Blick vom Ufer auf das Flüsschen Mulde in Sachsen, im Hintergrund eine flache Landschaft mit Bäumen.
In der Klimakrise muss das Wasser wieder in der Landschaft gehalten werden – zum Beispiel, indem man Flüssen wieder mehr Raum gibt. (Foto: Isabell Juszczyk/​Auen-Institut)

Wassernot in Afrika? Daran haben wir uns längst gewöhnt. Wassernot in Südeuropa? Auch das gab es immer öfter in den letzten Jahren. Aber Wassernot in Deutschland? Das schien im regenreichen Mitteleuropa bisher unwahrscheinlich.

Doch seit mehreren Jahren regnet es auch bei uns zu wenig. Dürre und Hitze sind die Hauptursache für die auch hierzulande zunehmenden Waldbrände.

Hinzu kommt ein meteorologisches Nord-Süd-Gefälle, sogar innerhalb von Bayern. So regnete es in den letzten Wochen in Franken nur wenig, aber in Alpennähe recht kräftig. Das ist keine Ausnahme. An den Alpen fielen von 1990 bis 2019 im Mittel 2.000 Millimeter Regen pro Jahr, in Franken gerade mal 500 Millimeter.

Der Grund: Wie viel es hierzulande regnet, hängt auch von den Gebirgen ab. Die feuchte Luft wird von den Alpen gezwungen, aufzusteigen. Die Luft wird kälter und es regnet. Auch im Osten Deutschlands regnet es weniger als im Westen.

Nach acht zu trockenen Sommern in Mitteleuropa ist auch im noch wasserreichen Deutschland eine Wasserknappheit absehbar. Die Wetterextreme nehmen auch in Deutschland zu.

Am 14. Februar 2021 wurden in Göttingen minus 23,8 Grad gemessen, am 21. Februar 2021 plus 18,1 Grad. Ein Temperaturanstieg um fast 42 Grad in sieben Tagen – so viel wie hierzulande noch nie. 

Hitzerekorde und Wassernotstand

Die immer neuen Hitzerekorde in Deutschland lassen für die künftige Entwicklung der Niederschläge nichts Gutes erwarten. Wir verlieren fast unbemerkt unseren unterirdischen Wasserreichtum. Das Deutsche Geoforschungszentrum in Potsdam meldete für den Dürresommer 2019 ein Wasserdefizit von fast 44 Milliarden Tonnen.

In Teilen Brandenburgs, Thüringens, Sachsens, Hessens und Württembergs war der Wassermangel schon 2020 ganz konkret spürbar: An manchen Orten musste der Wassernotstand ausgerufen werden. Auto waschen, den Garten gießen, das Befüllen von Pools war verboten. In einigen Gemeinden mussten sogar Tankwagen anrücken, um die Einwohner mit Trinkwasser zu versorgen. Ähnlich ist es in diesem Jahr.

Deutschland braucht dringend eine Wasserwende und zunächst einen Wasser-Notfallplan. Über Jahrzehnte wurde der Schutz des Grundwassers von der Politik vernachlässigt. Der hohe Eintrag von Nitrat und Pestiziden in der Landwirtschaft wurde viel zu lange toleriert, trotz Strafandrohungen der Europäischen Union. Wasserversorger haben zu wenig in ihre Infrastruktur investiert.

Der Kampf um die Wasserreserven hat begonnen. Wir brauchen einen sparsameren und intelligenteren Umgang mit unserem Lebensmittel Nummer eins. Und ein neues Wasserbewusstsein. Denn Wasser ist Leben.

Konkret bedeutet Wasserwende: Wasser dort sammeln und zurückhalten, wo es anfällt. Also kein Trinkwasser benutzen, wo es auch mit Grauwasser und Brauchwasser geht. Regenwasser nutzen und eine dezentrale, ökologische Wasserversorgung organisieren.

Bewusstes Einkaufen und bewusstes Essen vermindern unseren Wasserverbrauch. Zur Produktion eines Kilogramms Rindfleisch werden circa 15.000 Liter Wasser benötigt. Veganes oder vegetarisches Essen benötigt weit weniger Wasser.

Schützen, sparen, sanieren

Der Bundestag sollte ein Gesetz beschließen, das sparsame Armaturen vorschreibt und Spartoiletten, Sparduschen, Sparwaschmaschinen und Sparspülmaschinen fördert, während Großverbraucher einen Wassercent bezahlen müssen. So würden wir pro Kopf noch etwa die Hälfte des Wassers verbrauchen gegenüber heute.

Je mehr Waldfläche ein Land hat, desto besser für den Wasserhaushalt dieses Landes. Durch Abholzung von Wäldern wird das Klima wärmer und trockener. Wälder, Vegetation, fruchtbare Böden und Wasserrückhalt sind die Hauptregulatoren des Wasserkreislaufs einer Region.

Wasserkreislauf, Kohlenstoff- und Energiekreisläufe eines Landes sind eng miteinander verbunden. Nur so verstehen wir die zugrunde liegenden Muster der Regenbildung. 

Franz Alt

ist Journalist und Buchautor. Er leitete 20 Jahre das politische Magazin "Report" beim Südwest­rundfunk, danach bis 2003 die Zukunfts­redaktion des SWR. Sein neues Buch mit Ernst Ulrich von Weizsäcker heißt: "Der Planet ist geplündert. Was wir jetzt tun müssen".

Wasserschutz ist Umwelt- und Klimaschutz und umgekehrt. Wenn die Sahelzone wieder mit Regen versorgt werden soll, müssen nicht nur Bäume quer durch Nordafrika gepflanzt werden, sondern auch an der Küste, um die feuchte Luft vom Ozean ins Land zu führen.

Die Vereinten Nationen haben den Zugang zu trinkbarem Wasser zum Menschenrecht erklärt und prophezeien, dass Wasser bald "kostbarer als Gold" sein werde. Die Wasserkrise könnte zum größten Problem des 21. Jahrhunderts werden. Die derzeit zunehmende Hungerkrise ist im Wesentlichen eine Wasserkrise.

Die große Klimakatastrophe und das große Hungersterben werden sich nur noch durch eine aufgeklärte Zivilgesellschaft politisch verhindern lassen. Die realistischste Vision unserer Zeit ist, dass diese globale Zivilgesellschaft als größte Bürgerinitiative der Welt aktiv wird.

"Stirbt der Fluss, stirbt das Volk", sagt ein brasilianisches Sprichwort. Genauso gilt aber auch: Lebt der Fluss, lebt das Volk. Wir haben die Wahl.

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