"Löschen? Hier geht es nicht mehr ums Löschen", gestand Dan Eliasson am Samstag: "Einige der größten Brände können wir nicht löschen. Dort können wir nur versuchen, die Ausbreitung der Flammen zu stoppen und zu warten, dass das Wetter umschlägt. Das kann mehrere Wochen dauern."
Als "vermutlich schwierigste Situation, in der sich die schwedischen Brand- und Zivilschutzkräfte jemals befunden haben", bezeichnet Eliasson, der Chef der schwedischen Zivilschutzbehörde MSB, die derzeit herrschende Lage im Land: "Und ich muss warnen: Es kann weiter eskalieren."
Überall in Schweden sind in den letzten zwei Wochen Waldbrände aufgeflammt. Zwischen 50 und 90 wurden täglich registriert. Viele konnten binnen weniger Stunden gelöscht werden, in manchen Gegenden brennt es aber bereits seit Tagen und eine Handvoll Waldbrände gelten mittlerweile als "außer Kontrolle".
Am Wochenende wurden praktisch aus dem ganzen Land Brände gemeldet: von Schonen und Småland im Süden bis nördlich des Polarkreises in Lappland. Am schlimmsten betroffen ist gegenwärtig ein Streifen quer durch Mittelschweden. Hier mussten in den vergangenen Tagen mehrere Dörfer und Gehöfte evakuiert werden, insgesamt brennen rund 20.000 Hektar Wald.
Und nicht nur in Schweden lodern die Flammen: Über 350 Wald- und Feldbrände wurden in den vergangenen beiden Wochen in Südnorwegen registriert. "So eine Situation hatten wir noch nie", sagt Anne Rygh Pedersen vom norwegischen Zivilschutzdirektorium.
Auch in Dänemark und Finnland gab es zahlreiche Brände und in Finnisch-Lappland herrscht derzeit Alarmbereitschaft: Ein erster von mehreren Waldbränden, die auf russischer Seite an der Grenze zu Finnland wüten, hat sich jetzt über die Grenze ausgebreitet.
Extreme Trockenheit in weiten Teilen Skandinaviens
In weiten Teilen Skandinaviens herrscht extreme Dürre. Es hat teilweise im Mai, Juni und Juli so gut wie nicht geregnet. Die Temperaturen liegen vielerorts seit Wochen bei 30 Grad und darüber. Der finnische Wetterdienst meldete am Mittwoch mit 33,4 Grad die "höchste je in Lappland gemessene Temperatur". Eine Dürre wie derzeit in vielen Gegenden Südschwedens habe es seit Beginn von Wetteraufzeichnungen in der Mitte des 18. Jahrhunderts nicht gegeben, stellte das schwedische meteorologische Institut SMHI fest.
An vielen Orten hat der Grundwasserspiegel ein rekordniedriges Niveau erreicht. Die Schlachthöfe kommen mit den Notschlachtungen nicht nach, zu denen immer mehr Landwirte gezwungen sind, weil sie für ihr Vieh kein Futter mehr haben und das Weidegras verdorrt ist. Die Bauernverbände in allen nordischen Ländern befürchten schwere Ernteverluste.
Ein Ergebnis des Klimawandels oder natürliche Wettervariationen? Das Klima verändert sich und hat sich immer verändert, sagt SMHI-Klimaforscher Gustav Strandberg. Aber die Erwärmung der letzten 100 Jahre beruhe vor allem auf dem Anstieg der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre.
Die Maitemperaturen in Stockholm hätten sechs Grad über den jahrzehntelangen Durchschnittswerten gelegen, sagt Strandberg. "Wir hatten im Mai schon Juli". Dafür habe man eine statistische Wahrscheinlichkeit von dreimal innerhalb einer Million Jahre errechnet. Bislang. Und es sei ja nicht nur Skandinavien betroffen. Von Kanada bis Sibirien seien Hitzerekorde gebrochen worden. Im westlichen Sibirien lägen die Temperaturen sieben Grad über dem bisherigen Durchschnitt.
In sieben Wochen sind in Schweden Parlamentswahlen
Das diesjährige Wetter stimme mit den Modellen überein, die man angesichts künftiger Klimaveränderungen für Nordeuropa entwickelt habe, sagt Kenneth Persson, Professor für Wasserressourcenlehre an der Universität Lund: Kurze, niederschlagsreiche Winter und lange, dürre Sommer: "Eine Demonstration der Wirklichkeit, die uns erwartet." Und Schweden werde daran erinnert, wie schlecht man sich bislang darauf vorbereitet habe.
Tatsächlich erwiesen sich die technischen und personellen Ressourcen, die Feuerwehr, Katastrophenschutz und Militär in Schweden auf die Beine stellen konnten, angesichts der Ausmaße der Brände schnell als ungenügend. Mittlerweile helfen Brandbekämpfungsflugzeuge aus Italien, Frankreich und Litauen sowie Hubschrauber aus Deutschland und Norwegen beim Wasserbomben.
Am Sonntag wurden 139 polnische Feuerwehrleute mit 44 Fahrzeugen nach mehr als tausend Kilometer langer Kolonnenfahrt durch Schweden in einem Brandgebiet bei Östersund erwartet. Auch rund 130 Feuerwehrleute aus Dänemark, Deutschland und Frankreich sind im Einsatz.
Nur Regen ist nicht in Sicht. Das SMHI rechnet vielmehr für die neue Woche mit den bislang höchsten Temperaturen des Jahres.
"Wir werden Konsequenzen aus den jetzigen Erfahrungen ziehen müssen", kündigt Ministerpräsident Stefan Löfven an. In sieben Wochen sind Parlamentswahlen. Die schwersten Brände, die Schweden in der Neuzeit erlebt hat, könnten in letzter Minute zu einem Game Changer werden und den Klimaschutz auf der Prioritätenliste der Wähler weit nach oben befördern.