Matthias Willenbacher
Matthias Willenbacher. (Foto: Wiwin)

Immer wieder sonntags – diesmal aus aktuellem Anlass am Montag: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.

Klimareporter°: Herr Willenbacher, alle reden über den Green Deal der EU – weniger bekannt ist, dass die EU kürzlich Kriterien für grüne Geldanlagen beschloss. Wie bewerten Sie die?

Matthias Willenbacher: In der vorläufigen Einigung über Kriterien für grünes Geld spiegelt sich ein grundlegend unterschiedliches Verständnis von Klimaschutz in Europa wider.

Länder wie Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und allen voran Frankreich wollen die Atomkraft als klimafreundliche Energiegewinnung klassifiziert sehen – und damit auch Finanzprodukte im Kernenergie-Bereich.

Atomkraft ist zum einen eine Gefahr für Mensch und Natur. Zum anderen ist sie schlichtweg nicht wirtschaftlich und kann schon aufgrund der langen Vorlaufzeiten keinen Beitrag zur Klimawende leisten. In der Summe wurden in den letzten 30 Jahren mehr AKW abgeschaltet, als hinzugekommen sind. Die Vorlaufzeit für den Neubau beträgt circa 15 bis 20 Jahre. Hier ist also keine schnelle "Hilfe" möglich.

Finanzprodukte im nuklearen Bereich dürfen auf keinen Fall als grün, nachhaltig oder ähnliches eingestuft werden. Dieser Punkt ist in den EU-Verhandlungen zurückgestellt worden.

Dass überhaupt über Kriterien für grünes Geld gesprochen wird, ist auf jeden Fall sinnvoll.

Wir sollten solche Dinge, Produkte oder Wirtschaftsweisen als nachhaltig definieren, die Mensch und Umwelt nicht schaden, sondern im Gegenteil unsere Erde für nachfolgende Generationen erhalten und das soziale Miteinander fördern.

Je näher Unternehmen mit ihrer Produktion und Unternehmensführung an dieser Definition liegen, desto eher sollten wir in sie investieren. Bei Wiwin beispielsweise prüfen wir die Nachhaltigkeit ebenso wie die Wirtschaftlichkeit bis ins Detail.

Sind solche Kriterien nicht dringend geboten, wo die EU mit ihrem Green Deal bis zu einer Billion Euro in eine klimaneutrale Wirtschaft investieren will? Haben wir da einen Boom grüner Geldanlagen zu erwarten?

Ja, einheitliche Kriterien sind zum Schutz der Investoren, aber auch zur fairen Kategorisierung der Anbieter notwendig. Neben dem beachtlichen Green Deal kommt hier der Aspekt zum Tragen, dass durch die hohe Aufmerksamkeit für Klimaschutz in der Breite ganz neue Investoren-Gruppen aufkommen.

"Otto Normalverbraucher" wird in den heutigen Greta-Zeiten dank steigendem Klimabewusstsein und unkomplizierten Anlagemöglichkeiten wie etwa Crowdinvesting auch zum grünen Investor. Immer mehr Menschen realisieren, welche Steuerungswirkung nicht nur ihr Konsum, sondern eben auch ihre Geldanlage hat. Das ist super und führt dazu, dass der Markt für grüne Geldanlagen wächst.

Der Boom grüner Geldanlagen wird vor allem deshalb kommen, weil nachhaltige Produkte auch wirtschaftlich sinnvoller sind. Das erkennen immer mehr private, aber auch institutionelle Anleger. So wird immer mehr Kapital von der schlechten auf die gute Seite gebracht.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Die Windkraft hat die Braunkohle überholt, wurde diese Woche gemeldet. Großartig: 2019 ist die Windkraft erstmals der wichtigste Energieträger in Deutschland.

Die Frage ist, wie das trotz des stockenden Ausbaus sein kann. Vor allem dank starker Winde, sagt der Bundesverband Windenergie. So kann es natürlich gerne weitergehen mit der Energiewende, ankurbeln müssen wir sie aber selbst – mit moderneren Anlagen.

Wenn wir die rund 30.000 Windenergieanlagen, die es in Deutschland aktuell gibt, durch modernere ersetzen – also repowern – und besser verteilen, können wir rund 25 bis 30 Prozent mehr Strom erzeugen, als wir heute benötigen. 30.000 moderne Anlagen mit einer Nabenhöhe von 160 bis 170 Metern und einem ebenso großen Rotordurchmesser würden jeweils im Schnitt 20 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen.

Kombinieren sollten wir das mit modernen Photovoltaik-Anlagen. Um 25 bis 30 Prozent mehr Strom als heute zu produzieren und so auch den Verkehrs- und Wärmesektor erneuerbar versorgen zu können, bedarf es einer Fläche von 3.500 Quadratkilometern.

Hört sich viel an, ist es aber tatsächlich gar nicht. Das ist lediglich ein Prozent der Fläche Deutschlands. Zum Vergleich: 14 Prozent sind Siedlungs- und Verkehrsflächen, davon ist die Hälfte versiegelt. Das heißt, nur auf einem Bruchteil der versiegelten Fläche müssten Photovoltaikanlagen gebaut werden.

So ließe sich das Potenzial von Wind- und Solarenergie voll ausschöpfen und unter anderem mithilfe von E-Autos und Blockheizkraftwerken auch der Verkehrs- und Wärmebereich einbeziehen. So ist eine CO2-freie Zukunft und die Klimawende möglich.

Fragen: Jörg Staude