Das Startkapital für die weltweite Klimawende soll aus dem Nichts geschöpft werden. (Foto: Frankie Leon/​Flickr)

Früher war eine Million noch viel Geld. Dann wurde begonnen, mit Milliarden zu rechnen. Für das Klima ist aber auch das Kleingeld: Wenn es nicht gelingt, Billionen zu mobilisieren, dann lässt sich die Klimaerwärmung nicht stoppen und die Staaten können sich auch nicht an die Erwärmung anpassen.

Geld war daher bei den UN-Klimaverhandlungen stets ein zentrales Thema – nur in der falschen Dimension. Noch immer wird über die 100 Milliarden Dollar gestritten, die die Industriestaaten im Jahr 2009 den Entwicklungsländern versprochen, aber nie geliefert haben.

Bei der diesjährigen Konferenz in Sharm el-Sheikh hatte aber zumindest ein Land einen Plan, wie man von Milliarden zu Billionen kommt: Barbados, ein karibischer Inselstaat mit knapp 300.000 Einwohnern. Dessen Premierministerin Mia Mottley sagte zu Beginn der Konferenz: "Wir glauben, einen Plan zu haben, der fünf Billionen Dollar freimacht."

Dieser Plan, die Bridgetown-Initiative, besteht aus drei Elementen: Geld für den Ausbau der erneuerbaren Energien, Geld für die Anpassung an die Erwärmung und Geld für Verluste und Schäden infolge der Klimakrise.

Der Plan hat eine realistische Chance umgesetzt zu werden, da er zwei entscheidende Eigenschaften hat: Zum einen beruht er nicht darauf, dass die Steuerzahler in den Industriestaaten immer mehr Geld in die Entwicklungsländer überweisen, und zum anderen verspricht er tatsächlich die erforderlichen Billionen zu liefern.

Das mag nach magischem Denken klingen. Die Bridgetown-Agenda wurde jedoch von einem angesehenen Ökonomen mit einer langen Karriere im globalen Finanzsystem entwickelt, dem aus Barbados stammenden Avinash Persaud.

Die drei Elemente im Einzelnen.

Geld für Erneuerbare

Investitionen in die Senkung der Emissionen sind potenziell gewinnbringend. Man produziert mit Wind und Sonne Strom und verkauft diesen dann. Ob man damit einen Gewinn macht, hängt primär von den Kapitalkosten ab.

"Bei einem Zinssatz von vier Prozent ist die Finanzierung kein Problem. Da ist das regulatorische Umfeld wichtiger", sagt Persaud. "Aber bei 15 Prozent Zinsen spielt das regulatorische Umfeld keine Rolle. Dann ist die Finanzierung das größte Problem."

Um in den Entwicklungsländern die Erneuerbaren schnell ausbauen zu können, muss daher der Zinssatz von 15 auf vier Prozent gedrückt werden. Dazu soll der Internationale Währungsfonds Sonderziehungsrechte (SDR) im Wert von 650 Milliarden US-Dollar schöpfen.

SDRs sind eine Art Währung, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) aus dem Nichts geschaffen wird, wie zuletzt im Jahr 2021, als der IWF SDRs im Wert von 650 Milliarden Dollar an seine Mitgliedsländer zur Bekämpfung der Coronapandemie verteilt hat.

Die Klima-SDRs sollen aber nicht einfach verteilt werden, sondern einen Fonds kapitalisieren. Dieser hätte dadurch die bestmögliche Bonität, eine AAA-Bewertung durch die Ratingagenturen. Damit könnte der Fonds günstig Geld leihen und dann auch wieder günstig an die Entwickler von Solar- und Windparks verleihen.

Anschließend kann der Fonds die Schuldscheine als Sicherheit hinterlegen und sich noch mehr Geld leihen, um es zu verleihen. Auf diese Weise würde ein Teil die Ersparnisse der Welt für den Kampf gegen die Klimakrise mobilisiert.

Persaud hofft, so 2,5 bis fünf Billionen der 463 Billionen Dollar an Ersparnissen in den Ausbau der Erneuerbaren umlenken zu können. Und das ließe sich auch schnell umsetzen: Schon beim Frühjahrstreffen des IWF im kommenden April können die Mitgliedsländer dem IWF den Auftrag geben, die Ausgabe von Klima-SDRs vorzubereiten.

Sonderziehungsrechte – SDRs

"Sonderziehungsrechte sind keine Währung" steht auf der Website des Internationalen Währungsfonds (IWF). Und doch verhalten sie sich genau so, denn SDRs können gegen die Währungsreserven der IWF-Mitglieder getauscht werden und damit gegen echte Währungen.

Wenn ein Land seine SDRs bei einer anderen Zentralbank gegen Euro oder Dollar eintauscht, muss es allerdings einen Zins bezahlen. Dieser beträgt aktuell 2,8 Prozent. SDRs ermöglichen es daher den Ländern, einen sehr günstigen Kredit aufzunehmen.

Aktuell gibt es 660 Milliarden SDRs auf der Welt. Diese werden anhand eines Währungskorbs bewertet, der aus dem Dollar, dem Euro, dem Yuan, dem Yen und dem britischen Pfund besteht. Die ausstehenden SDRs haben somit einen Wert von 943 Milliarden Dollar.

SDRs werden durch Beschluss der IWF-Mitgliedsländer geschaffen und dann an diese gemäß deren "IWF-Quote" verteilt. Große und reiche Länder bekommen daher viele SDRs und kleine und arme Länder wenige.

Falls mit neu geschaffenen SDRs der vorgeschlagene Klimafonds kapitalisiert würde, müsste dieser die SDRs anschließend an Zentralbanken verkaufen, um an "echtes" Geld zu kommen. De facto bekäme der Fonds so einen Kredit für 2,8 Prozent Zinsen.

Dieses Zentralbankgeld könnte er dann mit einem geringen Zinsaufschlag an Klimaprojekte verleihen. Wenn er sich dann weiteres Geld von Banken oder Anlegern leiht, indem er Schuldscheine als Sicherheit hinterlegt, würde er zusätzlich privates Kapital, also die Ersparnisse der Welt, für den Klimaschutz mobilisieren.

Geld für Klimaanpassung

Beim zweiten Element geht es um die Anpassung an die Klimaerwärmung, etwa durch den Bau von Deichen wegen des steigenden Meeresspiegels. Diese Investitionen sind meist nicht gewinnbringend und daher ist es schwierig, privates Kapital zu mobilisieren.

Zum Glück gibt es aber einen sehr großen Topf an öffentlichem Geld, der nicht vollständig genutzt wird: das Kapital der Weltbank und der anderen Entwicklungsbanken. Eine Studie der G20-Staaten zeigt, dass diese deutlich mehr Kredite vergeben könnten, wenn sie ihr Kapital besser nutzen würden.

Persauds Plan sieht nun vor, dass die G20-Empfehlungen umgesetzt und die so mobilisierten Mittel in Form zinsgünstiger Kredite an Entwicklungsländer zur Anpassung an den Klimawandel vergeben werden. Damit lasse sich eine weitere Billion Dollar investieren.

Geld für Klimaschäden

Trotz Anpassung an die Erwärmung wird es aber weiterhin klimabedingte Verluste und Schäden geben – das dritte Element des Plans. Um diese abzufedern, sieht Persaud zwei Instrumente vor.

Zum einen sollen die Kreditverträge von Staatsanleihen in Zukunft eine "Klimaklausel" bekommen. Wenn etwa ein Wirbelsturm einen Inselstaat verwüstet, dann wird die Fälligkeit der Staatsschulden automatisch um zwei Jahre in die Zukunft verschoben. Dadurch müssen Schulden nicht unter den ungünstigsten Bedingungen refinanziert werden.

Zum anderen soll ein Fonds geschaffen werden, in den die Produzenten von fossilen Energien einzahlen, also die Verursacher der Klimakrise und damit auch der Verluste und Schäden. Mit diesem Geld können dann Länder entschädigt werden, die von einem besonders verheerenden Ereignis getroffen wurden.

Ein derartiger Fonds existiert bereits: Die Weltschifffahrtsorganisation IMO hat einen ähnlichen Fonds für Unglücke von Öltankern.

Viel Zuspruch

Was nach Finanzmagie klingt, wäre also durchaus machbar, wenn sich genügend Unterstützer finden. Und danach sieht es tatsächlich aus.

Die G20-Staaten wollen die Weltbank reformieren. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa zeigt sich offen für Persauds Ideen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will mit Mia Mottley im Juni 2023 eine internationale Konferenz zu den SDRs einberufen.

Denkbar ist zudem Unterstützung aus den USA, dem größten Aktionär der Weltbank und des IWF. Da die US-Regierung keine Klimahilfen durch ihr Parlament bringen kann, muss sie andere Wege finden. Auch EU-Kommissar Frans Timmermans sei ein "großer Unterstützer", sagt Persaud.

Damit scheint die Klimafinanzierung langsam in die richtige Dimension vorzurücken: in die Billionen.

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