Ludwig Hartmann wird vor einer Fernsehkamera interviewt
Ludwig Hartmann, zusammen mit Katharina Schulze Spitzenkandidat der Grünen in Bayern. (Foto: Andreas Gregor/​Wikimedia Commons)

Für Franz-Josef Strauß waren sie die "trojanische Sowjet-Kavallerie", doch nun sind sie in Bayern mit 17,5 Prozent die zweitstärkste politische Kraft hinter der CSU geworden – die Grünen. In den Großstädten des Freistaats hat die Ökopartei sogar zum Teil über 30 Prozent der Stimmen geholt und die Söder-Seehofer-Truppe abgehängt.

Manche sehen die Grünen bereits auf dem Weg zur neuen Volkspartei, die die SPD ablösen könnte. In Bayern haben sie die Sozis deklassiert, die gerade noch auf 9,7 Prozent kamen, und im Bund liegen die Umfragewerte der beiden Parteien inzwischen praktisch gleichauf irgendwo in der Mitte zwischen zehn und 20 Prozent. In einer ARD-Umfrage von letzter Woche hatten die Grünen die SPD schon überholt – mit 17 gegenüber 15 Prozent.

Die Ökopartei sonnt sich in ihrem Erfolg. Obwohl selbst inzwischen schon eine "Altpartei", kommt sie dank jungem, unverbrauchtem Spitzenpersonal gut an, sowohl in Bayern als auch im Bund. Auch in Hessen, wo die Grünen seit fünf Jahren in einer Koalition mit der CDU regieren, dürften sie bei der dortigen Landtagswahl in knapp zwei Wochen ihr Ergebnis deutlich erhöhen.

Es sind zwar noch keine Höhenflüge wie bei den Kretschmann-Grünen in Baden-Württemberg, die bereits den 30-Prozent-Korridor geschafft haben. Doch die Zeiten sind vorbei, als die Grünen den Einzug in den Bundestag verpassten, weil sie im Jahr der deutschen Einheit Wahlkampf mit dem Klima gemacht hatten ("Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter.")

Da spielt natürlich politisch viel mehr mit, als dass nach dem Hitze- und Trockenheitssommer 2018 immer mehr Menschen aufgeht, dass mit der Nicht-Klimapolitik der amtierenden Groko in Berlin und der CSU-Regierung in München die Zukunft zerstört wird – von Seehofers AfDiaden über Söders Schlingerkurs bis zu Nahles' Missmanagement der SPD-"Erneuerung".

Trotzdem gilt: Die Grünen sind inzwischen so fest etabliert, dass sie angesichts des SPD-Debakels tatsächlich die Funktion der zweitstärksten Kraft im Land übernehmen könnten.

Jetzt geht es um die soziale Flankierung des Umbaus

Nur, was folgt daraus? Erstmal nichts, und das ist das Fatale. In Bayern ist eine Regierung aus CSU und Grünen höchst unwahrscheinlich, weil die CSU andere Optionen hat, die Freien Wähler dürften ihr Juniorpartner werden.

Und in Hessen können die Grünen wegen der Schwäche der Bouffier-CDU wohl nur dann an der Regierung bleiben, wenn sie ein Jamaika-Bündnis mit der FDP als dritter Partnerin eingehen, was das Durchsetzen von Öko-Themen noch schwieriger macht als bisher in Schwarz-Grün.

Dass es in Hessen zu Rot-Rot-Grün kommen könnte, inhaltlich sicher die bessere Wahl, ist von den jüngsten Umfragezahlen her knapp und auch sonst fraglich. Denkbar wäre zudem eine Hessen-Groko, was hieße, die erstarkten Grünen schauen zu, wie regiert wird.

Die Grünen sind also gut beraten, auf die Euphoriebremse zu treten und kontinuierlich an besseren Politikentwürfen zu arbeiten. Dass sie ihr Kernthema – Klimaschutz, Naturschutz, Ökologie – anders als früher wieder ins Zentrum gestellt haben, hat ihnen gut getan.

Die soziale Flankierung des überfälligen industriellen Umbaus stärker zu betonen wäre nun die richtige Strategie, um den Angstmacher-Kampagnen von Industrie, Gewerkschaften und politischer Konkurrenz die Spitze zu nehmen. Denn wer weiß, vielleicht ist die Restlaufzeit der Berliner Groko doch deutlich kürzer als gedacht, und es kommt schnell zum Realitätstest für die Grünen.

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