Am morgigen Freitag soll das Klimakabinett der Bundesregierung endlich Nägel mit Köpfen machen und ein Paket beschließen, mit dem Deutschland seine Klimaziele für 2030 schaffen kann – nachdem es mit den Zielen für 2020 bereits nicht geklappt hat.
Die große Koalition will jetzt also liefern. Ein "großer Wurf" soll es werden, forderte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) im Vorfeld. Es dürfe "kein Pillepalle" herauskommen, forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte im Rundfunk vor der heute Abend beginnenden entscheidenden Beratungsrunde sogar eine "Revolution für Deutschland" an.
Ein nun vorliegender Entwurf des Pakets – datiert auf letzten Montag – lässt indes wenig Revolutionäres erwarten. Auch werden weder Scholz' noch Merkels Forderung erfüllt.
Auf 138 Seiten listet das "Klimaschutzprogramm 2030" Dutzende von Maßnahmen auf, die Einsparungen beim CO2-Ausstoß bringen sollen. Alles in allem kommt damit aber bislang nicht einmal die Hälfte der Reduktion zusammen, die nötig wäre.
Das Thema CO2-Preis wird in dem Entwurf noch komplett ausgespart. Beide Varianten – die Steuer wie auch der Emissionshandel – werden nur in einem Atemzug erwähnt und nicht näher ausgeführt.
Offenbar liegen die Positionen der Koalitionspartner hier nach wie vor zu weit auseinander, um eine Kompromisslinie formulieren zu können. Da drohen lange Verhandlungen heute Abend.
Maßnahmen reichen nicht annähernd aus
Laut dem Klimaschutzplan 2050, auf den das Programm ausgerichtet ist, sollen Deutschlands CO2-Emissionen von derzeit 866 Millionen Tonnen (2018) auf 563 Millionen Tonnen im Jahr 2030 sinken. In den nächsten zehn Jahren müssen also gut 300 Millionen Tonnen eingespart werden.
Die im jetzigen Entwurf aufgelisteten Maßnahmen bringen aber nur 121 Millionen Tonnen. Dazu kommen noch "übergreifende Maßnahmen" – also Maßnahmen, in die mehrere Bereiche einbezogen sind – mit maximal neun Millionen Tonnen. Diese soll laut Papier unter anderem der nicht näher bestimmte Bereich "Klimaschutz und Gesellschaft" beisteuern.
Covering Climate Now
Klimareporter° beteiligt sich wie rund 250 andere Zeitungen und (Online-) Magazine weltweit an der Initiative "Covering Climate Now". Die teilnehmenden Medien verpflichten sich, vor allem in der Woche vor dem New Yorker UN-Klimagipfel am 23. September über die Klimakrise zu berichten. Wir freuen uns über die Bewegung in der Medienlandschaft. Klimaschutz braucht guten und kritischen Journalismus.
Wenn die Koalition eine CO2-Bepreisung konkret beschließt, würden deren Einspareffekte offenbar auch unter dem Stichwort "übergreifende Maßnahmen" firmieren.
Insgesamt kommen bislang nur 130 Millionen Tonnen zusammen. Das sind nur etwas mehr als 40 Prozent der erforderlichen Reduktion.
Den Löwenanteil sollen dabei der Kohleausstieg (minus 43 Millionen Tonnen) sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien (minus 35 Millionen Tonnen) bringen.
Mit weiteren Maßnahmen wie der Modernisierung der Kraft-Wärme-Kopplung und der Umstellung der Wärmenetze auf erneuerbare Quellen liegt der Beitrag der Energiewirtschaft bei 84 Millionen Tonnen. Dieser Beitrag würde sich noch erhöhen, falls der Kohleausstieg schneller erfolgt.
Im Gebäudebereich kommen sieben bis 13 Millionen Tonnen zusammen, beim Verkehr 15 bis 25 Millionen. Die Industrie steuert acht bis 14 Millionen bei, die Landwirtschaft fünf bis sechs.
Wenig neue Vorschläge
Vorgesehen ist eine leichte Aufstockung beim Ausbau der Erneuerbaren. Das im Windenergie-auf-See-Gesetz verankerte Ausbauziel von 15.000 Megawatt wird auf 20.000 Megawatt erhöht – und ein Wunsch der Branchenverbände damit erhört.
Der bisherige Ausbaupfad für Windenergie an Land wird von jährlich 2.900 Megawatt (brutto) um 1.000 Megawatt angehoben, bei Photovoltaik von jährlich 2.500 Megawatt (brutto) um ebenfalls 1.000 Megawatt. Allerdings halten Klimaexperten allein bei Wind an Land einen jährlichen Zubau von 7.000 Megawatt bis 2030 für notwendig.
Sonstiges Neues: Ab 2030 sollen neue Ölheizungen und andere fossile Heizungen verboten werden. Für Mieter mit niedrigem Einkommen soll es Hilfen bei der energetischen Sanierung geben. Die üppigen Kaufprämien für Elektrofahrzeuge ("Umweltbonus") werden zu einem Bonus-Malus-System ausgebaut.
Zudem sollen 4.000 Kilometer Oberleitungen auf den vom Lkw-Verkehr stark befahrenen Autobahnabschnitten gebaut werden.
Flickenteppich aus bestehenden Programmen, die weiterlaufen
Bei den übrigen aufgelisteten Maßnahmen handelt es sich durchweg um Programme, die bereits existieren und weitergeführt werden sollen. Von den "Reallaboren der Energiewende" über die Energieeffizienzstrategie bis zu Informationsdiensten wie "Deutschland macht’s effizient".
Der Flickenteppich an unzähligen Fördermaßnahmen und Programmen, aus dem Deutschlands Klimapolitik bislang vor allem besteht, wird einfach in die Zukunft verlängert. Von einem "großen Wurf" ist dieses Vorgehen denkbar weit entfernt.
Stattdessen kommt ein Déjà-vu-Gefühl auf. Denn vieles erinnert an das letzte große Klimaschutzprogramm, das die Bundesregierung im Dezember 2014 mit viel Getöse verkündete. Damals ging es noch um die Klimaziele für 2020.
Mit einem "Klimaschutzpaket" und dem "Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz" (Nape) wollte die damalige Groko auf eine Einsparung von 40 Prozent der CO2-Emissionen kommen. In Paket und Plan enthalten waren Dutzende von Einzelmaßnahmen, die jeweils die eine oder andere Tonne CO2-Reduktion erbringen sollten – genau so wie heute, beim "Klimaschutzprogramm 2030".
Geklappt hat das nicht. Statt 40 Prozent Minus wird Deutschland bis 2020 voraussichtlich nur 32 Prozent Minus erreichen. Das könnte auch dem 2030-Ziel blühen.
Was wird aus dem Klimaschutzgesetz?
Dass die CO2-Bepreisung, die im vorliegenden Entwurf noch offen ist, ausreichen wird, um mehr als die Hälfte der erforderlichen Reduktion zu schaffen, ist nach den bisherigen Vorschlägen der Koalitionspartner eher unwahrscheinlich.
Vom Konzept des ursprünglichen Klimaschutzgesetzes, das die einzelnen Ressorts für die Einsparungen in ihren jeweiligen Sektoren verantwortlich machen würde, ist in dem Entwurf nur am Rande die Rede. Offenbar wird dieser wichtige Punkt erst mal weiter vertagt.