

Erst jenseits des Verbotenen beginnt der Freiheitsraum der energetischen Gestaltung. Nimmt man den Beschluss der FDP zum Nennwert, so lehnen die Delegierten das Gebäudeenergiegesetz in Gänze ab.

Die Parteiführung hat sich nicht gegen diesen Antrag gestellt, er wurde so beschlossen, wie er eingebracht wurde. Warum?

Vielleicht weil der Antrag es nicht so meint, wie er es eingangs formuliert. Er läuft auf drei "Bitten" an die Bundestagsfraktion hinaus, in denen vorausgesetzt wird, dass das Gesetz im Wesentlichen so beschlossen wird wie im Koalitionsvertrag verabredet und nun im Entwurf vorliegend.

Was soll die FDP-Fraktion schon anfangen mit einer Bitte von der sprachlichen Präzision wie "CO2 vermeiden statt Paragrafendschungel"? Soll man die hier antönende Herabsetzung des Rechtsstaates ernst nehmen? Die Medien meinen offenkundig: Ja. Sie übernehmen die inszenierte Positionierung von Teilen der FDP als Grundsatzkonflikt. Sie scheint aber lediglich Wortgeklingel zu sein. Wirklich? Das könnte auch Tarnung sein.

Unter den drei Bitten ist nur eine Aufforderung mit konkreter Substanz: Die Regierung solle die Kappungsgrenze für Modernisierungsmieterhöhungen "– auch im Hinblick auf die seit 2018 erheblich gestiegene Inflation – überprüfen und angemessen anheben". Dies wird im Prozess der parlamentarischen Beratung sicherlich geschehen.

Hoffen auf Wasserstoff für Hausheizungen

Es fragt sich aber, was die Substanz der wie folgt formulierten dritten "Bitte" sein mag:

"Bevor der Staat den Bürgerinnen und Bürgern detaillierte Vorgaben für ihre Heizungskeller macht, muss er Erfolgsbedingungen einer klimafreundlichen technischen Infrastruktur schaffen. Solange Städte und Gemeinden keine kommunale Wärmeplanung entwickelt haben und solange kein Gesamtplan für das breitflächige Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland vorliegt, verbieten sich schwerwiegende und verpflichtende Eingriffe in das private Eigentum der Bürgerinnen und Bürger."

An diesen Formulierungen sind zwei Dinge bemerkenswert. Zum einen wird damit zugegeben, dass "Verbote" doch sein dürfen – aber erst später, wenn infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen wurden, nämlich Infrastrukturen für die Verfügbarkeit von Wasserstoff.

Zum anderen scheint die FDP strukturell auf dasselbe Muster zu setzen wie in der Verbrenner-Debatte bei Automobilen: Sie schürt die Erwartung, auch in Gebäuden könnten Heizungsanlagen mit Verbrennungstechnik weiterbetrieben werden. Man müsse nur den gasförmigen Endenergieträger auswechseln, alles andere könne praktisch unverändert bleiben: der Typ der Heizungsanlage, das Verbrennungsprinzip, der Anschluss an eine "Gasleitung".

So wird es nun anscheinend auch offensiv vertreten, vom Generalsekretär der FDP und anderen aus der Partei. "Grüner Wasserstoff" entspricht hier den "E-Fuels" in der Kfz-Debatte.

Überraschende Regelungen im Gesetzentwurf

Schaut man derart voreingenommen in den Entwurf der GEG-Novelle, gibt es dort mehrere Überraschungen und einen Pferdefuß zu entdecken.

Erstens ist der Wortlaut im Koalitionsvertrag eindeutig im Präsens formuliert, nicht als Option für später irgendwann einmal. Eine "neu eingebaute H2-ready-Heizung" kann auf absehbare Zeit offenkundig nicht "auf der Basis von 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden". Doch davon haben die Grünen sich bereits wegbewegt, wegverhandeln lassen.

Zweitens kommt Gas nicht aus der Steckdose. Die Gasheizung braucht eine Leitungsinfrastruktur, zumindest bei den heute üblichen Verbrauchsvolumina. Diese Infrastruktur existiert und hat bislang noch einen hohen Buchwert, und die Eigentümer, darunter fast alle Stadtwerke, haben ein großes Interesse, sie nicht abschreiben zu müssen.

Anders als in der Debatte um die E-Fuels für Pkw existiert hier ein wirtschaftlicher Akteur, der seine Vermögenswerte bedroht sieht und mit harten Bandagen zu kämpfen bereit ist: die Gaswirtschaft mit ihren flächendeckenden Strukturen.

Drittens: Ein Schlüsselbegriff im Gesetzentwurf ist die "Heizungsanlage zur Nutzung von Biomasse oder grünem oder blauem Wasserstoff einschließlich daraus hergestellter Derivate". Der Begriff wurde in den völlig neu gefassten Paragrafen 71 des GEG eingefügt.

Der Paragraf ist jetzt so aufgebaut, dass in Absatz 1 die Forderung gestellt wird: "Heizungsanlagen dürfen in einem Gebäude nur eingebaut oder aufgestellt werden, wenn sie mindestens 65 Prozent der mit der Anlage bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme ... erzeugen."

In Absatz 3 sind sechs Anlagentypen aufgelistet, für die die Forderung aus Absatz 1 ohne nähere Prüfung als erfüllt gilt. Darunter ist auch die zitierte Heizung mit Wasserstoff.

Überraschend ist schließlich viertens der Paragraf 71k. Hier geht es um "Übergangsfristen bei einer Heizungsanlage, die sowohl Gas als auch Wasserstoff verbrennen kann".

Der Paragraf besagt: In einer Heizungsanlage, "die sowohl Erdgas als auch 100 Prozent Wasserstoff verbrennen kann, darf der Eigentümer noch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2034 Erdgas ohne Einhaltung der Vorgaben des Paragrafen 71 zur Wärmeerzeugung ... nutzen".

Das steht in klarem Widerspruch zur Präsens-Formulierung im Koalitionsvertrag. Das Zugeständnis ist aber an Bedingungen geknüpft. Die wesentlichen:

  • Der Betreiber des Gasverteilnetzes, an das die Heizungsanlage angeschlossen ist, legt bis 2034 einen "Transformationsplan für die verbindliche, vollständige Umstellung" auf Wasserstoff vor.
  • Der Gebäudeeigentümer bezieht ab Anfang 2030 mindestens 50 Prozent Biogas oder grünen oder blauen Wasserstoff und ab Anfang 2035 mindestens 65 Prozent grünen oder blauen Wasserstoff.
  • Der Gasnetzbetreiber garantiert dem Eigentümer, dass die Wasserstoffinfrastruktur innerhalb von zehn Jahren, spätestens jedoch Anfang 2035 in Betrieb genommen wird.

Das bedeutet: Heizungen mit Wasserstoff sind bereits als Option in den Gesetzentwurf aufgenommen worden, parallel zur weit realistischeren Option der Heizung mit Biomethan. Anders gesagt: Nun liegt es an der Gaswirtschaft, ob sie aus dieser technologisch offenen Regelung in absehbarer Zeit ein Geschäftsmodell entwickeln will oder nicht.

Das bedeutet: Die Schlachten, die die FDP inszeniert, sind bereits ausgekämpft. Die Erdgaslobby hat sich durchgesetzt. Ob sie aber auch liefern kann, ist offen. Die offenen Wechsel, die sie dabei für die Zukunft aufzunehmen hätte, sind bedeutend.

Allerdings gilt: Solange sie solche Zukunftsversprechen macht, muss sie ihre Verteilnetze noch nicht abschreiben. Die Option, ihre Meinung zu ändern und in Konkurs zu gehen, bleibt ihr immer noch. Wer die Kosten trägt, wenn die Gaswirtschaft ihr Zukunftsversprechen bricht, entscheidet sich am Inhalt der "Garantieversprechen", die die Gasleitungsbetreiber abzugeben haben.

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