"Does organization matter?", fragte Fritz Scharpf, langjähriger Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, in einem Aufsatz aus dem Jahr 1977. Scharpf ging es dabei um die Rolle der Ministerialbürokratie und der Organisation des Regierungsapparats. Seine Antwort damals war deutlich und seitdem wenig umstritten: Organisation kann entscheidend sein.
Für den Zuschnitt von Ministerien interessieren sich allerdings nur Insider. Bei der Regierungsbildung wird hart gekämpft, wer was bekommt. Das wird dann kurzzeitig auch in den Medien behandelt.
Wie sich Verwaltungsstrukturen tatsächlich aufs Regierungshandeln auswirken, interessiert die Medien dann weniger. Bekanntlich funktioniert Personalisierung besser, weshalb oft vermittelt wird, der Minister oder die Ministerin mache den großen Unterschied.
Im Umweltbereich wird seit Gründung der ersten Umweltministerien vor 50 Jahren die Frage untersucht, wie geeignete Organisationsstrukturen aussehen könnten. Was wohl viele nicht mehr wissen: Die erste umfassende Umweltgesetzgebung wurde in Westdeutschland in den 1970er Jahren von einem FDP-geführten Innenministerium durchgesetzt, wo damals das Ressort angesiedelt war.
Mit Blick auf die Machtverhältnisse im Kabinett gar nicht so ungünstig: Als relativ starkes Ministerium hatte das Innenministerium genug Verhandlungsmasse. Erst 1986 wurde das erste Bundesumweltministerium gegründet, das anfangs trotz Ministern wie Klaus Töpfer eher zu den schwachen Ressorts zählte.
Bereits kurz nach der Gründung wurde in der Wissenschaft diskutiert, ob das Ministerium nicht wie das Finanzministerium eine Art "Veto-" oder "Vorbehaltsrecht" erhalten sollte. Die aktuelle Hysterie um den Vorschlag der Grünen im Wahlkampf war insofern ein bisschen geschichtsvergessen.
Die Frage nach dem optimalen Zuschnitt
Ein Blick auf den Zuschnitt der Umweltressorts in den EU-Ländern zeigt, dass es so etwas wie ein "klassisches" Umweltministerium nicht gibt. Zu finden sind relativ kleine Umweltministerien mit wenigen Kompetenzen in den klassischen Bereichen Boden, Wasser, Luft.
Dann gibt es Ministerien, die alle Umweltfragen im eigenen Haus bearbeiten, also auch Naturschutz, Reaktorsicherheit oder Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Heutzutage dominieren Kombinationen des Umweltbereichs mit Landwirtschaft, Energie, Infrastruktur oder Verkehr. So gibt es in Frankreich im Moment ein Verkehrs- und Umweltministerium. In mehreren EU-Ländern ist das Landwirtschaftsministerium auch für Naturschutz zuständig.
In Österreich ist zurzeit ein echtes Monsterministerium mit den Bereichen Umwelt, Klima, Energie, Verkehr und Technologie am Wirken. Nicht überraschend, dass sich auch hier die mitregierenden Grünen eine Art Super-Ministerium gebastelt haben, allerdings um den Bereich Umwelt herum.
Was am besten funktioniert, ist empirisch schwer zu sagen. Immerhin spielt eine große Rolle, welches politische Gewicht die jeweilige Ministeriumsspitze im Kabinett oder innerhalb einer Koalition hat. In Dänemark hat Svend Auken in den 1990er Jahren mit Kompetenzen für Umwelt und Energie die Erneuerbaren-Politik nachhaltig geprägt: starker Minister, starkes Ressort.
In den Niederlanden dagegen wurde das Modell eines traditionell starken Umweltministeriums, das auch viele Jahre die Raumplanung und das Bauwesen umfasste, im letzten Jahrzehnt komplett zerlegt. Seit Jahren gibt es keinen Umweltminister mehr im Kabinett. Und tatsächlich weist die sehr bescheidene niederländische Bilanz darauf hin, dass Umweltinteressen nicht gut repräsentiert sind.
Im Landwirtschaftsbereich führte eine lasche Stickstoffpolitik in Den Haag zu einer chaotischen Situation: Gerichte stoppten zeitweilig alle aktuellen Infrastrukturmaßnahmen. Die niederländische Regierung hatte jahrelang gesetzliche Grenzwerte bei Stickstoffeinträgen in Naturgebieten nicht eingehalten. Es gab im Kabinett zu viele Anwälte der Bauern, des Verkehrssektors und anderer Stickstoff-Verursacher, aber keinen Anwalt der Natur. Bescheidene politische Ambitionen wurden mit entsprechenden Verwaltungsstrukturen verknüpft, die für die Umweltpolitik nicht von Vorteil waren.
Klima-Superministerium auf Kosten der Umweltpolitik?
Jetzt hat das deutsche Bundesumweltministerium seine Abteilungen für Klimapolitik an das Wirtschaftsministerium und ans Auswärtige Amt abgegeben. Es erhält dafür aus dem Landwirtschaftsministerium einige Referate des Verbraucherschutzes.
Ob das – wie verschiedene Kommentatoren vermuten – eine Schwächung des Ressorts bedeutet, ist eine interessante Frage. Grundsätzlich war die Herausnahme etwas merkwürdig, da sie nicht dem Koalitionsmachtkampf geschuldet war, sondern rein grüner Organisations-Logik.
Und da scheint das Ergebnis kurzsichtig: Das Bundesumweltministerium wird im Kabinett durch den Verlust der Klimapolitik geschwächt. Und es stimmt: Das Ministerium steht schwächer da als in früheren Kabinetten. Das bedeutet vor allem weniger Verhandlungsmasse gegenüber den anderen Ressorts, wenn es darum geht, Ziele des Naturschutzes und der Biodiversität, der Luftreinhaltung oder des Bodenschutzes durchzusetzen.
Martin Unfried
arbeitet an der Universität Maastricht in den Niederlanden am Institut für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Mobilität ITEM. Der studierte Politikwissenschaftler wurde als Kolumnist für die Tageszeitung Taz und andere Medien bekannt.
Dahinter steckt der verständliche Impuls der Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock, die Klimapolitik als "Chefsache" zu verantworten. Leider fehlt dabei die Vorstellung, wie ein stabiles und starkes Umweltressort die Querschnittsaufgabe Umweltschutz auch im nächsten Jahrzehnt wesentlich vorantreiben könnte.
Das Problem: Diese Regierung mit grüner Beteiligung wird wieder verschwinden, das jetzt verkleinerte Umweltministerium aber wahrscheinlich nicht so schnell wieder erstarken.
Nun soll also in Deutschland das Wirtschaftsministerium für Klimapolitik zuständig sein. Stellt sich die Frage nach den Fachbeamten und ihrer Motivation und Expertise. Als Jürgen Trittin nach 2002 zum zweiten Mal Umweltminister wurde, kamen die erneuerbaren Energien zum ersten Mal ins Umweltressort, was dem Ausbau zugutekam. Im Umweltministerium saßen hoch motivierte Beamte, die im Sinne des Klimaschutzes das Erneuerbare-Energien-Gesetz weiterentwickelten.
Zum echten Einbruch der Energiewende-Politik kam es später, als das Ministerium den Bereich erneuerbare Energien ans Wirtschaftsministerium verlor und Sigmar Gabriel das Ressort übernahm.
Allerdings hatte Gabriel bereits zuvor als Umweltminister mit der EEG-Novelle 2009 eine neue Berechnung der EEG-Umlage eingeführt, die zu einem verzerrten Anstieg der Umlage führte und zur politischen Achillesferse des EEG.
Im Wirtschaftsministerium wurde es dann zum bürokratischen Monster ausgebaut. Vor allem durch die Beibehaltung der Industrie-Befreiungen wurde der Grundstein der sozialen Schieflage geschaffen.
Der Wirtschaftsminister wird nicht immer helfen
Und jetzt also alles ganz anders? Erst mal wird sich das "Super"-Wirtschafts-Klima-Ministerium mit sich selbst beschäftigen. Durch die neue politische Ausrichtung und die Integration von Referaten aus dem Umweltministerium wird das nicht ohne Reibungsverluste gehen.
Dabei drängt die Zeit, möchte die neue Koalition bekanntlich einiges sehr schnell erreichen – beispielsweise 80 Prozent erneuerbaren Strom bis 2030. Mit Fachbeamten, die bisher eher zum Bremsen aufgefordert wurden.
Und gleichzeitig soll das Umweltministerium für die Biodiversität sorgen, auf 30 Prozent der Landesfläche Naturschutz durchsetzen und entsprechende Gebiete besser finanzieren. Gerade dazu braucht es aber ein starkes Ressort mit breiter Querschnittswirkung auch für die Bereiche Natur, Luftreinhaltung, Wasser und Boden.
Da wird der Wirtschaftsminister nicht immer helfen können. Hier wäre ein eigenständiges Vorbehalts-Recht des Umweltministeriums mit Blick auf Umwelt- und Klimaverträglichkeit immer noch eine gute Idee.
Das war mit dieser Koalition nicht zu machen. Doch leider ist auch wegen der aktuellen grünen Organisationsreform ein wirklich starkes Umweltministerium weiter weg denn je.