Auf dem Weg zur Regierungskoalition haben SPD, CDU und Grüne in Brandenburg eine Hürde genommen. In der Energiepolitik einigten sich die Parteien auf eine gemeinsame Linie. "Wir sind weit an unsere Grenzen gegangen, haben am Ende aber gute Ergebnisse erzielt", sagte Grünen-Landeschef Clemens Rostock am Mittwochabend in einem Twitter-Video.
Demnach soll es in Brandenburg keine neuen Braunkohle-Tagebaue geben. Auch bestehende Tagebaue sollen nicht erweitert und keine weiteren Dörfer mehr abgebaggert werden.
Sollten die künftigen Koalitionsparteien die Ankündigung wörtlich meinen, wäre auch die geplante Erweiterung des Tagebaus Welzow-Süd hinfällig. Der Ausbau wurde vor fünf Jahren genehmigt. Damit würde das Dorf Proschim abgebaggert werden.
Ob die jetzige Einigung, bestehende Tagebaue nicht mehr zu erweitern, auch für Welzow-Süd II gelte, wollen die beteiligten Parteien mit Hinweis auf die noch laufenden Koalitionsverhandlungen nicht kommentieren. Vor den gestrigen Verhandlungen hatten sich SPD und CDU gegen einen entsprechenden Passus ausgesprochen.
Jedoch machten die Grünen vorab klar, dass die "Kenia-Koalition" nicht zustande kommen werde, wenn der Plan für Welzow-Süd nicht geändert wird. Gewissheit wird erst der Blick in den Koalitionsvertrag bringen, der in der kommenden Woche vorgelegt werden soll.
SPD scheut offenbar unbequeme Wahrheit
Wie zu hören ist, soll die Änderung des Welzow-Süd II betreffenden Braunkohleplans von den Behörden längst vorbereitet werden. Wie beim Tagebau Jänschwalde-Nord, dessen Aus schließlich vom Betreiberunternehmen Leag verkündet wurde, scheue sich vor allem die langjährig regierende SPD davor, solche Entscheidungen selbst bekannt zu geben.
Vor gut drei Wochen hatten SPD, CDU und die Grünen Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Am heutigen Donnerstag wollen sich die Partner über strittige Punkte beim Klimaschutz und für die stärkere Förderung von Bio-Betrieben in der Landwirtschaft einigen.
Bei der Windenergie einigten sich die künftigen Koalitionäre auf einen Ausbau bis 10.500 Megawatt im Jahr 2030. Ein Fortschritt ist das aber nicht: Das Ziel wurde schon 2012 von der rot-roten Landesregierung unter Matthias Platzeck (SPD) mit der "Energiestrategie 2030" beschlossen.
Eigentlich soll Brandenburgs Energiestrategie alle fünf Jahre überarbeitet werden. Doch die fällige Novellierung vertagten die Landesregierungen mehrfach. Erst sollte der Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall abgewartet werden, dann die Bundestagswahl 2017, dann das Ergebnis der Kohle-Kommission. Lediglich einen aktualisierten Maßnahmenkatalog zur Energiestrategie hat das Wirtschaftsministerium inzwischen vorgelegt.
"Weiter so" bei der Windkraft
Beim Ausbau der Windkraft steht Brandenburg vergleichsweise gut da, nur Niedersachsen hat noch mehr Windräder. 6.800 Megawatt sind landesweit installiert. Demnach müssten, wenn die Einigung in den Koalitionsvertrag kommt, in den kommenden zwölf Jahren rechnerisch nur noch 3.700 Megawatt hinzukommen.
Entsprechend nüchtern fällt die Einschätzung des Landesverbandes Windenergie Berlin-Brandenburg zu den Plänen aus: "Die Zeichen stehen eher auf Weiter-so", sagt Verbandschef Jan Hinrich Glahr. Wenigstens werde es einen kontinuierlichen Ausbau geben.
Den aber auf niedrigem Niveau. Ob die unter Druck gebrachte Windbranche unter den derzeitigen Bedingungen die Ziele erreichen kann, ist fraglich. Ganze 88 neue Windräder wurden im vergangenen Jahr in Brandenburg in Betrieb genommen.
Der Ausbau der Windkraft kommt aber auch deshalb nicht voran, weil gegen mehrere Regionalpläne geklagt wurde und sich die Planungsverfahren wegen fehlender Mitarbeiter in den Behörden in die Länge ziehen. Um diese Hemmnisse zu beseitigen, will die künftige Landesregierung eine Arbeitsgemeinschaft Windenergie gründen, wie Grünen-Chef Rostock mitteilte.
Zudem werden etliche Anlagen in den kommenden Jahren aus der EEG-Förderung fallen, bei den derzeitigen Strompreisen an der Börse könnten sich die Betreiber auch für einen Rückbau der Anlagen entscheiden. Das 10.500-Megawatt-Ziel zu erreichen wird unter diesen Umständen ein Kraftakt.
In der Verkehrspolitik einigten sich die drei Parteien auf eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs. Die Mittel dafür sollen erhöht werden, sodass mehr Züge in häufigeren Taktungen fahren. Auch das Radwegenetz soll ausgebaut werden.
Der Beitrag wurde am 18. Oktober um 13 Uhr aktualisiert.