Etliche Flugzeuge der Lufthansa stehen auf dem Flughafen Frankfurt am Main herum.
Jetzt die Weichen stellen, damit nach der Coronakrise nicht alles weitergeht wie vorher. (Foto: E. Q. Roy/​Shutterstock)

Rund 13.000 Flugzeuge starteten noch im März von den Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld. Die Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie haben den Flugbetrieb nun weitestgehend lahmgelegt. "Aktuell liegt der Rückgang bei rund 95 Prozent, und das an allen deutschen Flughäfen", sagte Engelbert Lütke Daldrup, Geschäftsführer der Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH.

Zwar ist klar, dass die Fluggesellschaften so schnell ihr bisheriges Niveau nicht wieder erreichen werden. Doch am heutigen Mittwoch hat die Lufthansa angekündigt, dass sie die Zahl ihrer Verbindungen nun wieder erhöhen will.

Deutschlands wichtigster Umweltverband BUND warnt vor einer Rückkehr zur bisherigen wachstumsorientierten Logik in der Luftfahrt nach der Pandemie. "Ein Zurück in die Vergangenheit darf es aus Klimaschutzgründen im Flugverkehr nicht geben", fordert der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Das bisherige System, bei dem nur eine kleine gesellschaftliche Gruppe fliege, die Mehrheit aber die Kosten mittrage, sei sehr ungerecht.

Deshalb fordert Bandt, jetzt nachhaltige Maßnahmen zu beschließen, die eine klimagerechte Transformation im Luftverkehrssektor vorantreiben. Nach einem Wiederankurbeln des Luftverkehrs sei es dafür zu spät.

Die Umweltorganisation hat einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, mit dem die Luftfahrt weniger klimaschädlich werden soll. "Wir brauchen ein neues Luftverkehrskonzept, das dem Luftverkehr schrittweise seine Klimakosten anlastet und innerdeutsche Flüge mittelfristig vollständig einstellt", so Bandt.

Integriertes Zug-Flug-System

Im derzeitigen Luftverkehrskonzept des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2017 geht es aus Sicht der Umweltschützer:innen allein darum, das Wachstum der Luftfahrtindustrie weiter zu steigern. Ein zeitgemäßes Luftverkehrskonzept müsse konkrete Handlungsvorschläge für einen klima- und umweltfreundlicheren Luftverkehr enthalten.

Nach dem Konzept des BUND sollen die sieben größten Flughäfen in Deutschland, die einen Großteil des Luftverkehrs in Deutschland abwickeln, mit dem Schienennetz zu einem Gesamtsystem verbunden werden. Dieses Flug-Zug-System soll die Verbindung über Drehkreuz-Flughäfen zu internationalen Wirtschaftsregionen gewährleisten, die nicht mit der Bahn erreichbar sind.

"Der BUND mahnt zu Recht eine Revision des Luftverkehrskonzepts von 2017 an", sagt Jochen Luhmann vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Der neue Anlauf müsse Teil eines integrierten Personenfernverkehrs-Konzepts sein. Zuzustimmen sei auch der BUND-Forderung, dass die Flughäfen ihre Slots für Starts und Landungen von Flugzeugen nur noch gegen Entgelt vergeben.

Allerdings vermisst der Volkswirt im Konzept des BUND das Vorhaben der Flughafenbetreiber, 2050 klimaneutral zu sein. "Zwar muss die Bundesregierung noch die Voraussetzungen dafür schaffen, damit das einen Zusatz-Effekt hat, aber dass die Flughäfen in Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität vorangehen wollen, ist positiv", sagt Luhmann gegenüber Klimareporter°.

"Inlandsflüge gehören abgeschafft"

Eine weitere Forderung des BUND: Bis 2025 sollen Ultrakurzstreckenflüge innerhalb Deutschlands vollständig auf die Schiene verlagert werden. Distanzen, die innerhalb von vier Stunden oder weniger mit der Bahn zu erreichen sind, sollen nicht mehr von den Airlines angeboten werden. Mehr als die Hälfte der innerdeutschen Flüge waren 2018 solche Ultrakurzstreckenflüge.

Emissionen der Luftfahrt

Über 900 Millionen Tonnen CO2 stieß der weltweite Flugverkehr 2019 aus. Das entspricht 2,4 Prozent der globalen CO2-Emissionen, Tendenz steigend.

Bei dem Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung läuft die Umweltorganisation mit dem Vorschlag offene Türen ein. "Innerdeutsche Flüge gehören abgeschafft", sagt Knie.

Auch für die Fluggesellschaften seien Flüge innerhalb Deutschlands ökonomisch unsinnig – hinzu kämen die ökologischen Konsequenzen. "Jetzt, wo das Flugaufkommen ohnehin sehr niedrig ist, ist die Gelegenheit günstig, das Fliegen innerhalb von Deutschland einzustellen", so Knie gegenüber Klimareporter°. Diese Chance müsse man nutzen.

Airlines zahlen keine Treibstoffsteuern

Abgeschafft gehören aus Sicht des BUND auch die verdeckten Subventionen der Luftfahrtindustrie. Stattdessen müsse der EU-Emissionshandel reformiert und eine Kerosinsteuer eingeführt werden. Dabei sollten alle internationalen Flüge wieder in den Emissionshandel aufgenommen und Zertifikate nur noch versteigert werden. Bislang werden die Zertifikate nur für innereuropäische Flüge verlangt.

Nach dem Willen des BUND soll sich die Bundesregierung – wie Vorreiterstaaten in Skandinavien – außerdem einer Initiative für eine internationale Kerosinsteuer anschließen. Frankreich, Spanien, die Niederlande und Deutschland seien für mehr als 50 Prozent der Flugverkehrsemissionen in der EU verantwortlich und könnten mit einer Kerosinsteuer gemeinsam zum Vorbild werden.

50 Cent je Liter Kerosin schlägt der BUND vor. "Der Flug in die Dominikanische Republik würde dann 200 Euro teurer", rechnet Werner Reh, Sprecher des BUND-Bundesarbeitskreises Verkehr, vor. Das sei ein wichtiger Schritt für den Klimaschutz.

Auch die Kerosinsteuer hält Verkehrsforscher Knie für längst überfällig. "Noch immer gelten die Regeln des Chicagoer Abkommens für die zivile Luftfahrt von 1946, ganz im Sinne eines 'freien Himmels für freie Flugzeuge'", sagt Knie. Darüber müsse heute neu diskutiert werden.

Die Verkehrsexpertin Jo Dardenne von der europäischen Umweltorganisation Transport and Environment (T&E) sieht das genauso. "Heute zahlen die Fluggesellschaften keinen einzigen Cent Steuern auf ihren Treibstoff und erhalten die Hälfte ihrer umweltschädlichen Genehmigungen im Rahmen des europäischen Emissionshandels kostenlos", kritisiert Dardenne gegenüber Klimareporter°.

Der Übergang zur vollständigen Versteigerung der Zertifikate und zur Besteuerung von Kerosin sei ein entscheidender Schritt zu einer effektiven Preisgestaltung im Hinblick auf die Klimaauswirkungen des Luftverkehrs. Deutschland könne sich schon heute bilateral mit anderen europäischen Ländern darauf einigen, Flugtreibstoff zu besteuern, um die Emissionen des Luftverkehrs korrekt zu bepreisen und einen fairen Wettbewerb mit saubereren Verkehrsträgern wie der Bahn zu gewährleisten, findet Dardenne.

Umweltorganisationen lehnen Corsia-Mechanismus ab

Vom Ausgleichs- und Einsparmechanismus Corsia, den die Luftfahrtindustrie selbst für sich entwickelt hat, um ihre klimaschädlichen Emissionen in den Griff zu bekommen, halten die Umweltschützer:innen nichts. Die Bundesregierung soll das entsprechende Abkommen deshalb ablehnen, fordert der BUND.

Im Rahmen von Corsia sollen die Treibhausgasemissionen der Luftfahrt auch künftig wachsen dürfen. Alle Emissionen, die den Vergleichswert von 2020 übersteigen, sollen woanders kompensiert werden. Dafür braucht es handelbare Zertifikate.

BUND-Experte Reh fürchtet aber, dass Länder wie Brasilien oder China für ein solches "Offsetting" kaum anspruchsvolle Vorgaben machen werden. Sie hätten dann einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Ländern mit höheren Standards.

Dardenne von T&E pflichtet Reh bei: "Die umweltpolitische und finanzielle Schwäche von Corsia aufgrund des erwarteten Überangebots an fragwürdigen Ausgleichszahlungen stellt eine direkte Bedrohung für die europäischen Klimaverpflichtungen im Rahmen des Paris-Abkommens dar."

"Eine internationale Steuer dauert zu lange"

Volkswirt Luhmann sieht dagegen mit Skepsis, dass der BUND sämtliche Bepreisungs-Instrumente mit Zertifikaten ablehne – nicht nur Corsia, sondern eigentlich auch die Einbeziehung in den europäischen Emissionshandel.

Die internationale Steuer auf den Flugzeugtreibstoff, die der BUND stattdessen fordert, betreffe heute zwar das fossile Kerosin. Werde aber künftig CO2-neutraler Treibstoff eingesetzt, "dann ist unklar, was besteuert werden soll", bemängelt Luhmann.

Bis aus der Steuer etwas werden könne, brauche es außerdem viel Zeit. "Zeit ist aber heute ein sehr knappes Gut in der Klimapolitik", so der Ökonom. Zunächst müsse überhaupt ein Subjekt für die Steuer außerhalb der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO gefunden werden.

"Und eigentlich ist klar, dass die internationale Kerosinsteuer spätestens dann an demselben Widerstand scheitern wird, an dem die EU mit der Einforderung von Zertifikaten über die gesamte Strecke auf internationalen Flügen im Jahr 2013 eingeknickt ist", sagt Luhmann. Die Zeit für diesen aussichtslosen Versuch könne man sich sparen.

Redaktioneller Hinweis: Andreas Knie ist Mitglied im Herausgeberrat von Klimareporter°.

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