Totgesagte leben länger. Das gilt offenbar auch für politische Parteien.
Die Linke hat sich von 2,7 Prozent bei den Europawahlen im letzten Sommer zu einem mittlerweile, glaubt man neuesten Umfragen, sicheren Einzug in den Bundestag hochgekämpft. Das Meinungsforschungsinstitut Yougov sieht die Partei gar bei neun Prozent. Damit schneidet sie derzeit doppelt so gut ab wie das BSW oder die FDP.
Für diesen Erfolg machte der Politikwissenschaftler und Wahlforscher Thorsten Faas im Zeit-Podcast "Das Politikteil" nicht zuletzt die kämpferische Kampagne der Linken zu Verteilungsfragen verantwortlich.
Ein T-Shirt mit der Aufschrift "Tax the Rich" – Besteuert die Reichen – ist seit Wochen das Lieblingskleidungsstück des Co-Spitzenkandidaten Jan van Aken. Für die "soziale und ökologische Transformation" sollen, so steht es im Wahlprogramm, die "Reichsten der Gesellschaft" zur Kasse gebeten werden.
Dabei setzt die Partei auf eine Vermögenssteuer und eine einmalige Vermögensabgabe.
In dieselbe Kerbe schlägt nun eine von der Klima-Allianz Deutschland in Auftrag gegebene Kurzstudie von DIW Econ, der Tochterfirma des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Klima-Allianz ist ein sehr breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, darunter Umweltverbände wie BUND und WWF, aber auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband oder die Gewerkschaft Verdi.
Damit Deutschland auf Kurs Klimaneutralität kommt, werden in den kommenden Jahren hohe Investitionen nötig. Je nach Berechnung rangieren die Zahlen für die Finanzlücke bis Ende des Jahrzehnts zwischen 300 und 400 Milliarden Euro.
"In fünf Minuten emittiert ein Milliardär so viel wie der Jahresschnitt"
Mit einer einmaligen Vermögensabgabe ließen sich diese Ausgaben decken, schreiben die Autor:innen und beziehen sich dabei auf Berechnungen des DIW-Volkswirts Stefan Bach. Nach dem Ansatz von Bach gäbe es einen Freibetrag von zwei Millionen Euro und eine anschließend progressiv steigende einmalige Vermögensabgabe von bis zu 30 Prozent ab einem Vermögen von 30 Millionen Euro.
Bei einem Privatvermögen von drei Millionen Euro würde nach dem Konzept eine Abgabe von drei Prozent fällig, also 90.000 Euro.

Das würde auf einen Schlag 366 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen. Wobei die Zahlung der Abgabe je nach Konzept auch auf mehrere Jahre gestreckt werden könnte. Tatsächlich wäre der Betrag wohl noch bedeutend höher, da die Berechnung fünf Jahre alt ist und viele der Reichsten seitdem reicher geworden sind.
Von der Abgabe betroffen wäre damit das reichste ein Prozent der Bevölkerung, wobei nach dieser Variante über 90 Prozent der dadurch erzielten Einnahmen von dem reichsten 0,1 Prozent stammen würden. Dementsprechend könnte der Freibetrag vermutlich gar noch höher angesetzt werden, ohne die Finanzsumme groß zu schmälern.
Die Linke schlägt etwa vor, nur die reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung mit bis zu 30 Prozent zu belasten, und kommt damit auf Einnahmen von 310 Milliarden Euro.
"Eine höhere Besteuerung für Superreiche ist eine gerechte Lösung und würde die dringend benötigten Klimaschutzinvestitionen bereitstellen, etwa um Menschen mit kleinen Einkommen bei der Umstellung auf klimafreundliche und günstige Heizungen zu unterstützen", sagte Stefanie Langkamp, politische Geschäftsführerin der Klima-Allianz.
Allein die 30 reichsten Deutschen waren laut Analyse zusammen für rund 23 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verantwortlich – das entspricht knapp dem doppelten jährlichen CO2-Ausstoß der Stadt Berlin. Angesichts des Verursacherprinzips könnte so, argumentiert DIW Econ, eine Vermögensabgabe gerechtfertigt werden.
Studienautor Maximilian Priem: "In nur fünf Minuten verursacht ein einzelner Milliardär so viele Emissionen wie eine Durchschnittsperson in Deutschland in einem ganzen Jahr durch Wohnen, Mobilität und Ernährung zusammen."
Wegzugsteuer verhindert Kapitalflucht
Rund 99 Prozent der Emissionen ergeben sich dabei aus den Unternehmensanteilen der Superreichen. Die Unternehmensemissionen werden in der Untersuchung entsprechend dem Eigentumsanteil den Milliardär:innen zugerechnet. Obendrauf kommen in der Berechnung noch die Mobilitätsemissionen aus Yachtfahrten und Flügen mit Privatjets.
Auch wenn das Gros der Emissionen aus den Unternehmen stammt, betragen die durchschnittlichen Mobilitätsemissionen für einen Top-30-Milliardär immer noch 378 Tonnen CO2 im Jahr. Zum Vergleich: Durchschnittsbürger:innen kommen auf zwei Tonnen.
Durch die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland – die reichsten 0,1 Prozent besitzen 20 Prozent des Gesamtvermögens – entspräche eine progressive Vermögensabgabe auch dem Prinzip einer fairen Lastenverteilung, schreiben die Studienautor:innen.
Das klassische liberale Gegenargument, es drohten katastrophale wirtschaftliche Folgen, sehen sie hingegen nicht für ausreichend belegt. Es gebe zwar eine Gefahr der Kapitalflucht in andere Länder, aber diese sei bei einer einmaligen Abgabe voraussichtlich geringer als bei einer jährlichen Vermögenssteuer.
Manche Untersuchungen legen sogar nahe, dass eine Vermögenssteuer oder -abgabe private Investitionen ankurbelt, da das Halten von Geld kostspielig wird. Das wiederum würde die Wirtschaft stärken.
Einer einmaligen Vermögensabgabe ist in der Tat nicht so einfach zu entkommen. Nach bundesdeutschem Recht wird bei einem Umzug ins Ausland ein fiktiver Verkauf der Anteile an Kapitalgesellschaften angenommen und besteuert. Eben, um eine Kapitalflucht zu verhindern.
Eine Beispielrechnung des Netzwerks Steuergerechtigkeit aus dem letzten Jahr verdeutlicht das: Würde die BMW-Erbin Susanne Klatten heute ins Ausland umsiedeln, würden 6,5 Milliarden Euro Steuern fällig, rund 30 Prozent ihres geschätzten Vermögens.