Die Energiewende-Politik der Ampel gibt noch kein stimmiges Bild ab. (Bild: Pankaj Jain/​Capankajsmilyo/​Wikimedia Commons)

Um die Weihnachtstage wütete der Sturm "Zoltan" über Deutschland, gefolgt von endlosen Regenfällen. Deiche weichten auf, Orte wurden eingeschlossen oder mussten evakuiert werden. Immer noch steht halb Niedersachsen unter Wasser und neuer Regen kündigt sich an.

Vor zwei Monaten hatte schon Sturm "Viktor" in der Nacht vom 20. zum 21. Oktober für das schwerste Ostseesturmhochwasser seit 1872 gesorgt. Die Schäden an Küsten, Stränden, Hochwasseranlagen, Häfen und Booten in Deutschland werden inzwischen auf etwa 200 Millionen Euro geschätzt.

Wie für Hitzetage gilt für extreme Niederschläge: Ein einzelnes Hochwasser lässt sich nicht mit dem Klimawandel erklären. Das betont auch der im November veröffentlichte "Monitoringbericht 2023" zur deutschen Klimaanpassungsstrategie. Dafür weisen Atmosphärenbedingungen und Großwetterlagen, die Hochwasser begünstigten, eine zu große Variabilität auf.

Allerdings stellt der vom Umweltbundesamt vorgelegte Bericht auch fest: Mit der Erderwärmung kann die Atmosphäre mehr Wasserdampf speichern, also mehr Feuchtigkeit aufnehmen, und das Potenzial für Starkregen nimmt zu. Zudem könnten Westwindlagen im Winter künftig zunehmen – das sind genau die Wetterlagen, die uns "Viktor" und "Zoltan" bescherten.

Hochwasserereignisse werden noch von zahlreichen anderen Entwicklungen bestimmt, hält der Monitoringbericht weiter fest. So führten die zunehmende Versiegelung und Bodenverdichtung sowie Begrenzungen natürlicher Überflutungsflächen und Eindeichungen zu höheren und schnelleren Abflüssen in Bäche und Flüsse.

Neue Strategie zur Klimaanpassung erst im Herbst

Angesichts dessen erscheint es dringlich, nicht nur Deiche, sondern auch die deutsche Klimaanpassungsstrategie zu erneuern. Die erlebte 2020 ihre bisher letzte Aktualisierung.

Eilig mit einer erneuten Anpassung hat es die Ampel freilich nicht. Frühestens im Oktober 2024 soll eine neue Anpassungsstrategie vom Bundeskabinett beschlossen werden, besagt der jetzt veröffentlichte Arbeitsplan des Bundesumweltministeriums.

So gemächlich wird es bei den Gesetzen zur Energiewende kommendes Jahr nicht zugehen. Dort hat die Ampel einen wahren Stau an rechtlichen Vorlagen abzuarbeiten.

Da steht zunächst der größere Teil des Solarpakets eins an. Der soll nun im Januar vom Bundestag beschlossen werden und Anfang Februar vom Bundesrat. Mit dem Paket soll Photovoltaik auf Agrarflächen, Seen und Mooren oder auf Parkplatzüberdachungen und Lärmschutzwänden besonders gefördert werden.

Ungeduldig erwartet die Erneuerbaren-Branche auch die Regelung, dass Grundstücksbesitzer die Verlegung von Leitungen zum Netzanschluss nicht mehr behindern können. Und Solarteure warten auf die Regeln zur vereinfachten Anbringung von Balkonkraftwerken.

Auch Stadtwerke warten auf Kraftwerksstrategie

Im ersten Quartal des neuen Jahres soll nun auch die überfällige Kraftwerksstrategie des Bundes kommen. Im Kern geht es hier um die Frage, welche Kraftwerke als "Backup" ein zu hundert Prozent erneuerbares Stromsystem absichern.

Zuletzt machten hier die Stadtwerke Druck: Für Investitionen in neue Kraftwerke fehlten noch entscheidende Grundlagen, bemängelte der zuständige Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Um die nötigen Fortschritte beim Bau neuer, steuerbarer Kraftwerke zu erreichen, müsse die Strategie möglichst schnell vorgelegt werden, fordert der Verband. So ließen sich die Voraussetzungen für einen vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030 schaffen.

Beim Kohleausstieg schiebt die Koalition schon länger die gesetzlich vorgeschriebene Evaluation vor sich her. Ursprünglich sollte sie schon im August 2022 vorliegen. Das Wirtschaftsministerium entschuldigte die Aufschübe mit den Folgen von Ukraine-Krieg und Energiekrise. Nunmehr solle der Bericht "schnellstmöglich fertiggestellt werden", sagte ein Ministeriumssprecher der Tagesschau.

Änderungen im Interesse der Erneuerbaren sind für 2024 auch am Baugesetz geplant. Die Koalition denkt hier an eine Öffnungsklausel, die es Kommunen ermöglicht, wie bei Photovoltaik auch für Windkraft eigenständig Flächen bereitzustellen. Zudem sollen bereits belastete Verkehrs- und Industrieflächen schneller für Windprojekte geöffnet werden können.

Auf Bearbeitung wartet ferner eine Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes. In das Gesetz soll "Klima" als ausdrückliches Schutzgut aufgenommen werden, um erneuerbare Energien beschleunigt genehmigen zu können.

Klimaschutzgesetz weiter auf die lange Bank geschoben

Apropos Klima: Wann das geänderte Klimaschutzgesetz den Bundestag passieren wird, ist nicht absehbar. Die Bundesregierung ficht jetzt erst einmal das jüngste Klimaurteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts an.

Deutschland habe seine Klimaziele insgesamt erreicht, wenn auch nicht im Verkehrssektor, begründet der zuständige Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Schritt. Schärfere Maßnahmen im Verkehrsbereich wie zum Beispiel Fahrverbote seien ohnehin nicht vermittelbar und große CO2-Entlastungen im Verkehr von heute auf morgen völlig unrealistisch, wies Wissing klimapolitische Ambitionen im Handelsblatt zurück.

Nicht zuletzt beim Naturschutz wartet die Grünstrombranche auf Gesetzesvorlagen. So können Verbände noch bis zum 5. Januar Stellungnahmen zur Rechtsverordnung für die sogenannte Habitatpotenzialanalyse abgeben. Damit sollen Windkraftinvestoren künftig nachweisen können, dass von ihrem Projekt kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für geschützte Arten ausgeht – also aus Sicht des Artenschutzes genehmigt werden kann.

Man sei allerdings vom Entwurf der Rechtsverordnung enttäuscht, erklärte Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie (BWE), kürzlich bei einem Branchentermin. Die vorgeschlagenen Regelungen seien sehr komplex und würden nicht zur Klarheit für die Genehmigungsbehörden beitragen.

Kurz vor Weihnachten konnte Axthelm zumindest die gute Nachricht verkünden, dass in diesem Jahr neue Windkraftanlagen im Umfang von 6.400 Megawatt genehmigt wurden. Das sei fast doppelt so viel wie 2022 und ein Rekordwert seit dem Start des Ausschreibungssystems 2017. Der Windausbau beschränke sich aber weiter auf Bundesländer im Norden sowie Nordrhein-Westfalen. Der Süden spiele nach wie vor keine Rolle, sagte der BWE-Geschäftsführer bedauernd.

Natur-Flächen-Gesetz nicht in der Vorhabenplanung

Kaum noch Chancen auf Realisierung geben Fachleute einem bisher weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit laufenden Naturschutz-Gesetzesprojekt. Im vergangenen März hatte sich der Koalitionsausschuss der Ampel auf ein sogenanntes "Modernisierungspaket" für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung geeinigt.

Dazu gehört ein Flächenbedarfsgesetz, um genügend viele und außerdem vernetzte Flächen für Renaturierung, Naturschutz und den nötigen Biotopverbund raumordnerisch zu sichern, wie es in dem Beschlusspapier der Koalition hieß.

Um das Ziel des Montrealer Naturschutzabkommens zu erfüllen, 30 Prozent der Landesfläche unter Schutz zu stellen, fehlen Deutschland nach Schätzung von Fachleuten noch weitere sechs bis sieben Prozent seiner Fläche.

Zwischenzeitlich wurde das Flächenbedarfsgesetz in Natur-Flächen-Gesetz umbenannt, was aber dem gesetzgeberischen Fortschritt nicht viel nützte. Die Arbeiten an den Eckpunkten für das Natur-Flächen-Gesetz haben unmittelbar nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses vom 28. März begonnen, wie kürzlich eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums auf Nachfrage bestätigte.

Die Erarbeitung des Gesetzes erfolge in gemeinsamer Federführung mit dem Bundesbauministerium und die beiden Häuser befänden sich dazu im intensiven Austausch, so die Sprecherin weiter. Da die Arbeiten noch andauerten, könne sich das Umweltministerium aktuell leider nicht näher äußern.

Im offiziellen Arbeitsplan wie in der internen, Klimareporter° vorliegenden Vorhabenplanung des Ministeriums bis Mitte 2024 taucht ein Naturflächengesetz jedenfalls nicht auf.

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