Jens Mühlhaus. (Foto: Dominik Parzinger)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.

Klimareporter°: Herr Mühlhaus, nur sehr wenige Carsharing-Nutzer schaffen ihren eignen Pkw ab, zeigt eine aktuelle Studie. Auch bei der Emmy-Flotte gibt es keine festen Leihstationen. Wie trägt das Green-City-Angebot zur Verkehrswende bei?

Jens Mühlhaus: Die Verkehrswende hat verschiedene Puzzleteile. Nur wenn man sie zusammensetzt, wird die Transformation des Verkehrssektors auch gelingen.

Es ist das Zusammenspiel aus einem gut ausgebauten und für den Nutzer kostengünstigen öffentlichen Nahverkehr, der Förderung von Rad- und Fußverkehr sowie der Verbreitung von Sharing-Angeboten in der Stadt. Es muss sich auf all diesen Ebenen etwas bewegen, nur dann kann man eine breite Veränderung im Mobilitätsverhalten herbeiführen.

Dies hat nicht nur etwas mit politischer Willenskraft, sondern auch mit der Änderung von Gewohnheiten und Strukturen jedes einzelnen zu tun. Sie zu durchbrechen ist nicht leicht und dauert Zeit. Aber jede Mobilitätsalternative weg vom eigenen Auto ist ein Schritt in Richtung Zukunft.

Mit unseren Elektro-Schwalben von Emmy zeigen wir in München auf eine leichte Art und Weise, wie klimafreundliche Mobilität in der Stadt funktionieren kann – ohne Lärm, Luftverschmutzung und Parkplatzsuche.

Unsere aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Emmy war ein fehlendes Puzzleteilchen in der Münchner Verkehrslandschaft. Rund 20.000 Nutzer setzen inzwischen auf die Roller. Sie schonen nicht nur die Umwelt, sondern merken auch noch, dass es Spaß machen kann, das Auto einmal stehen zu lassen.

In Berlin-Köpenick betreibt der Energieanbieter Vattenfall, der bislang vor allem mit konventionellen Kraftwerken Geld verdient hat, 78 Solarthermie-Kollektoren. Wie bewerten Sie die Energiewende in deutschen Städten?

Wenn wir zu einer Auslastung durch 100 Prozent erneuerbare Energien gelangen wollen, dann kann die Stromversorgung nicht nur Aufgabe der ländlichen Räume sein. Bisher ernten die Städte die Früchte der Energiewende, die fast ausschließlich in ihren "Vorgärten" gesät werden.

Dabei bieten auch Ballungsräume Potenziale zur klimafreundlichen Energiegewinnung. Erst wenn Städte und Kommunen den Status quo in den zentralen Handlungsfeldern Mobilität und Energieversorgung verändern, kann die Lebensqualität hier auch verbessert werden.

Die wachsende Verstädterung hat einen Umfang, der uns zum Handeln zwingt. Die größten Hürden bestehen dabei in den Köpfen. Vielen mangelt es nach wie vor an Vorstellungskraft, wie ein verändertes Energiesystem aussehen und funktionieren kann – auch wenn man in einem Mietshaus mit mehreren Parteien in einer Großstadt wohnt.

Aber Thermie-Modelle wie in Berlin-Köpenick oder auch Mieterstromprojekte sind optimale Möglichkeiten, wie die Energiewende auch in Großstädten gelebt werden kann. Leider stecken diese Projekte trotz staatlicher Förderung noch in ihren Kinderschuhen. Zu groß ist das Unwissen in diesem Bereich. Dabei ist ihr dezentraler Einsatz der Schlüssel dafür, dass Leben in der Stadt heute nicht mehr Schadstoffbelastung, Klimawandel und Verkehrskollaps bedeuten muss.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Mich überrascht immer wieder, was mit meiner Heimatstadt München passiert, wenn unser Verein Green City zweimal im Jahr das größte Nachhaltigkeitsfestival Deutschlands, das Streetlife Festival, auf der Leopoldstraße veranstaltet. Seit dem Jahr 2000 verwandelt das Festival anlässlich des europaweiten autofreien Tages eine der Hauptverkehrsadern Münchens in eine lebenswerte, grüne Oase mit kreativer Flächennutzung.

Auch am vergangenen Wochenende wurden wieder 1,5 Kilometer des bekannten Münchner Straßenzuges für den Verkehr gesperrt und für das Streelife Festival freigegeben. Knapp eine Viertel Million Menschen kamen, um zu erleben, wie ruhig, ausgelassen und verändert die Stadt sein kann, so ganz ohne Straßenlärm.

Immer wieder überraschend und schön, unter dem Münchner Siegestor zu stehen und Musik und Menschengelächter statt knatternder Motoren zu hören.

Fragen: Sandra Kirchner

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