Andreas Knie. (Foto: InnoZ)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, das Kabinett hat am Mittwoch das Klimapaket beschlossen. Umweltverbände kritisieren ungeeignete Maßnahmen und einen aufgeweichten Kontrollmechanismus. Kann das Paket noch verbessert werden?

Andreas Knie: Die verabschiedeten Maßnahmen zeigen: Die Bundesregierung hat Angst vorm Volk. Die Maßnahmen sind so angelegt, dass keinem etwas genommen und einigen sogar noch gegeben wird, wie beispielsweise den Fernpendlern. In der Bundesregierung herrscht die Meinung vor, wenn man den Menschen das Auto nimmt, dann wählen alle AfD.

Die Erkenntnis der Sozialforscher ist aber eine andere: Die überwiegende Mehrzahl der Menschen weiß, dass ein wirksamer Klimaschutz notwendig ist und dass er mehr kostet und dass er auch unbequem ist. Wenn man aber früh genug Bescheid weiß, Alternativen parat hat, dann stellen sich die Menschen darauf ein.

Im Klimapaket wurde die Reform der Kfz-Steuer im Vergleich zu einem früheren Entwurf verwässert. Die Steuer soll zwar für Autos mit Emissionen über 95 Gramm CO2 pro Kilometer erhöht werden – die konkrete Höhe wurde aber gestrichen. Um wie viel müsste die Abgabe erhöht werden, um etwas zu bewirken?

Die Kfz-Steuer ist kein wirksames Lenkungsinstrument. Vor allen Dingen dann nicht, wenn man wie erwähnt die Pendlerpauschale noch erhöht. Was wir brauchen, ist ein Auto-Deckel: Es dürfen nur noch Fahrzeuge angemeldet werden, wenn vorher welche abgemeldet wurden.

Das ist aber nur der erste Schritt: Ab 2025 können keine Fahrzeuge mehr zugelassen werden, die von einem Verbrennungsmotor angetrieben werden.

Als dritter Schritt wird das Parken auf öffentlichen Stellplätzen für alle, also auch für Anwohner, auf mindestens 15 Euro pro Tag festgelegt. Natürlich können Ausnahmen genehmigt werden wie beispielsweise beim Vorliegen einer körperlichen Behinderung.

Der Hype um selbstfahrende Autos ist schon wieder vorbei, sagt Tilman Santarius im Interview mit Klimareporter°. Kaum jemand, der sich ernsthaft mit der Technik und den rechtlichen Fragen beschäftige, glaube noch daran. Stimmen Sie zu?

Man liest so vieles in der Zeitung, wenn der Tag lang ist. Wer im Stoff ist, der weiß, dass es tatsächlich in den nächsten Jahren keine fliegenden Autos oder autonomen Flotten in der Großstadt geben wird, dass es aber eine Reihe von Siedlungsformen und Raumtypen gibt, in denen automatisierte Fahrzeuge bereits jetzt fahren.

Die Kunst des Gelingens muss darin bestehen, diese technischen Optionen politisch so zu regulieren, dass die Zahl der Fahrzeuge sowie die damit gefahrenen Kilometer im Vergleich zu privaten Fahrzeugen gesenkt werden können.

Leider fällt das nicht perfekt vom Himmel, sondern wir brauchen dazu Versuch und Irrtum, etwas, was wir in Deutschland nicht wollen. Wir berechnen lieber und simulieren dann und übersehen, dass wir gar nicht die passende empirische Grundlage haben. Kalifornien ist uns da weit voraus.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Extinction Rebellion! Ich persönlich habe noch nie eine Protestwoche erlebt, in der so viel Ernsthaftigkeit und Professionalität gepaart mit innovativen Bewegungsformen und souveräner Lockerheit in einer unglaublichen Vielfalt von unterschiedlichen Menschen zusammengekommen ist und die so wirksam war. Im besten Sinne die Kombination aus Witz und Verstand.

Entstanden ist eine Form des Protests, der tatsächlich radikaler ist, aber dabei Umgangsformen entwickelt hat, die Menschen begeistern können. Für deutsche Protestforscher geht das alles zu schnell und für die besorgte Öffentlichkeit ist da schon wieder Gefahr im Verzug. Denn die gestellte Aufgabe ist eine große: die Transformation der Straße vom Transit- zum öffentlichen Raum.

Fragen: Friederike Meier

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