Das Wort Zoll oder vielmehr dessen gleichsam unmelodische englische Übersetzung tariff ist für Donald Trump eines der schönsten Wörter der Welt. Das hat der Präsident der Vereinigten Staaten kürzlich verkündet. Noch schöner seien lediglich die Wörter "Gott", "Religion" und "Liebe".

Trumps Liebe zu Zöllen, die der Milliardär schon im Wahlkampf immer wieder betont hat, scheinen längst nicht alle aus seinem Lager zu teilen. Der Hedgefonds-Manager und Trump-Unterstützer Bill Ackmann kritisierte die Zollpolitik öffentlich als "massiv und unverhältnismäßig". Im Trumpschen Duktus sprach er von einem "wirtschaftlichen Atomkrieg".

 

Selbst Trumps lautester Fürsprecher Elon Musk soll den Präsidenten aufgefordert haben, seine Zollpolitik zu überdenken, wie die Washington Post berichtete. Mit mäßigem Erfolg.

Der Basiszoll von zehn Prozent für alle Staaten bleibt bestehen, höhere Aufschläge hat Trump für zahlreiche Länder, auch die EU, für 90 Tage ausgesetzt.

Nochmal nachgelegt hat die US-Regierung hingegen bei China. Ein Großteil der importieren Waren aus der zweitgrößten Volkswirtschaft wird mit Zöllen in Höhe von 145 Prozent belegt. Wenig später nahm Trump einige Elektronikartikel wieder von den Zöllen aus.

China reagierte mit einer Zollabgabe von 125 Prozent auf US-amerikanische Einfuhren. Zölle von über 100 Prozent dürften bei den meisten Produkten ausreichen, um den US-China-Handel weitestgehend zum Erliegen zu bringen.

Was all das für die Energiewende in den USA, aber auch in der EU bedeutet, hängt im Detail von der Entwicklung der nächsten Wochen ab. Niemand weiß, auf welche Prozentsätze die Zölle morgen, übermorgen oder gar nächste Woche klettern oder fallen, und es kann noch einige Zeit vergehen, bis sich der Staub des Zollchaos gelegt hat.

Die USA sind im Greentech-Markt nur eine Fußnote

Ein bisschen sortieren lässt sich das Durcheinander aber schon. Klar ist etwa, noch vor einigen Jahren hätte eine vergleichbare Zollwut der USA den weltweiten Energiewendemarkt wesentlich empfindlicher getroffen.

Im Jahr 2009 wurde fast jede vierte Photovoltaikanlage in den USA verbaut. Vergangenes Jahr war es nur noch ungefähr jede zwölfte.

Nach China ist Deutschland das Land mit dem höchsten Exportüberschuss und damit empfindlich gegenüber hohen Zöllen. (Bild: Markus Distelrath/Pixabay)

Ein ähnlicher Trend zeigt sich bei der Herstellung. Laut einem Report des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE stammten bis tief in die 1990er Jahre um die 40 Prozent aller produzierten Solarpaneele aus Nordamerika, das damals mit Asien noch in etwa gleichauf lag.

Mittlerweile stellt China über 90 Prozent aller Solarzellen her, die USA weniger als ein Prozent.

China hat sich heute bei nahezu allen grünen Technologien zum Hauptproduzenten gemausert. Nur vier Prozent der chinesischen Solarpaneele, Windturbinen und Elektroautos gehen aber in die Vereinigten Staaten.

Deshalb können zumindest Teile von Chinas Greentech-Branche mit einem Achselzucken auf Trumps Zölle reagieren. In einem Kommentar schrieb Andreas Sieber von der US-Klimaschutzorganisation 350.org: "In einem Markt mit einer solchen Wachstumsdynamik wie dem Greentech-Markt sind Zölle auf einen Vier-Prozent-Anteil an diesem Markt nicht mehr als eine Fußnote."

Für die Energiewende in den USA dürften die Folgen der Zollpolitik hingegen desaströs sein. Zunächst bremst die Verteuerung chinesischer Technologien, von Solarpaneelen bis Lithiumbatterien, die Transformation entscheidender Branchen aus.

Seltene Erden kommen fast ausschließlich aus China

Der immer wieder bemühte Maga-Traum, alles durch heimische Produktion stemmen zu können, dürfte sich kaum in die Realität übersetzen lassen. "Allein für die Batterien, die Solarzellen und die Windturbinen, die wir in den Vereinigten Staaten bauen wollen, benötigen wir internationale Teile, Komponenten und Materialien", zitierte das US-Magazin Time den Politikwissenschaftler Bentley Allan von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore.

All das könne die heimische Industrie nicht auf einmal bewältigen, zumindest nicht in der notwendigen Geschwindigkeit, führte Allan weiter aus.

Tatsächlich hatte Trumps Vorgänger Joe Biden mit seinem Inflation Reduction Act versucht, die eigene Produktionskapazität in diesen für die Energiewende kritischen Bereichen auszubauen. In den letzten Jahren seien die Investitionen in diese Branchen auch deutlich angestiegen, sagt Lukas Hermwille, Energieforscher am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. "Ich befürchte, dass viele der angekündigten Investitionen jetzt abgesagt werden."

Notwendige Rohstoffe, insbesondere bestimmte seltene Erden, beziehen die USA bisher fast ausschließlich aus China. Dazu gibt es auch kaum Alternativen.

Einige der Metalle, wie Dysprosium und Terbium, werden zu über 90 Prozent in China produziert und ausschließlich dort raffiniert.

Bereits nach den ersten Zollerhöhungen im Februar kündigte China an, bei verschiedenen Metallen, die wichtig für grüne Technologien, aber auch für Computer- und Rüstungstechnologien sind, den Export in die USA zu beschränken. Anfang April hat China diese Beschränkungen verstärkt.

Auch für Europas Energiewende sind Produkte aus den USA kaum von Bedeutung. Umgekehrt spielen auch entsprechende EU-Produkte auf dem US-Markt nur eine untergeordnete Rolle.

Allerdings gibt Hermwille zu bedenken: "Unsere Energiesysteme sind zunehmend digital vernetzt – Stichwort Smart Grid. Ich vermute, dass viele dieser digitalen Dienste auch über US-amerikanische IT-Dienstleister und Clouds laufen."

Was mögliche EU-Gegenzölle auf derartige IT-Dienstleistungen für die europäische Energiewende bedeuten würden, ist allerdings schwer vorherzusagen.

Nationale Abschottung ist schlecht fürs Klima

Ein Handelsstreit zwischen den beiden größten Wirtschaftsnationen – die USA und China machen zusammen etwa 43 Prozent der Weltwirtschaft aus – hat natürlich vielfältige indirekte Auswirkungen nicht nur auf Europa.

So könnten Solarpaneele und ähnliche Produkte aus China noch mehr als ohnehin schon auf den EU-Markt schwappen. Eine gute Nachricht für die Preisentwicklung, eine schlechte für die verbleibende heimische Greentech-Industrie.

Der EU-Markt sei allerdings in dieser Hinsicht schon sehr übersättigt, so Lukas Hermwille. Wahrscheinlicher sei es deshalb, dass chinesische Hersteller neue Märkte in Entwicklungsländern zu erschließen versuchen.

Durch den Handelskrieg ist zudem der Öl- und Gaspreis seit April deutlich gefallen. Das könnte den Umstieg auf Elektromobilität und Wärmepumpen bremsen, erklärt Matthias Kalkuhl vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Deutschland und die EU sollten diese Preisreduktion deshalb durch "eine Erhöhung des CO2-Preises beziehungsweise der Mineralölsteuern ausgleichen", empfiehlt der Wirtschaftswissenschaftler.

Auch die geopolitischen Kosten eines hohen Ölverbrauchs für die EU würden weithin unterschätzt, betont Kalkuhl. "Mit jedem Euro, den die EU für Ölimporte – egal aus welchem Land – ausgibt, erhöht sie die globalen Ölpreise und füllt die Staatskassen autoritärer Regime wie Russland und Iran."

 

Während manche Beobachter:innen in einer eher zynischen als ernst gemeinten Analyse die prognostizierte Rezession als Klimaschutzmaßnahme uminterpretieren, ist ein nationalistischer Alleingang der USA unterm Strich sicherlich keine gute Nachricht für das Klima.

In einer Welt, in der sich Handelsprotektionismus ausbreitet, hat effektiver Klimaschutz das Nachsehen. Um die möglichen Klimaveränderungen in der Zukunft besser zu verstehen, haben Forscher:innen verschiedene sozioökonomische Zukunftsszenarien, sogenannte Shared Socioeconomic Pathways, entwickelt und ihre Auswirkungen auf das Klima untersucht.

Eines der Szenarien namens "Regionale Rivalität" beschreibt eine Welt, in der nationale Abschottungstendenzen zunehmen. Laut dem letzten Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC ist in einem solchen Szenario die Verdopplung der Treibhausgasemissionen bis Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich.

Während Trump sowohl der Energiewende im eigenen Land als auch multilateraler Zusammenarbeit eine Absage erteilt, ist die eigentliche Frage also: Wie reagiert der Rest der Welt?

Es scheint höchste Zeit, über neue und klimagerechte Allianzen nachzudenken.