"Ich mache mir vor allem Sorgen über die globalen Auswirkungen der Überkapazitäten, die wir in China beobachten", sagte US-Finanzministerin Janet Yellen vorletzte Woche bei der Eröffnung eines Werks für Solarmodule in den USA.
"In der Vergangenheit führte die Unterstützung der chinesischen Regierung in Branchen wie Stahl und Aluminium zu erheblichen Überinvestitionen. Jetzt werden Überkapazitäten in 'neuen' Industrien wie Solartechnik, Elektrofahrzeuge und Lithium-Ionen-Batterien aufgebaut", so Yellen.
Die Warnung ist gerechtfertigt, denn insbesondere bei Batterien und Solaranlagen bestehen jetzt schon Überkapazitäten. Bereits letztes Jahr waren die chinesischen Produktionskapazitäten für Batterien mehr als doppelt so groß wie die Nachfrage.
Und die Differenz wächst weiter. Nächstes Jahr wird die Kapazität dreimal so groß sein wie der Bedarf, wie Zahlen des britischen Branchendienstes CRU Group zeigen.
Bei der Photovoltaik sieht es ähnlich aus. China hätte letztes Jahr genug Kapazität für Module mit einer Nennleistung von insgesamt 861.000 Megawatt gehabt. Global wurden aber nur 390.000 Megawatt installiert.
Das war ein neuer Rekord und übertraf das Vorjahr um knapp 40 Prozent. Aber selbst das hat nicht gereicht, um die in China bestehenden Herstellungskapazitäten auch nur annähernd auszulasten.
Und diese werden weiter wachsen. Allein in diesem Jahr sollen 500.000 bis 600.000 Megawatt Produktionskapazität dazukommen.
Nach dem Bauboom investiert China nun in die Industrie
Das zeigt sich an den Preisen. Solarzellen sind in den letzten zwölf Monaten um zwei Drittel billiger geworden. Bei Batterien lief es ähnlich – ihr Preis hat sich letztes Jahr halbiert.
Geholfen hat dabei der Preis für Lithium. Er stieg ab Mitte 2021 massiv an, erreichte Ende 2022 einen historischen Höchstwert und ist seither um mehr als 80 Prozent gefallen.
Obwohl sich Lithium kaum weiter verbilligen dürfte, geht der Preisrutsch bei Batterien weiter. CATL, der chinesische Weltmarktführer bei Batterien, erwartet, dass sich die Preise dieses Jahr noch einmal halbieren.
Damit zeichnet sich ein Preiskrieg ab, denn auch der zweitgrößte Batterieproduzent, der chinesische Autohersteller BYD, kürzt drastisch bei den Kosten, um überleben zu können.
Die Überkapazitäten und Preiskriege haben Methode. Chinas Regierung drosselt den Konsum zugunsten von Investitionen. Diese machen 42 Prozent des dortigen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. In Deutschland ist es gerade mal halb so viel.
Diese Investitionen sorgten für einen Immobilienboom in China, doch der ist vorbei. Jetzt werden Investitionen in die Industrie geleitet, sodass dort nun Überkapazitäten aufgebaut werden.
"Im Gegensatz zu anderen Volkswirtschaften, die eine drastische Anpassung ihres Immobilienmarktes durchlaufen haben, geht die Investitionsrate in China nicht zurück", sagte Frederic Neumann von der britischen Bank HSBC. "Stattdessen verlagern sich die Investitionen in Richtung Infrastruktur und vor allem in die verarbeitende Industrie."
Zweiteilung des Weltmarkts möglich
Und auch innerhalb der Industrie gibt es bevorzugte Branchen. Welche das sind, steht in der Strategie "Made in China 2025". Diese wurde im Jahr 2015 verabschiedet und ist Teil des 13. und 14. Fünfjahresplans.
Die Strategie benennt zehn Branchen, die mit Priorität entwickelt werden sollen. Und dazu zählen eben erneuerbare Energien und Elektroautos, aber auch Robotik, Weltraumtechnik, Informationstechnologie und Medizin.
Dabei soll jeweils die gesamte Wertschöpfungskette dominiert werden – von den Rohstoffen über die Maschinen bis zum Endprodukt. So sichern sich chinesische Konzerne auch nach und nach alle wichtigen Patente.
Zumindest bei den "grünen Technologien" scheint die Strategie auch ziemlich erfolgreich zu sein. In China werden mittlerweile 80 Prozent aller Solarzellen gefertigt.
Für westliche Industriestaaten wie Deutschland ist das ein Problem, denn sie wollen ebenfalls Fertigungskapazitäten für Batterien und Solarmodule aufbauen.
Für andere Länder hingegen sind die chinesischen Überkapazitäten und die rapide fallenden Preise positiv, sagte Gary Hufbauer vom Peterson Institute, einem US-Thinktank: "Wenn China eine massive Export-'Lösung' anstrebt, wird dies den Fertigungsunternehmen in Japan, der EU, Südkorea und anderen Industrieländern schaden. Aber niedrige Preise werden in vielen Entwicklungsländern in Lateinamerika, Afrika und Asien willkommen sein."
Im Gegensatz zu den Industriestaaten ist es für diese Länder illusorisch, viele Milliarden in Gigafabriken zu investieren.
Und so könnten Chinas Überkapazitäten schließlich zu einer Zweiteilung des Weltmarkts für Produkte wie Batterien und Solarpaneele führen: Die Industriestaaten schotten ihre Märkte ab, etwa mit Anti-Dumping-Zöllen, und bauen eigene Industrien auf.
Und alle anderen Länder kaufen dankbar die superbilligen chinesischen Produkte. Wenn dadurch die globale Energiewende beschleunigt wird, gäbe es außerdem einen klaren Gewinner von Chinas Wirtschaftspolitik: das Klima.