Aufforstungs-Großprojekt von Plant-for-the-Planet auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko. (Bild: Plant-for-the-Planet/Flickr)

Klimareporter°: Herr Finkbeiner, Sie haben bereits 2007 als neunjähriger Schüler die Initiative "Plant-for-the-Planet" gegründet, die Klima- und Umweltschutz durch Baumpflanzungen propagiert. Was haben Sie seither erreicht?

Felix Finkbeiner: Als Kind dachte ich, Bäume pflanzen sei einfach. Heute weiß ich, dass es sehr schwierig ist, komplexe Waldökosysteme wiederherzustellen. Das ist aber notwendig, denn nur naturnahe Wälder mit hoher Biodiversität sind den Klimafolgen gewachsen.

Insgesamt haben wir in Kooperationen mit anderen Organisationen fast 100 Millionen Bäume gepflanzt. Plant-for-the-Planet hat in einem eigenen Projekt in Mexiko seit 2013 gemeinsam mit Partnerprojekten 24 Millionen Bäume gepflanzt, und 70 Millionen Bäume wurden seit 2019 über unsere Plattform an über 270 Wiederherstellungsprojekte weltweit gespendet.

Der andere wichtige Teil unserer Arbeit ist die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen zu Botschafter:innen für Klimagerechtigkeit. Das sind mittlerweile fast 100.000 in 75 Ländern, die sich auf solche Weise gegen die Klimakrise stark machen.

Trotz großer Aufforstungs-Initiativen, nicht nur von Organisationen wie Plant-for-the-Planet, sondern auch von Staaten wie China oder Kenia, ist die Bewaldung der Erde weiter rückläufig. Was sind die Folgen?

Eine Verstärkung der Biodiversitäts- und Klimakrise. Wir verlieren mit Wäldern unsere natürlichen Klimaanlagen. Ein positiver Trend ist aber, dass die Waldzerstörung insgesamt weltweit abnimmt.

In den 1980ern verloren wir 30 Milliarden Bäume im Jahr. Heute zerstören wir "nur" noch zehn Milliarden Bäume jährlich. Das ist mehr, als wir Bäume in Deutschland haben, und natürlich immer noch zu viel.

Auf dem UN-Klimagipfel 2021 in Glasgow wurde eine Initiative beschlossen, die globale Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Wie realistisch ist das?

Mit dem politischen Willen ist das möglich. Beispiel Brasilien: Präsident Lula hat Anfang 2023 das Amt wieder übernommen und bereits im selben Jahr wurde 48 Prozent weniger Regenwald abgeholzt als im Vorjahr. Ein enormer Erfolg.

Aber jedes weitere Prozent ist schwieriger. Die Bundesregierung muss unbedingt den von Deutschland mitgegründeten Amazonas-Fonds finanziell massiv aufstocken. Davon profitiert die ganze Welt.

Wichtig wäre so ein Fonds auch für das Kongobecken. Dem zweitgrößten Regenwald der Erde wird bislang zu wenig Beachtung geschenkt. Ich bin mir sicher, dass in zehn Jahren keiner mehr vom Amazonas sprechen wird, sondern alle vom Kongobecken, wo die Abholzung noch kontinuierlich zunimmt.

Wachsende Bäume entziehen der Atmosphäre bei der Photosynthese Kohlendioxid und gelten daher als wichtiges Mittel zum Klimaschutz. Umstritten ist jedoch, wie viel das wirklich bringen kann. Was ist der neueste Forschungsstand dazu?

Porträtaufnahme von Felix Finkbeiner.
Bild: Plant-for-the-Planet

Felix Finkbeiner

gründete schon mit neun Jahren zusammen mit Mit­schüler:innen, Lehrerin und Eltern nach einem Referat über die Arbeit der kenianischen Friedens­nobel­preis­trägerin Wangari Maathai die Kinder- und Jugend­initiative Plant-for-the-Planet, die an seinem Wohnort Starnberg mit dem Pflanzen von Bäumen begann. Bis heute haben die Organisation und ihre Partner­initiativen rund 100 Millionen Bäume in 61 Ländern gepflanzt. Finkbeiner studierte inter­nationale Beziehungen und Ökologie, seit 2018 promoviert er an der ETH Zürich.

Am wichtigsten ist: Wir brauchen den schnellen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Aber ohne die Renaturierung und den Schutz von Wäldern sind die Pariser Klimaziele auch nicht mehr erreichbar, wie der letztjährige Synthesebericht des Weltklimarats IPCC bestätigt hat.

Eine im November veröffentlichte Studie der ETH Zürich in der Fachzeitschrift Nature hat das Potenzial von Wäldern als Kohlenstoffspeicher untersucht. Durch Renaturierung und verbesserten Waldschutz können wir danach bis zu 829 Milliarden weitere Tonnen CO2 speichern – circa das 20-Fache der weltweit menschengemachten CO2-Emissionen von 2022.

Ein riesiges Potenzial, das wir für das 1,5-Grad-Ziel nutzen müssen. Natürlich dauert es je nach Ökosystem viele Jahrzehnte, bis die gesamte CO2-Menge aufgenommen wird, und es wird sehr schwer werden, alle diese Ökosysteme wiederherzustellen und zu schützen.

Eine frühere Studie derselben Forschungsgruppe hat 2019 starke Kontroversen ausgelöst. Andere in der Wissenschaft hielten die CO2-Speicher-Werte für zu hoch angesetzt. Gibt es hier inzwischen einen Konsens?

Eine Frage, die so komplex ist, wird nie in einer einzelnen Studie beantwortet werden. Und Kritik ist ein essenzieller Teil des wissenschaftlichen Diskurses. Völligen Konsens gibt es in der Wissenschaft selten, aber wir können dank der neuen Studie mittlerweile deutlich sicherer sein, dass die Zahlen stimmen.

Die Methodik der Untersuchung wurde mit verschiedenen boden- und satellitengestützten Ansätzen stark verbessert und hat im Kern die Ergebnisse der 2019er Studie bestätigt.

Auf der Erde gab es nach Schätzungen ursprünglich rund sechs Billionen Bäume, die Hälfte davon ist verschwunden. Laut der ETH-Studie müssten für den Klimaeffekt eine Billion Bäume wieder aufgeforstet werden. Wäre das überhaupt zu schaffen? Und wenn ja, wie schnell?

Ja, das hat die Studie der ETH Zürich belegt. Und das ginge, auch ohne derzeit landwirtschaftlich genutzte Flächen zu beeinträchtigen. Einen großen Teil dieses Ziels würde die Natur von selbst erledigen, wenn wir Wälder in Ruhe wachsen lassen.

Den anderen Teil schaffen wir als Plant-for-the-Planet dann natürlich nicht alleine, sondern mit Hilfe von anderen Renaturierungs- und Waldschutz-Organisationen. Über 270 Projekte nutzen unsere Plattform.

Und wenn wir in Zukunft stärker auf pflanzenbasierte Ernährung setzen, können wir weitere riesige Regenwaldflächen zurückgewinnen.

Besteht nicht die Gefahr, dass Länder das Bäumepflanzen als Ersatz für die Energie- und Verkehrswende betrachten und dadurch der globale CO2-Ausstoß nicht sinkt?

Dieses Problem gibt es, ganz klar. Saudi-Arabien beispielsweise will zehn Milliarden Bäume pflanzen – und hat gleichzeitig bei der UN-Klimakonferenz in Dubai einen globalen Beschluss zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern verhindert. Ein klarer Fall von Greenwashing.

Die Konsequenz darf aber nicht sein, dass wir deshalb aufhören zu renaturieren. Denn das ist ein wirksamer Beitrag, wenn er wissenschaftlich fundiert stattfindet und dabei das ganze Ökosystem Wald mitgedacht wird.

Wir müssen nur immer wieder betonen, dass das Pflanzen von Bäumen allein nicht ausreicht und der Fokus auf der Reduzierung von Treibhausgasemissionen liegen muss.

Wie lässt sich überhaupt sicherstellen, dass die nachgewachsenen Bäume nicht zerstört werden, etwa durch Waldbrände, und die CO2-Speicher dann in Rauch aufgehen?

Das ist leider ein Henne-Ei-Problem: Die Klimakrise ist eine der größten Gefahren für die Wälder. Und nur, indem wir die Klimakrise stoppen, können wir die Wälder retten, die wir brauchen, um die Klimakrise zu stoppen.

Waldbrände haben in vielen Weltregionen in den letzten Jahren stark zugenommen, in diesem Jahr gab es wahre Brand-Infernos etwa in Kanada, am Mittelmeer und auf Hawaii. Wie genau könnte diese Entwicklung gebremst werden?

Langfristig geht das nur, indem wir die Ursache anpacken und Emissionen reduzieren. Wir müssen aber auch die Prävention verbessern.

Statt Monokulturen müssen Mischwälder entstehen. Frühwarnsysteme müssen ausgebaut werden, und gerade in den Tropen müssen wir mehr auf Brandschneisen setzen. Obwohl dabei Bäume geopfert werden, ist diese Methode sehr effektiv und kosteneffizient. Das Ganze muss mit Schulungen für Einsatzkräfte und Bewohner:innen in den Gebieten einhergehen.

Sie haben eine App entwickelt, die helfen soll, Waldbrände in entlegenen Weltregionen schneller zu bekämpfen. Wie funktioniert das? Und wie gut?

Die Fire Alert App ist seit einem halben Jahr im Einsatz und bietet, basierend auf Satellitendaten von Nasa und ESA, kostenlose Brandwarnungen in Echtzeit aufs Smartphone. Bisher überwacht sie 1.069 Gebiete, zusammen eine Fläche größer als Brasilien.

Vor allem in Gebieten ohne vorhandenes Frühwarnsystem ist die App ein echter Mehrwert. Für uns selbst ist sie besonders in Mexiko und Ghana sehr wertvoll.

Ein anderes Thema, das Wald und Klimaschutz betrifft: Ist es zielführend, möglichst viel Holz zu ernten und es als Baumaterial in Häusern einzulagern? Man könne sich so aus der Klimakrise herausbauen, sagt zum Beispiel der renommierte Forscher Hans Joachim Schellnhuber.

Ja, wenn es gut gemacht wird. Das heißt, ohne Raubbau, also nachhaltig, und mit Rücksicht auf den Naturschutz.

Die Herstellung von Beton und Stahl ist für 13 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Im Holz hingegen bleibt der während des Baumwachstums aufgenommene Kohlenstoff gespeichert. Wir sollten im Bau also so viel wie möglich durch Holz ersetzen.

Die von Plant-for-the-Planet in Mexiko renaturierten Wälder werden aber nicht für den Holzbau verwendet. Wir arbeiten dort in einem Biodiversitäts-Hotspot, da ist der maximale Schutz der Biodiversität essenziell.

Was bedeuten die neuesten Erkenntnisse zum Waldschutz und zur Wiederaufforstung für Ihre Arbeit?

Man kann es an der Arbeit von Plant-for-the-Planet auf der Yucatán-Halbinsel in Mexiko sehen. Dort verfolgen wir drei Schlüsselansätze: die Wiederherstellung zerstörter Wälder, die Renaturierung degradierter Wälder und den Schutz vorhandener, intakter Wälder.

Wir wollen zukünftig vor allem den Waldschutz weiter ausbauen. Bisher schützen wir den Wald auf 520.000 Hektar in den Biosphärenreservaten Balam-Kin und Balam-Kú.

 

Herr Finkbeiner, haben Sie Hoffnung, dass die globale Waldwende wirklich kommt?

Natürlich geht vieles zu langsam voran, aber die Fortschritte, die beispielsweise Brasilien macht, zeigen, dass ein Abholzungsstopp bis 2030 möglich ist. Ich hoffe, dass wir das als Ansporn nehmen, dieses Ziel auch ernsthaft anzupacken.

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