
Das Timing war perfekt. Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl legte der Klima-Expertenrat am Mittwoch seine Analyse zum Stand der deutschen Energiewende vor. Die klare Botschaft: "Fortschritte beim Klimaschutz nicht ausreichend."
Ohne kräftig nachzusteuern werde die Bundesrepublik ihr Ziel, bis 2030 den CO2-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken, verfehlen. Das ist eine wichtige Wegmarke auf dem Pfad zur Klimaneutralität 2045, also zur "Netto-Null" bei den Treibhausgasen.
Der Termin war Zufall. Als er festgelegt wurde, ahnte niemand, dass die Ampel-Regierung da bereits Geschichte sein würde. Doch nun ist das 300-Seiten-Gutachten des Gremiums, das von der Regierung selbst eingesetzt wurden, eine Blaupause für die Koalition, die nach der Wahl am 23. Februar die Geschicke des Landes bestimmen wird.
Dabei ist die Botschaft klar: Die neue Regierung darf in dem Politikfeld nicht nachlassen. Im Gegenteil, sie muss vor allem beim Verkehr und bei der Gebäudeheizung, beide immer noch von fossiler Energie dominiert, den Umbau vorantreiben.
Und sie muss dringend dafür sorgen, dass der gestresste Klimafaktor Wald gestützt wird, weil er sonst dauerhaft als wachsender CO2-Speicher ausfällt.
Was zu tun ist, liegt auf der Hand
Schaut man nun auf die Klimagas-Bilanz, übernimmt die neue Regierung ein wohlbestelltes Land. Das CO2-Ziel für 2024 wurde sogar unterschritten.
Der Hauptgrund dafür ist gleichzeitig der Hinweis auf die strukturellen Fehler der bisherigen Klimapolitik: Der Umbau der Elektrizitätswirtschaft zu den Erneuerbaren – mit bereits 60 Prozent Anteil – läuft so gut, dass mit der CO2-Einsparung hier das Manko in den anderen Sektoren ausgeglichen wurde.
Das aber wird in Zukunft nicht so weiterlaufen können, da im Stromsektor bald kaum noch Treibhausgase anfallen werden. Hinzu kommt, die Emissionen müssen ab sofort pro Jahr 1,5-mal so stark wie in den letzten Jahren sinken, um das 2030er Ziel zu schaffen.
Und auf eine fortgesetzte Wirtschaftsschwäche als "Klimainstrument" zu setzen, verbietet sich ja ohnehin.
Mit anderen Worten: Die neue Koalition muss vor allem bei Verkehr, Gebäuden und Waldschutz nachholen, was alle früheren Bundesregierungen bis hin zur Ampel versäumt haben. Was zu tun ist, liegt auf der Hand.
Erstens: Verkehrswende mit Verlagerung auf Bus und Bahn, Tempolimit auf Autobahnen, konsequente Umstellung auf E‑Mobilität.
Zweitens: energetische Sanierungsoffensive für Altbauten, Schub bei der Heizungsmodernisierung pro Wärmepumpe, Ausweitung der Fernwärmenetze in den Großstädten.
Drittens: Erarbeitung eines neuen Waldgesetzes, das auf klimastabile Wälder statt auf Holzäcker abzielt, und Finanzhilfen dafür.
Widersprüchliche Signale
Doch ist das alles realistisch?
Hoffnung macht, dass alle Parteien, die realistischerweise eine Koalition bilden können, Union sowie SPD oder Grüne, am Ziel der Klimaneutralität 2045 festhalten. Wenn sie das erst meinen, und das Bundesverfassungsgericht hat den Bundesregierungen einen konsequenten Klimaschutz in seinem wegweisenden Urteil von 2021 ja vorgeschrieben, dann sind diese Maßnahmen unerlässlich.
Zudem existiert schon jetzt für die neue Regierung die Verpflichtung, ein nachgebessertes Klimaschutzprogramm vorzulegen, um für 2030 in die Spur zu kommen, wie der Expertenrat in seinem Gutachten festgestellt hat.
Dem gegenüber steht, dass gerade die Union als wahrscheinliche Kanzlerpartei zum Teil gegenteilige Signale aussendet, indem sie das von der EU geplante "Verbrennerverbot" ab 2035 kippen und das Heizungsgesetz, das nach Überarbeitung durch die Ampel viel besser ist als sein Ruf, abschaffen will.
Die einzige Hoffnung ist, dass SPD oder Grüne es schaffen, solche Rückschritte in Koalitionsverhandlungen zu verhindern.