Fahrrad in Berlin
Damit die Verkehrswende gelingt, muss auch der Radverkehr gefördert werden, sagt die Agora Verkehrswende. (Foto: Axel Kuhlmann/​Flickr)

Um die Verkehrswende zu schaffen, reicht es nicht, Verbrennungsmotoren gegen Elektromotoren auszutauschen – auch auf Subventionen beispielsweise von Dieselkraftstoff muss verzichtet werden. Das fordert der Thinktank Agora Verkehrswende mit Blick auf die Verkehrskommission der Bundesregierung.

Im Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und SPD beschlossen, dass eine Kommission Vorschläge machen soll, wie der Verkehrssektor sein Klimaschutzziel für 2030 erreichen kann – analog zur Kohlekommission im Energiesektor.
Das Verkehrsministerium will zu diesem Zweck die "Nationale Plattform Elektromobilität" weiterentwickeln. Die im Jahr 2010 gegründete Plattform hatte bisher die Aufgabe, die Elektromobilität in Deutschland voranzubringen, was allerdings ohne durchschlagenden Erfolg blieb.

Die Plattform – dann "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" genannt – soll zusammen mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft Empfehlungen für den Klima- und Umweltschutz entwickeln und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gewährleisten, heißt es vom Ministerium.

Nötig ist ein Mix aus Maßnahmen

"Der Arbeitsauftrag der Kommission kann es nicht sein, nur die Antriebswende voranzubringen", sagt der Direktor von Agora Verkehrswende Christian Hochfeld. "Sie muss sich auch um den Umbau des Stadtverkehrs kümmern." Außerdem spricht sich Hochfeld gegen die Dieselsubventionen aus. "Uns wird es nicht gelingen, gegen die Subventionierung des Alten das Neue in die Welt zu bringen", so der Agora-Chef heute in Berlin.

Der Thinktank hat eine Studie in Auftrag gegeben, wie die Klimaziele im Verkehr bis 2030 noch erreicht werden können. Die Studie, die das Berliner Büro des Öko-Instituts zusammen mit der Verkehrsforschungsorganisation ICCT angefertigt hat, kommt zu dem Ergebnis, dass dafür eine Kombination aus vielen verschiedenen Maßnahmen notwendig ist.

Die Emissionen im Verkehr sind in den vergangenen vier Jahren gestiegen – 2017 lagen sie bei 170 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Bis zum Jahr 2030 müssen sie um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Das sind Emissionen von höchstens 98 Millionen Tonnen jährlich. Es müssen also noch etwa 70 Millionen Tonnen reduziert werden.

Eine Lücke von 50 Millionen Tonnen

"Durch Effizienzsteigerungen werden die Emissionen für den Gesamtverkehr bis 2030 auf 146 Millionen Tonnen sinken", sagt Wiebke Zimmer, Autorin der Studie vom Öko-Institut. Es bliebe damit noch eine Lücke von etwa 50 Millionen Tonnen.

Um herauszufinden, wie diese Lücke geschlossen werden kann, haben die Wissenschaftler zwölf politische Maßnahmen danach bewertet, welchen Beitrag zur Reduktion der Emissionen sie liefern. Zu den Maßnahmen gehören die Flottengrenzwerte für Pkws, die derzeit auf EU-Ebene disuktiert werden. So würde der Vorschlag der EU-Kommission, dass Pkws im Jahr 2030 im Vergleich 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen dürfen als 2021, insgesamt eine Reduktion von dreieinhalb Millionen Tonnen bringen.

Bei einer Reduktion um 45 Prozent wären es allerdings schon zehn Millionen Tonnen. Dieser Vorschlag ist nah an dem von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die eine Reduktion um 50 Prozent fordert. Andere Maßnahmen sind beispielsweise ein Tempolimit von 120 oder 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, eine Pkw-Maut oder die Förderung von ÖPNV sowie Rad- und Fußverkehr.

Das Öko-Institut hat die zwölf Maßnahmen in drei Szenarios zusammengefasst. "Alle drei Szenarios erreichen das Klimaschutzziel", so Zimmer. In einem Szenario passiert das vor allem durch Effizienzsteigerungen – das heißt, Pkw und Nutzfahrzeuge stoßen weniger CO2 pro Kilometer aus. Hier rechnen die Wissenschaftler allerdings damit, dass die europaweiten Flottengrenzwerte für Neuwagen im Jahr 2030 um 75 Prozent niedriger sind als 2021.

"Das Ziel ist technisch erreichbar"

Im zweiten Szenario soll das Klimaziel vor allem durch Änderungen in der Verkehrsnachfrage erreicht werden. Ein Großteil der Einsparungen soll durch eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut und durch die Förderung des Rad- und öffentlichen Verkehrs erreicht werden.

Und schließlich betrachten die Wissenschaftler ein Szenario, in dem ein Großteil der Einsparungen durch klimaneutrale Kraftstoffe geschehen soll. Allerdings hat die Sache einen Haken. "Es ist unwahrscheinlich, dass die Mengen der CO2-freien Kraftstoffe, die dann im Jahr 2030 zur Erreichung des Klimaschutzziels nötig wären, tatsächlich – nachhaltig – bereitgestellt werden können", heißt es dazu in der Studie.

"Die Untersuchung hat gezeigt, dass es technisch machbar ist, das Ziel zu erreichen", sagt Agora-Direktor Hochfeld. "Eine einzelne Maßnahme wird uns aber dem Ziel nicht sehr nahe bringen." Entscheidend sei dafür, wie der Beschluss der EU zu den Pkw-Grenzwerten ausfällt. "Ohne ambitionierte Flottengrenzwerte ist das Ziel nicht erreichbar", sagt Hochfeld. Je weniger ambitioniert die EU-Vorgaben seien, desto größer werde der Flickenteppich der nationalen Maßnahmen.

"Diese Legislaturperiode ist die entscheidende", betont Hochfeld. "Wir werden bald wissen, ob das Klimaziel erreicht werden kann." Es komme jetzt darauf an, im Klimaschutzgesetz die geeigneten Maßnahmen festzuschreiben. Die Ergebnisse der "Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität" sollen genau wie die Ergebnisse der Kohlekommission in das Klimagesetz einfließen, das im kommenden Jahr beschlossen werden soll.

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