Wer als Verbraucher Grünstrom bezieht, weiß: Der Strom muss nicht von einer Solaranlage oder einem Windrad stammen. Der Stromlieferant kann auch "Graustrom" von der Börse erwerben und dazu noch einen Herkunftsnachweis von jemandem, der "echten" Ökostrom erzeugt.
Wird der auf diese Weise grün gelabelte Strom geliefert, muss der Herkunftsnachweis, der europaweit gültig ist, entwertet werden. Und weil alle Nachweise registriert sind und nur einmal vergeben und entwertet werden können, ist zumindest in Europa gesichert, dass insgesamt nicht mehr Ökostrom verkauft als erzeugt wird.
Für die Energiewende braucht es aber nicht nur grünen Strom, sondern auch die immer beliebter werdenden grünen Gase – Energieträger wie synthetisches Methan, Ammoniak oder Wasserstoff. Mit deren Hilfe soll künftig geheizt oder gekühlt werden – und da kann es mitunter bunt durcheinander gehen.
Wohnquartiere oder Gewerbebetriebe können beispielsweise mit Wärmepumpen geheizt werden, für richtig kalte Tage steht aber ein schnöder Gaskessel bereit: Der wird, je nachdem, mit fossilem Erdgas oder mit Biogas oder mit synthetischen Gasen betrieben – und die können auch noch schön gemixt aus der Gasleitung kommen.
Wie groß dabei der erneuerbare Anteil an der gelieferten Energie ist, sollen die Verbraucher künftig auch erfahren. Zu diesem Zweck und in Erfüllung einer EU-Richtlinie verschickte das Bundeswirtschaftsministerium Anfang der Woche an die zu beteiligenden Interessenvertreter einen Gesetzentwurf "zu Herkunftsnachweisen für Gas, Wasserstoff, Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen", der Klimareporter° vorliegt.
Für die Bewertung der Gesetzesvorlage seien den Verbänden erneut weniger als 48 Stunden verblieben, beschwerte sich der Erneuerbaren-Verband BEE sogleich in seiner Stellungnahme, die seit Mittwoch vorliegt. Warum die Frist so knapp bemessen ist, sei "leider nicht nachvollziehbar", meint der BEE.
Fossiler Wasserstoff + CCS = grün?
Mehr Zeit hätte möglicherweise gutgetan. Denn die geplanten rechtlichen Regelungen sind nicht nur komplex, sondern offensichtlich in sich widersprüchlich. So soll das Wirtschaftsministerium laut Gesetzestext ermächtigt werden, "zu regeln, dass und unter welchen Voraussetzungen Herkunftsnachweise für gasförmige Energieträger auch für dekarbonisierten Wasserstoff auf der Basis von Erdgas ausgestellt werden".
Wasserstoff lässt sich bekanntlich auch auf fossiler Basis herstellen, nicht nur "grün" aus Ökostrom in Elektrolyseuren. In Deutschland hergestellter grüner Wasserstoff hat derzeit einen nur Anteil von vielleicht fünf Prozent. Insgesamt werden hierzulande jährlich rund 4,7 Millionen Kubikmeter Wasserstoff erzeugt.
Diese bereits vorhandene Menge ließe sich dekarbonisieren, indem das bei der Herstellung anfallende CO2 aufgefangen und im Prozess weiterverwendet oder per CCS unterirdisch verpresst wird, beispielsweise unter der Nordsee.
Dass auf solche Weise "entkarbonisierter" Wasserstoff dann genauso Herkunftsnachweise generieren kann wie "echte" erneuerbare Gase, etwa grüner Wasserstoff oder Biomethan, das finden sicher die jetzigen Wasserstofferzeuger in den Raffinerien und in der Chemiebranche ziemlich gut. Eine Reihe von Experten findet das geradezu unmöglich.
"Das öffnet dem Etikettenschwindel Tür und Tor"
So etwa der Ökostromer Green Planet Energy in seiner Stellungnahme. Die Absicht des Gesetzgebers, dekarbonisierte Gase als erneuerbar zu deklarieren, führe den Sinn und Zweck der Herkunftsnachweise – nämlich Transparenz zu schaffen – ad absurdum, schreibt der Energiewendepionier.
Green Planet Energy verweist zudem auf eine Stelle im Gesetzestext, die eigentlich ausschließt, dass dekarbonisierte Gase grüne Herkunftsnachweise generieren können. Dort heißt es, dass Herkunftsnachweise nur für solche gasförmigen Energieträger ausgestellt werden sollen, die "aus oder auf Basis erneuerbarer Energien erzeugt wurden".
Dekarbonisierte Gase basierten jedoch grundsätzlich auf fossilen Rohstoffen, stellt Carolin Dähling von Green Planet Energy fest. Solche Gase als erneuerbar auszuweisen, widerspreche dem Anliegen des Gesetzes und müsse unbedingt unterlassen werden.
Auch für BEE-Präsidentin Simone Peter hat der Gesetzentwurf Schwachstellen und würde in seiner jetzigen Ausgestaltung "dem Etikettenschwindel Tür und Tor öffnen".
Dähling plädiert hier ihrerseits dafür, das Herkunftsnachweis-System und eine künftige Gaskennzeichnung zu nutzen, um erneuerbare und dekarbonisierte Gase eindeutig zu trennen. Dabei müsse klar werden, dass dekarbonisierte Gase zwar niedrigere CO2-Emissionen als fossile Gase ohne Dekarbonisierung haben, aber eben doch auf fossilen Energien beruhten.
Herkunftsnachweise zeigen konkrete Herkunft nicht
Gerade beim Wasserstoff geht es im Gesetzentwurf noch ziemlich durcheinander. So soll Wasserstoff nur mit Herkunftsnachweisen, die selbst auf Wasserstoffbasis generiert wurden, eine grüne Eigenschaft verliehen bekommen können. Eine Beimischung von solchem grün gefärbten Wasserstoff ins normale Gasnetz soll aber nicht gestattet werden.
Hier weisen Fachleute darauf hin, dass solche Restriktionen eigentlich dem Sinn von Herkunftsnachweisen widersprechen. In Deutschland kann man mit einem Herkunftsnachweis von einem Wasserkraftwerk in Norwegen Erdgasstrom in Bayern grün labeln – warum soll das nun bei synthetischen Gasen anders sein?
Generell zeichnen sich die Probleme, die es schon im Stromsektor mit den Herkunftsnachweisen gibt, künftig auch für den Gassektor ab. Die Nachweise können zwar sichern, dass nicht mehr erneuerbare oder dekarbonisierte gasförmige Ökoenergie verkauft als erzeugt wird.
Doch sie sagen so gut wie nichts über die ökologische Qualität der Energie: Aus welcher konkreten Quelle stammt die Energie? Investiert der Erzeuger die Gewinne wieder in die Energiewende oder beglückt er lieber seine Aktionäre?
So viel Transparenz soll dann offenbar doch nicht vorgeschrieben werden.