Ohne Kunststoffe ist das moderne Leben nicht denkbar, doch die Verschmutzung des Planeten mit Plastikmüll hat dramatische Ausmaße angenommen – von den gigantischen Plastikstrudeln auf den Weltmeeren über vermüllte Straßen in vielen Metropolen im globalen Süden bis zu Mikroplastik, das im arktischen Schnee gefunden wird.

Doch eine weitgehende Lösung des Problems ist möglich. Denn laut einem neuen Bericht des UN-Umweltprogramms Unep in Nairobi könnte die Plastikverschmutzung bis 2040 mit existierenden Technologien um 80 Prozent reduziert werden.

 

Voraussetzung wären allerdings tiefgreifende politische und marktwirtschaftliche Veränderungen, die vom Ex-und-hopp-Prinzip weg- und zu einer Kreislaufwirtschaft hinführen.

Die Vereinten Nationen wollen das Problem angehen, und dafür liefert der neue Report eine wichtige Grundlage. Im vergangenen Jahr wurde ein zwischenstaatliches Gremium eingesetzt, das bis 2024 den Entwurf für ein internationales Plastik-Abkommen ausarbeiten soll. In einer Woche beginnt die zweite Verhandlungsrunde dieses Gremiums in Paris.

Der Unep-Bericht trägt den Titel: "Den Hahn abdrehen: Wie die Welt die Plastikverschmutzung beenden und eine Kreislaufwirtschaft schaffen kann". Um die 80-Prozent-Reduktion bis 2040 zu erreichen, schlägt das Unep vor, zunächst problematische und unnötige Kunststoffe aus dem Verkehr zu ziehen.

Danach brauche es drei Marktveränderungen: Wiederverwendung, Recycling sowie Neuausrichtung und Diversifizierung von Produkten.

Optionen wie Mehrwegflaschen, Großpackungen, Pfandsysteme und Rücknahmesysteme für Verpackungen können die Kunststoffverschmutzung laut dem Report bis 2040 um 30 Prozent reduzieren. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, müssten die Regierungen dafür sorgen, dass sich Mehrweg in der Wirtschaft stärker durchsetzt.

Müllverbrennung soll sicherer werden

Ein verbessertes Recyceln von Plastikabfällen bringt danach weitere 20 Prozent, vorausgesetzt, eine solche Verwertung wird in den kommenden Jahren profitabler. Mittel dazu seien unter anderem die Durchsetzung von Designrichtlinien zur Verbesserung der Recyclingfähigkeit sowie die Abschaffung von Subventionen für fossile Rohstoffe.

Der teilweise Ersatz von Plastik durch alternative Materialien wie Papier oder kompostierbare Materialien wiederum ermöglicht gemäß dem Report weitere 17 Prozent.

Trotz dieser Verbesserungen, die die Plastikverschmutzung um rund zwei Drittel senken würden, müssten laut der UN-Organisation bis 2040 jährlich rund 100 Millionen Tonnen Kunststoff aus Einweg- und kurzlebigen Produkten sicher "entsorgt" werden, unter anderem durch Verbrennung. Hierzu sollen die Regierungen Sicherheitsstandards für die Entsorgung nicht recycelbarer Kunststoffabfälle festlegen.

In Müllverbrennungsanlagen wie hier bei Oslo wird heute im globalen Norden ein großer Teil der Plastikabfälle verfeuert. Das gilt in Europa teilweise als erneuerbare Energiequelle. (Bild: Erlend Bjørtvedt/​Wikimedia Commons)

Das Unep macht für diese Umstellungen eine positive Gesamtrechnung auf. Der Übergang zu einer "Kreislaufwirtschaft" werde in den ökonomischen Bilanzen weltweit bis 2040 zu Einsparungen in Höhe von 1,27 Billionen US-Dollar führen.

Hinzu kämen weitere Entlastungen im Wert von 3,25 Billionen, weil Kosten eingespart würden, unter anderem in den Bereichen Gesundheit, Klima, Luftverschmutzung und Schädigung von Meeresökosystemen. Zudem können laut dem Report zahlreiche neue Arbeitsplätze vor allem im Recyclingsektor entstehen, weltweit bis zu 700.000.

Unep-Chefin Inger Andersen sagte bei der Vorstellung des Reports: "Die Art und Weise, wie wir Kunststoffe produzieren, verwenden und entsorgen, verschmutzt Ökosysteme, gefährdet die menschliche Gesundheit und destabilisiert das Klima."

Der neue Bericht liefere einen Fahrplan, dies zu ändern, warb Andersen. "Wenn wir dieser Roadmap folgen, auch bei den Verhandlungen über das Abkommen zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung, können wir große wirtschaftliche, soziale und ökologische Erfolge erzielen", so die dänische Entwicklungsökonomin. 

Food-Konzerne fördern "Recycling" in Zementöfen

Kritik an dem Unep-Report kam von Umweltorganisationen, die gegen die Müllverbrennung kämpfen. Man sei besorgt darüber, dass darin die Verbrennung von Kunststoffabfällen in Zementöfen als eine Schlüsselstrategie propagiert werde, hieß es bei der "Global Alliance for Incinerator Alternatives" (Gaia) mit Sitz im kalifornischen Berkeley.

Die "globale Allianz für Alternativen zur Müllverbrennung" kritisierte, die Plastikverbrennung in Zementöfen werde von der Kunststoff- und Entsorgungsindustrie zunehmend als Greenwashing-Taktik unter dem Deckmantel des "Recyclings" eingesetzt.

Das Netzwerk verwies unter anderem auf einen Bericht der Agentur Reuters, wonach mehrere große Verbrauchermarken wie Coca-Cola, Nestlé und Unilever Projekte zur Verbrennung ihrer Kunststoffabfälle in Zementöfen finanzieren, vor allem in Ländern des globalen Südens, wo es nur geringe Kontrollen gibt.

Neil Tangri von Gaia sagte: "Die Verbrennung von Plastikabfällen in Zementöfen ist ein Freifahrtschein für die Kunststoffindustrie, um die Plastikproduktion weiter zu steigern, indem sie behauptet, das Problem könne einfach wegverfeuert werden."

Dies stelle durch die Emissionen nicht nur eine ernste Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und das Klima dar, es untergrabe auch das Hauptziel des globalen Plastikvertrags, nämlich die Begrenzung der Plastikproduktion.

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