Ein Flugzeug ist von oben zu sehen, wie es über eine bergige Landschaft fliegt.
Die Treibhausgas-Emissionen im Flugverkehr steigen. (Foto: Jim Ross/​NASA/​Wikimedia Commons)

Dass die weltweite Luftfahrtbranche sich selbst zu wirkungsvollem Klimaschutz verpflichtet, ist nach dem letzten Treffen Ende Juni in Montreal unwahrscheinlicher geworden.

Im Herbst 2016 hatte die ICAO, die Luftfahrtorganisation der Vereinten Nationen, ihre Antwort auf den Klimawandel und die steigenden Emissionen im Luftverkehr beschlossen: Corsia, kurz für Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation – also in etwa CO2-Verrechnungs- und Minderungs-Plan für die internationale Luftfahrt.

Der Grundsatz dieses Mechanismus ist CO2-neutrales Wachstum. Die Emissionen der Luftfahrt sollen auf dem Niveau von 2019 bis 2020 eingefroren werden. Durch den Einsatz alternativer Treibstoffe soll das Wachstum der Klimagas-Emissionen gebremst und der große Rest durch Offsetting – also Verrechnung – ausgeglichen werden. Dieses Offsetting soll nach dem Prinzip funktionieren, dass die Emissionen des Flugverkehrs durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert werden.

Bevor aber ab 2021 tatsächlich Emissionen reduziert oder ausgeglichen werden, muss noch eine Vielzahl an Regeln ausgehandelt werden – und diese Details entscheiden letztendlich, ob Corsia ein Erfolg für den Klimaschutz wird oder nicht. Die Entwicklung der vergangenen Wochen und Monate geht aber in die falsche Richtung.

Zunächst einmal wurde im Herbst 2017 ein Großteil der Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe gestrichen. Ursprünglich waren zwölf Sozial- und Umweltkriterien vorgesehen, es verblieben jedoch nur zwei, nachdem unter anderem Regeln zu Landrechten, Lebensmittelsicherheit, Arbeitsrecht und Biodiversität abgelehnt worden waren.

Tricks mit "sauberem" Kerosin und alten Ausgleichsprojekten

Vor zwei Wochen in Montreal wurde dann die Definition alternativer Kraftstoffe noch weiter aufgeweicht. So wurde dort auf einer ICAO-Sitzung entschieden, auch fossile Brennstoffe künftig als "sauber" zu bezeichnen, wenn etwa das Kerosin unter Einsatz von erneuerbaren Energien raffiniert wurde.

Zur Person

Gregor Jaschke studierte Sozialwissenschaften in Köln und Nachhaltige Entwicklung in Leipzig. Zurzeit ist er am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) tätig. (Foto: privat)

Die Entscheidung darüber, welche Arten von Offsets zulässig sind, sowie die endgültige Entscheidung über alternative Kraftstoffe wurden zwar bis zum Herbst dieses Jahres vertagt. Mehrere Nichtregierungsorganisationen haben allerdings bereits ihre Besorgnis ausgedrückt, dass dies den Mechanismus weiter schwächen könnte.

Ein besonders kritischer Punkt ist dabei die sogenannte "vintage restriction" – eine Regel, nach der nur Emissionsminderungen neueren Datums angerechnet werden dürfen. Eine solche Klausel könnte verhindern, dass ältere Projekte aus dem Clean Development Mechanism (CDM) genutzt werden, bei denen es fragwürdig ist, ob sie tatsächlich zu zusätzlichen Emissionsminderungen geführt haben. Sollte eine solche Regel nicht verabschiedet werden, gäbe es genügend alte Projekte, um die Emissionen bis 2035 auszugleichen – wohlgemerkt ohne dass tatsächlich weitere Treibhausgase vermieden werden.

Zur Person

Reimund Schwarze ist Professor für Internationale Umweltökonomie an der Frankfurter Viadrina, Forscher am UFZ in Leipzig und Berater von Klimareporter. (Foto: UFZ)

Auch bei den Regierungen einiger europäischer Staaten wächst die Besorgnis über die Entwicklungen bei Corsia. Die europäische Dachorganisation Transport and Environment (T&E) veröffentlichte Dokumente von Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Österreich, Finnland, Norwegen und Portugal, wonach diese Länder ihre Beteiligung an Corsia überdenken wollen, falls die Umweltstandards weiter verwässert werden.

Nach Informationen von T&E sind auch Deutschland, Polen, Rumänien und Slowenien zu einem solchen Schritt bereit.

Es gab jedoch auch Fortschritte bei den jüngsten Verhandlungen der ICAO. Die Vertreter konnten sich auf Regeln zu Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung einigen. Das war dringend nötig, weil Fluglinien ab Anfang 2019 ihre Treibhausgasemissionen erfassen und melden müssen.

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