Demonstranten in Warnwesten, teils mit Schutzhelmen, und einer Flagge der IG BCE
Gewerkschafter der IG BCE demonstrieren immer wieder für die Kohle – hier im Jahr 2015 in Berlin. (Foto: Verena Kern)

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie durchlebt eine unsichere Zeit. In Deutschland wird politisch das erste Mal ernsthaft über den Kohleausstieg geredet, auf Demonstrationen für den Hambacher Forst, in der Kohlekommission. Das kann in einer Gewerkschaft, die den Bergbau im Namen trägt, nicht nur für Freude sorgen. Der heutige "Innovationskongress 2018" der IG BCE in Berlin setzte denn auch die Kosten der Energiewende in den Fokus. Unterstützt wurde der Kongress unter anderem von Kohlekonzernen wie Leag, Mibrag und RWE.

Gastrednerin war Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die die Veranstalter beim Wort nahm und ihnen die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende vorrechnete. "Strom aus Braunkohle ist nur dann kostengünstiger, wenn man die Folgekosten für die Umwelt und die Gesellschaft außen vor lässt", sagte Schulze.

Wie zur Beschwichtigung wiederholte sie aber auch ihre Forderung nach einem CO2-Preis, der endlich auch andere Sektoren betreffen werde. "Im Moment finanzieren wir den Umbau unserer Energieversorgung allein über Aufschläge auf den Strompreis", sagte sie. "Das kann nicht so bleiben." Klimaschutz müsse wirtschaftlich attraktiv werden.

Kohlegewerkschafter protestieren vor Haus von Umweltschützerin

Unterdessen gehen die Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst auch zwei Wochen nach dem Rodungsstopp weiter. Am gestrigen Mittwoch machten etwa 100 Mitglieder und Sympathisanten der IG BCE während einer Gewerkschafterdemo im Rheinischen Braunkohlerevier vor dem Wohnhaus der bekannten Umweltschützerin Antje Grothus halt, die auch als Vertreterin der Tagebau-Betroffenen in der Kohlekommission sitzt.

Die Demonstranten machten mit Trillerpfeifen und Blechtrommeln Lärm, skandierten "Hambi weg" und "Grothus raus". Ironischerweise auch dabei: ein riesiges Transparent mit der – ursprünglich wohl ans politische Berlin gerichteten – Aufschrift: "Wir haben die Schnauze voll! Wir wohnen hier! Und ihr?"

Die Demonstration der Gewerkschafter war als Mahnwache für die Arbeitsplätze in der Kohlebranche angemeldet, der Stopp vor Grothus' Haus natürlich nicht. Dennoch seien die begleitenden Polizisten erst eingeschritten, als ein Mann gegen ihr Fenster geschlagen habe, berichtet die Aktivistin.

Es waren nicht nur einfache Gewerkschaftsmitglieder, die bei dem Protest mitmachten. Ein Video zeigt auch den Betriebsratschef der Zentrale Köln von RWE Power, Walter Butterweck.

Grothus war, wie sie berichtete, zu der Zeit zu Hause und fühlte sich bedroht – auch, weil es nicht das erste Mal gewesen sei, dass sie als Privatperson ins Visier von Kohlebefürwortern gerate.

IG BCE distanziert sich, RWE nicht

"Am Sonntag traten Betriebsratsvorsitzende von RWE und Mitglieder der IG BCE bei einem öffentlichen Dorfspaziergang in Keyenberg mit einem Plakat auf, das unter anderem meinen Namen, mein Konterfei und den Zusatz 'Der Arbeitsplatzfeind Nummer eins' trug", teilte Grothus am Donnerstag mit.

"Nur drei Tage später zog einer dieser Betriebsratsvorsitzenden mit circa 80 Mitarbeitern und IG-BCE-Fahnen lautstark und böllerzündend in einem von der Polizei des Rhein-Erft Kreises geduldeten Aufzug vor meinem privaten Zuhause auf, in dem neben meinem Partner auch meine Kinder wohnen."

Namen nannte Grothus nicht. Sie fordert allerdings personelle Konsequenzen nach "dieser erneuten Entgleisung des Betriebsratsvorsitzenden, der seine verantwortungsvolle Position in unverantwortlicher Weise ausnutzt, um Mitarbeiter:innen gegen eine Tagebaubetroffene und ihre Familie aufzuwiegeln". Dass sich IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis bei ihr entschuldigt habe, reiche in diesem Fall nicht aus. Die Umweltverbände BUND, Greenpeace und der Dachverband DNR, die mit Grothus in der Kohlekommission sitzen, unterstützen ihre Forderung.

Auf Twitter distanzierte sich die IG BCE von dem Protest vor Grothus' Haus. "Zur heutigen Mahnwache in Buir: Demonstration vor Privathäusern war weder angemeldet noch geplant", heißt es in dem Tweet. "Die IG BCE hält diese Form der Auseinandersetzung für falsch und distanziert sich von persönlichen Anfeindungen." Protest müsse "allen Job-Sorgen zum Trotz" angemessen bleiben.

Der Kohlekonzern RWE scheint diese Ansicht nicht zu teilen. Seine Pressesprecher veröffentlichten heute das Foto eines Briefes, der von Walter Butterweck zu kommen scheint. "Sehr geehrte Frau Grothus, den Medien habe ich entnommen, dass Sie sich von Demonstrationen der IG BCE beziehungsweise von Menschen, die ganz konkrete Ängste um ihren Arbeitsplatz haben, bedroht gefühlt haben sollen", heißt es darin.

Es habe aber keine Bedrohung gegeben. Die RWE-Beschäftigten wüssten "durch eigenes Erleben, wie es ist, wenn man wirklich bedroht wird, wie die vielen Übergriffe auf unsere Kollegen im Hambacher Forst leidvoll zeigen".

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