Die Welt hat momentan mit zwei Arten von Problemen zu kämpfen, aber unter gegensätzlichen Vorzeichen. Da sind die akuten, lodernden Konflikte, geprägt von Blockbildung und Abschottung. Und da sind die langfristigen, schwelenden Risiken – in die jedoch gerade ein erstaunliches Maß an Kollaboration und Bewegung zu kommen scheint.

Kürzlich erst hat die internationale Staatengemeinschaft in Montreal eine globale Vereinbarung zum Schutz von Natur und Artenvielfalt getroffen. In dieser Woche nun geht der Blick nach Paris, wo wiederum unter dem Dach der UNO ein weiteres Menschheitsdrama verhandelt wird: die zunehmende Verschmutzung und Zerstörung unserer Umwelt durch Plastikabfall.

 

Es sind erschreckende Bilder: verendete Tiere, vermüllte Ufer. Und besorgniserregende Zahlen: Jährlich landen 22 Millionen Tonnen Kunststoff unkontrolliert in den Ozeanen und der gesamten Natur. Ohne Gegenmaßnahmen droht uns bis 2060 eine Verdopplung der Menge, hat kürzlich die OECD gewarnt.

Dass hier mit höchster Dringlichkeit gegengesteuert werden muss, ist sonnenklar. Dabei sind Kunststoffe an sich nützlich und werden jetzt und mehr noch in Zukunft absolut gebraucht. Das eigentliche Problem ist der Umgang mit Plastik, wenn es an sein Lebensende kommt.

Daran ändert sich aber nichts, solange sich die Voraussetzungen nicht ändern. Denn etwa zwei Milliarden Menschen, also rund ein Viertel der Weltbevölkerung, haben überhaupt keinen Zugang zu regulärer Müllentsorgung. Es fehlt vielfach am Nötigsten: an einfachen, wirkungsvollen Sammel- und Rücknahmesystem, an modernen Sortieranlagen, die den unterschiedlichen Abfall trennen können.

Vor allem aber fehlt es an der richtigen Einstellung: Wir müssen Müll mit anderen Augen sehen, ihn als wertvolles Rohstoffreservoir verstehen, aus dem dann wieder neue und möglichst hochwertige Produkte entstehen. Das gilt für die Verbraucher, das gilt aber auch und besonders für die Industrie. Kurz: Die Kreislaufwirtschaft muss zum neuen Leitprinzip in Wirtschaft und Gesellschaft werden.

In Deutschland werden 40 Prozent des Plastikmülls recycelt

Erfreulich zu sehen, dass diese Idee nicht nur auf der internationalen politischen Bühne wie jetzt in Paris um sich greift. Auch im nationalen Rahmen wird gerade eine Kreislaufwirtschaftsstrategie für Deutschland erarbeitet; an zahlreichen runden Tischen bringen sich in Berlin Experten aus den verschiedensten Bereichen ein. Das ist genau der richtige Weg. Denn nur pragmatische Kooperation, klare Ziele und die Entschlossenheit zu handeln bringen uns weiter.

Foto: Covestro

Markus Steilemann

ist Vorstands­vorsitzender der Covestro AG und Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI). Covestro ging 2015 aus der Kunst­stoff­sparte von Bayer hervor, wo der promovierte Chemiker seit 1999 tätig war.

Die Kunststoffindustrie ist bereits dabei, ihre Hausaufgaben zu erledigen: Zum einen gilt es, immer mehr Produkte so zu gestalten, dass sie wiederverwendet, repariert und am Ende ihres Lebens wiederverwertet werden können. Und zum anderen müssen wir bei der Kunststoffproduktion zunehmend erneuerbare Rohstoffe verwenden – Biomasse oder Kohlendioxid – und eben Rezyklate.

Die müssen aber auch zur Verfügung stehen. In Deutschland werden zwar immerhin über 40 Prozent des Plastikabfalls recycelt, weltweit liegt die Quote jedoch erst bei neun Prozent. Das heißt: Das Recycling muss einen kräftigen Schubs bekommen.

Entscheidend ist, dass es uns endlich gelingt, auch solche Kunststoffe wiederzuverwerten, die aus verschiedenen Gründen bislang außen vor bleiben – etwa weil sie stark verschmutzt sind oder aus unterschiedlichen Lagen bestehen. Dazu braucht es ergänzende neue Technologien wie das chemische Recycling. Hierbei wird Kunststoff nicht geschreddert und eingeschmolzen, sondern auf molekularer Ebene zerlegt.

Solche Möglichkeiten dürfen jetzt nicht zerredet und infrage gestellt werden, sie gehören gefördert und umgesetzt. Einseitige Vorgaben, welche Technologien zu nutzen sind und welche nicht, helfen nicht weiter. Wir brauchen keinen Dirigismus, sondern echte Marktwirtschaft. Wir brauchen das volle Potenzial der Innovation, die ganze Breite der Klaviatur, um Deutschland ressourceneffizienter und zirkulär zu machen.

Dieses Potenzial lässt sich an einem Alltagsgegenstand verdeutlichen: Matratzen. 40 Millionen Stück werden jedes Jahr in Europa ausrangiert. Üblicherweise landen sie in Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen. Doch es geht auch anders: Eine neue Technologie erlaubt es, das Innenleben, also den bequemen Schaumstoff unter dem Überzug, chemisch aufzuspalten und daraus neuen Matratzenschaum zu produzieren. Das war so bislang nicht möglich.

In der Politik brauchen wir natürlich nicht die Spaltung, sondern die Synthese. Ich hoffe sehr, dass die Pariser Verhandlungsrunde weiterführt und wir der Plastikflut Herr werden – auch durch mehr Recycling.

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