24-stöckiges Hochhaus am Wasser, daneben weitere moderne Gebäude.
Holz-Hochhaus: Das Wiener "Hoho" besteht zu drei Vierteln aus dem Baustoff Holz. (Foto: Michael Baumgartner)

Das "Hoho Wien" hat 24 Stockwerke. Keine Sensation für ein Hochhaus. Doch die gibt es. Sie steckt allerdings unter der Fassade, die konventionell aussieht. Das 84 Meter hohe Gebäude im Wiener Stadtteil Seestadt Aspern besteht vom ersten Stock an aufwärts zu 75 Prozent aus Holzteilen.

Etwa 800 Säulen aus österreichischer Fichte tragen neben einer Stahlbetonkonstruktion die Geschosse. Aber auch die Wandelemente und die Decken sind aus dem nachwachsenden Rohstoff, der einen CO2-Speicher darstellt.

Der Anteil der klimaschädlichen Baumaterialien wie Stahl und Beton ist gegenüber herkömmlichen Gebäuden minimiert.

Das "Hoho" ist ein Musterfall für eine neue Initiative, die eine Materialrevolution im Bauwesen begründen will. Sie nennt sich "Bauhaus der Erde". Der Kernpunkt: Im Städtebau soll Stahl und Beton durch Holz ersetzt werden.

Wobei entscheidend ist, dass der Holzbau längst nicht mehr nur für Ein- und Zweifamilienhäuser, sondern eben auch für Mehrfamilien- und Hochhäuser taugt. 

Gegründet wurde das neue "Bauhaus" von dem renommierten Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, dem deutschen Umweltbundesamts-Präsidenten Dirk Messner, der Architekturprofessorin Annette Hillebrandt vom Bund Deutscher Architektinnen und Architekten sowie 20 weiteren Fachleuten.

Es soll – anlog zur Bauhaus-Bewegung des 20. Jahrhunderts – "Keimzelle einer globalen Bewegung" werden mit dem Ziel, "die gebaute Umwelt nachhaltig zu transformieren". Vorgestellt wurde das Projekt am Mittwoch in Berlin.

Bausektor erzeugt 40 Prozent aller Treibhausgase

Hintergrund der Initiative von Schellnhuber, dem früheren Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK): Der Öko-Fußabdruck des Bausektors ist wahrhaft gigantisch. Durch das Errichten, Betreiben und Abreißen von Gebäuden und Infrastrukturen erzeugt der Bausektor zirka 40 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen.

Die Herstellung der Hauptbaustoffe Stahl, Beton und Bausteine ist extrem CO2-intensiv. So ergab eine Studie des PIK im vorigen Jahr: Wird weiter wie bisher vor allem mit Beton und Stahl gebaut und nimmt die Wohnfläche pro Kopf weiter zu wie bisher, könnten alleine die Emissionen aus der Produktion der mineralischen Baustoffe bis zu einem Fünftel des CO2-Restbudgets aufbrauchen, das weltweit noch ausgestoßen werden darf, wenn das Zwei-Grad-Erwärmungslimit des Paris-Vertrags eingehalten werden soll.

"Das muss sich schleunigst ändern, soll das Pariser Klimaabkommen nicht scheitern", meint Schellnhuber. Er fordert von allen Verantwortlichen eine "Bauwende" – zusätzlich zur Energie- und Verkehrswende. Das Konzept bringe dabei sogar eine doppelte Dividende.

Die weltweite Substitution von Stahl, Beton und Klinker durch organische Baustoffe wie Holz oder Bambus würde nicht nur erhebliche Mengen an klimaschädlichen Emissionen vermeiden. Es würde auch ein mächtiger "CO2-Speicher" entstehen.

Im verbauten Holz oder Bambus ist der beim Wachstum der Bäume aus der Atmosphäre aufgenommene Kohlenstoff für viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte eingelagert. Zur Illustration: Das in einem Holz-Einfamilienhaus gespeicherte CO2 entspricht den Emissionen, die bei rund 1.000 Flügen von Frankfurt am Main nach New York und zurück entstehen.

Schutz der Wälder notwendig

Die Frage, ob es überhaupt genug Holz für eine solche Transformation gibt, beantwortet Schellnhuber mit Ja. In Europa produzierten die meisten Forste derzeit Überschüsse, vom Schadholz durch Trockenheit und Borkenkäfer-Befall ganz zu schweigen. Zudem lasse sich das Angebot durch eine weltweite Aufforstung mit verbesserten Verfahren noch deutlich steigern.

Laut der PIK-Studie können die derzeit genutzten Potenziale der weltweiten Holzernte bereits einen Großteil des Bedarfs für eine "Bauwende" decken, wenn die Wohnflächen-Ansprüche weltweit nicht weiter steigen. Allerdings müssten die Wälder bei stärkerer Holznutzung konsequent vor einer nicht nachhaltigen Abholzung geschützt werden.

UBA-Chef Messner unterstrich bei der Präsentation in Berlin, dass das Bauen mit Holz gerade auch hierzulande große Potenziale habe. "Der Gebäudebereich hinkt beim Klimaschutz in Deutschland noch hinterher", sagte er. Die Holzbauweise schneide bei Primärenergiebedarf und Treibhausgaspotenzial grundsätzlich besser ab als die Massivbauweise, bringe also viele Vorteile, gerade auch beim energetischen Sanieren von Altbauten.

Voraussetzung aber: Nachhaltigkeit. Messer forderte, es dürfe nur "international einheitlich zertifiziertes Holz" eingesetzt werden, das durch funktionierende Lieferketten-Trackingsysteme die Herkunft aus Waldschutzgebieten ausschließt.

In Deutschland noch eine Nische

Bisher ist das Bauen mit Holz noch eine Nische. Immerhin zeigt sich die Politik dafür aufgeschlossener denn je – auch in Deutschland, wo Häuser traditionell seit dem Ende des Mittelalters aus Stein zu sein haben.

So entsteht in Berlin ein 98 Meter hoher Wohnturm, in München gibt es bereits eine Mustersiedlung mit 570 Wohnungen, und das Land Baden-Württemberg hat eine "Holzbau-Offensive" gestartet – übrigens zum Missfallen der Mauerstein-Industrie, die eine Wettbewerbsverzerrung befürchtet. Erst allmählich nimmt das Thema Fahrt auf.

Doch Schellnhuber kann für sein Bauhaus-Projekt, das von der Laudes Foundation, der früheren C&A-Stiftung, eine Startförderung von 2,5 Millionen Euro erhalten hat, schon einen großen Erfolg verbuchen. Die Europäische Kommission hat sie bereits aufgegriffen – mit dem Aufruf zur Gründung eines "New European Bauhaus"

Dieses soll nach den Vorstellungen von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen "den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs über neue Bauweisen und Designformen anregen". Gesucht seien "praktische Antworten" auf die Frage, wie modernes Leben im Einklang mit der Natur aussehen könne. Mehr Holzbau dürfte ein Hauptthema dabei sein.

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