Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schlägt Alarm: Mit jedem Grad, um das die Erderwärmung zunimmt, steigen die Risiken für Volkswirtschaften, Ökosysteme, Unternehmen und Menschen.
Weil diese Risiken ungleich über Länder verteilt seien, seien die Ärmsten und Schwächsten unverhältnismäßig stark getroffen. Das sei "ein zwingender Grund, jetzt zu handeln", mahnt die OECD, die am heutigen Montag im schottischen Glasgow einen Bericht über die Schäden und Verluste infolge der Klimakrise vorgestellt hat.
"Ein großer Teil der heutigen und künftigen Weltbevölkerung wird mit häufigeren und intensiveren Klimaereignissen konfrontiert sein", sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann bei der Vorstellung des Berichts, der mit Unterstützung des deutschen Entwicklungsministeriums entstand.
Gerade die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselstaaten sind von den Auswirkungen des Klimawandels unverhältnismäßig stark betroffen. "Unsere Länder stehen in der Klimakrise an vorderster Front", sagt Abul Kalam Azad vom Climate Vulnerable Forum der besonders verwundbaren Staaten.
Bangladesch habe selbst kaum zur Klimakrise beigetragen, sei aber schon häufig von Zyklonen und Überschwemmungen betroffen gewesen. Schon heute gebe es im ganzen Land über 10.000 wirbelsturmsichere Hochbunker, sogenannte Cyclone Shelter.
Drei Klimagefahren unterscheidet die OECD in dem Bericht: immer häufiger und intensiver werdende Wetterextreme, allmähliche Veränderungen wie den Anstieg des Meeresspiegels und schließlich die dramatischen Auswirkungen, wenn Schwellenwerte im Klimasystem überschritten werden.
Der wichtigste Weg, um die kommenden Klimarisiken zu begrenzen, sei schnelles Handeln, um die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf netto null zu bringen, so die Organisation.
Trotzdem wird es "unvermeidbare Grenzen der Anpassung an den Klimawandel" geben, wie der Weltklimarat IPCC bereits im Jahr 2014 festgehalten hat.
Ein Beispiel: Wenn der Meeresspiegel steigt, kann man eine Zeit lang die Deiche erhöhen. Irgendwann stoßen aber besonders niedrig liegende Inselstaaten an eine Grenze. Eine weitere Erhöhung der Deiche ist entweder technisch nicht mehr möglich oder schlicht unbezahlbar. In diesem Fall muss die Insel aufgegeben werden und es entsteht ein permanenter Schaden.
"Die Industriestaaten haben Angst vor Haftungsansprüchen"
Im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen wird ein solches Szenario unter der Rubrik "Verluste und Schäden" diskutiert. Nennenswerte Fortschritte wurden dabei bisher nicht erzielt: Während die Reduktion der Emissionen und die Anpassung an die Erderwärmung im Rampenlicht stehen, fristen die Verluste und Schäden seit jeher ein Nischendasein.
Der Grund dafür sei die Angst der Industriestaaten, sagt Saleemul Huq vom Umweltforschungsinstitut ICCCAD in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch: "Die Industriestaaten haben sich geweigert, das Thema 'Verluste und Schäden' anzuerkennen – aus Angst vor Haftungs- und Entschädigungsansprüchen."
Aus diesem Grund wurden zwar Gremien eingerichtet, die den betroffenen Ländern technische Unterstützung gewähren, aber eine gesonderte Finanzierung für Verluste und Schäden gibt es im multilateralen Rahmen nicht.
Bislang existiert nur auf bilateraler Ebene eine Initiative, diese Länder auch finanziell zu unterstützen: "Insuresilience" versucht Versicherungslösungen zu entwickeln, bei denen Industriestaaten einen Teil der Versicherungsprämie zugunsten der betroffenen Entwicklungsländer übernehmen. Damit lässt sich der Anstieg des Meeresspiegels nicht stoppen, aber Inselstaaten können sich zumindest gegen besonders schwere Sturmschäden versichern.
COP 26 in Glasgow
Nach 25 UN-Konferenzen gibt es noch immer keine Lösung für die Klimakrise, aber wenigstens das Pariser Klimaabkommen. Wie gut es funktioniert, wird sich beim 26. Gipfel in Glasgow zeigen. Ein Team von Klimareporter° ist vor Ort in Schottland und berichtet mehrmals täglich.
"Wir müssen über Versicherungen hinausgehen", meint dagegen Saleemul Huq. "Wir brauchen eine echte Finanzierung für die Schäden und Verluste."
Auch die OECD plädiert in ihrem Bericht für eine Stärkung der weltweiten Finanzierung von Klima- und Katastrophenrisiken. Die Unterstützung solle so gestaltet werden, dass der Druck auf die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselstaaten nicht noch größer wird.
Eine erste Zusage machte Schottland. Regierungschefin Nicola Sturgeon hat einen Fonds in Höhe von einer Million Pfund (1,2 Millionen Euro) zugesagt, um die Entwicklungsländer bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden durch den Klimawandel zu unterstützen.
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