Blick vom Ufer auf das Flüsschen Mulde in Sachsen, im Hintergrund eine flache Landschaft mit Bäumen.
Früher wurde die Landschaft bis ins Extrem entwässert. Heute gibt man Flüssen wie der Mulde in Sachsen Raum zum Mäandern, damit Wasser nicht nur durchfließt. (Foto: Isabell Juszczyk/​Auen-Institut)

Das Umweltbundesamt gibt Entwarnung: Deutschland hat noch keinen Mangel an Trinkwasser und befindet sich nicht flächendeckend im "Wasserstress" – das ist der Fall, wenn mehr als 20 Prozent der zur Verfügung stehenden Menge verbraucht werden. Mit rund 24 Milliarden Kubikmetern Wasser wurden 2016 rund 13 Prozent des nutzbaren Wassers verwendet.

Also alles im Lot? Mitnichten. Während der Hitzewelle, die gerade zu Ende ging, war die Wasserversorgung im niedersächsischen Lauenau zusammengebrochen. 4.000 Einwohner:innen saßen auf dem Trockenen.

Tankfahrzeuge der Feuerwehr brachten Brauchwasser, das Trinkwasser mussten die Menschen im Laden kaufen. Noch mehrere Wochen sollen die Lauenauer:innen Wasser sparen.

Auch andernorts war die Lage angespannt. So hatten im vorpommerschen Ueckermünde die Wasserbetriebe einigen Ortsteilen der Stadt unangekündigt nachts das Wasser abgestellt – und so den Unmut der Bürger:innen auf sich gezogen. Während Einheimische weniger Wasser als im Bundesdurchschnitt verbrauchen, treiben die vielen Urlauber:innen derzeit den Verbrauch in die Höhe. 

Im Taunus in Südhessen stellte ein Wasserversorger seine Trinkwasserampel "von Gelb auf Rot". Die Bewohner:innen von Kronberg, Oberursel und Steinbach sollten darauf verzichten, Pools zu befüllen, ihr Auto zu waschen und den Garten zu wässern. 

Zudem haben etliche Gemeinden in Deutschland das Entnehmen von Wasser aus Flüssen untersagt. In Sachsen haben beinahe alle Kommunen verboten, Wasser aus Gewässern abzupumpen. Auch die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam sprach ein solches Verbot aus.

Die einzelnen Regionen sind aber unterschiedlich stark betroffen. Kaum Wasserknappheit gibt es derzeit in Schleswig-Holstein. Vor allem im Osten der Republik sind dagegen die Böden bis in zwei Meter Tiefe extrem trocken, wie ein Blick auf den Dürremonitor des Leipziger Umweltforschungszentrums UFZ zeigt.

Managementpläne gefordert

"Um der Dringlichkeit und den regionalen Unterschieden gerecht zu werden, brauchen wir ein durchdachtes, langfristiges und umsetzbares Dürrekonzept von der Bundesregierung", sagte Philipp Wagnitz, Leiter des Fachbereichs Ökosysteme und Ressourcenschutz bei der Umweltstiftung WWF. 

Die angekündigte Wasserstrategie der Bundesumweltministerin gehe in die richtige Richtung, so Wagnitz, aber die Zeit dränge. Es brauche einen "Nationalen Aktionsplan Dürre".

Wie das aussehen könnte, hat der WWF in einem Zehn-Punkte-Plan zusammengefasst. Danach soll Deutschland Szenarien zur künftigen Entwicklung des Wasserhaushalts erarbeiten und daraus Managementpläne ableiten. Neue Wälder und Agroforstsysteme sollen entstehen, Fördermittel für die Forstwirtschaft an ökologische Kriterien gekoppelt werden.

Systeme zur Entwässerung sollen zurückgebaut und die Wasseraufnahme von Böden verbessert werden. Die Versiegelung von Flächen sei ebenso zu begrenzen wie die Bewässerung mit Grund- und Trinkwasser. Außerdem müssten die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie eingehalten und die Kosten dafür stärker den Verursachern in Rechnung gestellt werden. 

Die Richtlinie der EU schreibt vor, dass alle Gewässer spätestens 2027 in einem guten ökologischen Zustand sein müssen. Viele Gewässer hierzulande sind aber in einem mäßigen bis schlechten Zustand. Das Grundwasser ist zwar rein mengenmäßig in gutem Zustand, rund ein Drittel ist aber mit Nitraten und Pflanzenschutzmitteln belastet. 

Union lehnt Wasserstrategie ab

Auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fordert einen Paradigmenwechsel. "Die anhaltende Trockenheit der letzten Jahre macht es erforderlich, das Wasser in der Landschaft zu halten und Fließgewässern ausreichend Raum zu geben", sagte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde.

Nötig sei mehr lokale Zusammenarbeit unter den verschiedenen Akteuren wie Behörden, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz, um die Entnahme von Wasser zu begrenzen. Eine effizientere Bewässerung in der Landwirtschaft, der Anbau anderer Kulturen oder Sorten, das Belassen von Totholz im Wald sowie das Renaturieren von Feuchtgebieten das Wasser in der Landschaft halten.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will neue Regeln für den Umgang mit Wasser entwickeln. Die Versorgung der Menschen mit Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen habe höchste Priorität, doch für die darüber hinausgehende Nutzung etwa für Freibäder oder die Bewässerung von Gärten brauche es eine Hierarchie.

"Im kommenden Jahr werde ich eine nationale Wasserstrategie vorlegen", kündigte Schulze vergangene Woche gegenüber der Rheinischen Post an. Damit wolle sie den Kommunen Orientierungshilfen geben. Die lokalen Behörden sollen aber die Entscheidungshoheit darüber behalten, wann Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Die Unionsparteien erteilten dem Vorstoß eine Absage: "Ich halte nichts von den Gedankenspielen, wem wir als Erstes das Wasser abdrehen sollten", sagte Georg Nüßlein, für Umweltpolitik zuständiger Vizechef der CDU/CSU-Fraktion, der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Man müsse aber mit Wasser verantwortungsbewusster und effizienter als bisher umgehen.

Klimaschutz hilft auch dem Wasser

Laut Umweltbundesamt entfällt über die Hälfte des Wasserverbrauchs hierzulande auf die Energiewirtschaft. Bergbau und verarbeitendes Gewerbe kommen zusammen auf rund 23 Prozent. Ähnliche Mengen werden durch die öffentliche Wasserversorgung (21 Prozent) verbraucht. Beregnung in der Landwirtschaft machte 2016 nur 1,3 Prozent des Verbrauchs aus.

Mit Blick auf diese Größenordnungen hat auch die Energiewende einen positiven Einfluss auf den Wassersektor. Laut einer Studie des Clausthaler Umwelttechnik-Forschungszentrums (Cutec) wird sich der Wasserbedarf bis zum Jahr 2050 in Deutschland schätzungsweise um die Hälfte verringern, weil weniger Kühlwasser für fossile Kraftwerke gebraucht werde.

Anzeige