Vollgeparkter Parkplatz
Aus Auto wird irgendwann E-Auto – sonst ändert sich nichts. Das ist das Ziel der neuen Verkehrs-Kommission der Bundesregierung, jedenfalls in den Augen der Kritiker. (Foto: Dean Hochmann/​​Flickr)

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, dass eine Kommission Vorschläge machen soll, wie der Verkehrssektor sein Klimaziel für 2030 erreichen kann – ähnlich wie die Kohlekommission im Energiesektor. Die Vorschläge sollen dann zusammen mit denen der Kohlekommission als Grundlage für das Klimaschutzgesetz dienen, das im kommenden Jahr beschlossen werden soll.

Heute fiel endlich – nach Monaten der Spekulation – der Startschuss für die "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" (NPM). Dabei löst die eine Plattform die andere ab: Die seit 2010 bestehende "Nationale Plattform Elektromobilität" (NPE) stellt ihre Arbeit mit dem heutigen Tag ein. Ihre Ergebnisse sollen aber in der Verkehrskommission "weiterentwickelt", werden, wie das Verkehrsministerium mitteilte. Auch der Kommissionsvorsitzende ist demnach derselbe.

Für den Mobilitätsforscher Andreas Knie war die Elektromobilitäts-Plattform zu Beginn eine "offene und sehr fruchtbare Veranstaltung", wie er sich gegenüber Klimareporter° erinnert. 2014 hätten sich dann aber der Autoindustrieverband VDA und Teile der IG Metall mit der Bundesregierung darauf verständigt, den Dieselmotor "noch möglichst lange auch über das eigentliche Verfallsdatum hinaus zu retten". Die Unternehmensgewinne und die Sicherung von Arbeitsplätzen seien die vordergründigen Argumente dabei gewesen. Danach war die NPE für Knie "nur noch ein Feigenblatt".

"Auf Bestandswahrung angelegt"

Auch die neue Kommission sei so angelegt, dass sie das Bestehende möglichst lange bewahren werde, betont der Forscher. "Damit werden Alternativen nicht realisierbar, die deutsche Autoindustrie wird vom Weltmarkt abgekoppelt und nur noch durch Subventionen überlebensfähig. Die deutsche Autoindustrie ist die Steinkohle von morgen, Baden-Württemberg wird das neue Ruhrgebiet."

Für das Bundesverkehrsministerium bestehen die Ziele der neuen Plattform offiziell darin, unter Einbeziehung unterschiedlicher Interessenvertreter aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die dem Klima- und Umweltschutz dienen, zugleich aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie gewährleisten.

Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM)

Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität ("Verkehrskommission") besteht aus einem von Henning Kagermann geleiteten Lenkungskreis, einem beratenden Gremium sowie sechs Arbeitsgruppen:

AG 1: Klimaschutz im Verkehr – Vorsitz Franz Loogen, Geschäftsführer der baden-württembergischen Landesagentur E-Mobil BW

AG 2: Alternative Antriebe und Kraftstoffe – Vorsitz Barbara Lenz, Leiterin des DLR-Instituts für Verkehrsforschung

AG 3: Digitalisierung, automatisiertes Fahren und neue Mobilitätskonzepte – Vorsitz Klaus Fröhlich, BMW-Vorstand

AG 4: Sicherung des Mobilitäts- und Produktionsstandorts, Batteriezellproduktion, Rohstoffe und Recycling, Bildung und Qualifizierung – Vorsitz Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall

AG 5: Sektorkopplung, insbesondere Verknüpfung der Verkehrs- und Energienetze – Vorsitz Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BDEW

AG 6: Standardisierung, Normierung, Zertifizierung und Zulassung – Vorsitz Roland Bent, Technologiechef des Elektrotechnik-Konzerns Phoenix Contact

Federführend für die Arbeitsgruppen 1 bis 3 soll das Bundesverkehrsministerium gemeinsam mit dem Umweltministerium sein, für die Arbeitsgruppen 4 bis 6 ist das Wirtschaftsministerium zuständig.

"Mit der neuen Plattform holen wir alle an einen Tisch, um gemeinsam kreative, neue Ideen zu entwickeln", erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am heutigen Mittwoch. Mit "alle" meint Scheuer aber offensichtlich nicht alle, jedenfalls bleiben ökologisch orientierte Verbände wie der Verkehrsclub VCD vorerst draußen.

Der Verband erlebte bei der neuen Plattform ein wahres Informationschaos. Erst habe es geheißen, der VCD sei dabei, dann wieder, er sei nicht dabei. "Bis heute haben wir keinen Anruf aus dem Ministerium erhalten – deswegen gehe ich davon aus, dass wir nicht zur Plattform eingeladen werden", sagt VCD-Experte Michael Müller-Görnert gegenüber Klimareporter°.

Alternativen zum privaten Auto?

Den designierten Chef des neuen Gremiums, Henning Kagermann, ehemals Chef der Softwareschmiede SAP, sieht Müller-Görnert kritisch. Als Vorsitzender der Nationalen Plattform Elektromobilität habe Kagermann nicht genug getan, um das Ziel der Bundesregierung zu erfüllen, bis 2020 eine Million E-Autos auf die Straße zu bringen.

"Das kann man allerdings nicht Kagermann allein anlasten", schränkt Müller-Görnert ein. Nach Medienberichten soll die E-Mobilitäts-Kommission in ihrem Anschlussbericht übrigens empfohlen haben, das Eine-Million-Auto-Ziel auf 2022 zu verschieben.

Dass es jetzt in der neuen Plattform eine spezielle Klimaschutz-AG gibt, hält Müller-Görnert für längst überfällig. "Die Ministerien sollten eigentlich schon im Sommer melden, was ihr Ressort leistet, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Das ist nicht geschehen," kritisiert der Experte.

Das in einer Kommission wieder und wieder zu diskutieren, dafür habe man angesichts des fortschreitenden Klimawandels auch keine Zeit. Nach dem, was bisher bekannt ist, sollen die Vorschläge der Ministerien nun bis Ende dieses Jahres vorliegen. "Das sollte aber wirklich der letzte Termin sein", so Müller-Görnert.

Auch der BUND, Deutschlands wichtigster großer Umweltverband, ist bislang in der Kommission nicht vertreten. Nach Meinung des BUND-Verkehrsexperten Jens Hilgenberg müssten "vor allem die Alternativen zum privaten Pkw in den Fokus der Kommissionsarbeit gerückt werden". Für den BUND gelte dabei ein klares Bekenntnis zum Klimaziel für den Verkehr von minus 40 bis 42 Prozent CO2 bis 2030 gegenüber 1990.

Auch Agrospritbranche unzufrieden

Die Biokraftstoff-Branche hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Sie bemängelt die Konzentration der neuen Plattform auf "Auto" und "Elektro". Die Zukunft der Mobilität werde "komplett elektrifiziert", kritisiert die Bioethanolwirtschaft. Bei den über 46 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotoren auf deutschen Straßen würde der vermehrte Einsatz von Biokraftstoffen helfen, Emissionen zu reduzieren, wirbt der Branchenverband BDBe.

Der Verband weist zudem darauf hin, dass sich die EU in Brüssel erst vor zwei Monaten auf eine Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie geeinigt hat, die von 2021 bis 2030 gelten soll. Das europäische Rahmengesetz beinhaltet eine Anhebung des Mindestanteils erneuerbarer Energien im Verkehr von zehn auf 14 Prozent bis 2030. Alternative Treibstoffe wie Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse sollten dabei einen Klimabeitrag leisten, bekräftigt der Lobbyverband.

Redaktioneller Hinweis: Mobilitätsforscher Andreas Knie ist Mit-Herausgeber von Klimareporter°