Aufnahme von oben an Windturm und Rotorblatt entlang nach unten, ein Monteur hängt am Seil, ganz klein ist am Boden ein Auto zu sehen.
Begutachtung eines Rotorblattes und des Turmes einer Windenergieanlage. (Foto: Markus Bergmann/​Wikimedia Commons)

Was noch vor einem Jahr undenkbar schien, ist jetzt doch eingetreten: Deutschland schafft sein eigentlich längst abgeschriebenes Klimaziel für 2020, das eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 vorsieht.

Das zeigt eine Analyse des Berliner Thinktanks Agora Energiewende, die Klimareporter° vorab vorliegt. Demnach ist Deutschlands Klimalast im vergangenen Jahr um 82 Millionen Tonnen CO2 auf nunmehr 722 Millionen Tonnen gesunken. Das entspricht einem Minus von gut 42 Prozent.

Hauptursache war die Corona-Pandemie. Durch den Rückgang bei Energieverbrauch, Industrieproduktion und Verkehrsnachfrage wurden 55 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Das sind zwei Drittel des Gesamtrückgangs.

Ein weiteres Drittel ging laut Agora-Studie auf das Konto der höheren CO2-Preise im EU-Emissionshandel sowie des relativ milden Winters. Diese beiden Faktoren trugen zu einer Einsparung von 25 Millionen Tonnen CO2 bei.

Hätte es Corona nicht gegeben, wären Deutschlands Emissionen also auch gesunken, aber nur geringfügig. Die Minderung hätte dann lediglich bei knapp 38 Prozent gelegen, das 2020er Ziel wäre verfehlt worden.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze sprach von einem "klar positiven Trend". Schon das dritte Jahr in Folge seien die CO2-Emissionen "deutlich" heruntergegangen, sagte die SPD-Politikerin der Nachrichtenagentur DPA.

Neben dem Corona-Effekt zeigten sich darin auch die Ergebnisse der Politik der letzten Jahre, sagte Schulze. "Die gute Entwicklung beim Klimaschutz ist nicht vom Himmel gefallen."

Die Einsparungen lagen 2018 bei 41 Millionen Tonnen und 2019 bei 55 Millionen Tonnen.

"Kein Grund zum Ausruhen"

"Grund zur Freude besteht kaum", meint hingegen der Klimaexperte der Linken, Lorenz Gösta Beutin. "In den zentralen Feldern der Klimapolitik hat die Bundesregierung versagt. Verkehrs- und Energiewende stagnieren, ebenso wie der Ausbau der Windkraft. Eine Bewegung bei der Agrarwende ist gar nicht erst in Sicht."

Die deutschen Klimaziele seien zu niedrig gesteckt, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen, so Beutin.

Auch der Energiebranchenverband BDEW mahnt, dass beim Klimaschutz noch mehr getan werden müsse. "Wir dürfen uns nicht auf dem Corona-Effekt ausruhen", so Verbandschefin Kerstin Andreae. 

Der Wärmesektor müsse stärker in den Fokus gerückt werden, sagte Andreae. Die Sanierungsraten bei Gebäuden seien viel zu niedrig. "Dadurch werden erhebliche Potenziale zur CO2-Einsparung verschenkt."

Auch Agora Energiewende warnt: Ohne ein "aktives Gegensteuern" würden die Emissionen, die Corona-bedingt stark zurückgegangen waren, schon in diesem Jahr wieder ansteigen. "Im zweiten Halbjahr 2020 zeichnete sich bereits ein Rebound-Effekt durch höhere Emissionen ab", heißt es in der Analyse.

Der Thinktank konstatiert nach wie vor eine Ausbaukrise bei der Windenergie. Zwar erreichte der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch 2020 mit 46,2 Prozent einen Höchstwert. Knapp die Hälfte des Zuwachses ging aber auf die durch Corona gesunkene Stromnachfrage zurück. Ohne Corona läge der Erneuerbaren-Anteil bei 44,6 Prozent.

Für das Jahr 2021 könnte der Anteil an Grünstrom sogar erstmals seit 20 Jahren sinken, wenn sich die Stromnachfrage wieder erholt und der weitere Ausbau bei Wind und Sonne nicht forciert wird.

Ergänzung am 6. Januar: Die Agora-Analyse ist jetzt auch online.

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