Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach hat kürzlich bestätigt, was viele schon ahnten: So viel Regen gab es in Deutschland noch nie, zumindest nicht seit Messbeginn anno 1881. Die zwölf Monate von Juli 2023 bis Juni 2024 waren so niederschlagsreich wie noch keine andere solche Zeitperiode bisher.
Die Auswertung der Wetterstationen zeigte, dass, gemittelt über ganz Deutschland, rund 1.070 Liter pro Quadratmeter fielen. Das war ein sattes Drittel mehr als der Mittelwert für Niederschläge, wie er in der üblichen 30-jährigen Referenzperiode 1961 bis 1990 gemessen wurde. Normal wären demnach 789 Liter pro Quadratmeter gewesen.
Angesichts der Wassermassen, die vom Himmel kamen, verblasst bei vielen die Erinnerung an die Trocken- und Hitzejahre, die Deutschland besonders seit 2018 hinter sich hat. Unterschiedlicher könnten die Bilder kaum sein: Auf Jahre mit viel zu wenig Niederschlägen, vor allem 2018 bis 2020 und 2022, folgte eine extrem nasse Periode.
Überschwemmungen und abgesoffene Felder statt ausgetrockneter Flüsse und Äckern mit vertrockneten Pflanzen. Doch der Wechsel von "trocken" zu "nass" in den extremen Ausprägungen, wie jetzt erlebt, verdeutlicht noch einmal, wie wichtig eine bessere Anpassung an das Extremwetter ist, das durch den Klimawandel häufiger wird.
Regenwasser speichern statt abführen
Viele Städte und Gemeinden haben die Herausforderungen schon erkannt und sind hier bereits aktiv, da Extremereignisse wie Starkregen, Hitze und Trockenheit die Menschen und die Infrastruktur in den Kommunen immer stärker belasten.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat jetzt in diesem Zusammenhang noch einmal auf das Leitbild der "Schwammstadt" hingewiesen, das möglichst überall Einzug halten solle.
Ziel dabei ist es, urbane Räume so umzugestalten, dass sie den Regen quasi speichern, statt ihn sofort über die Kanalisation in die Flüsse abzuführen. Das Niederschlagswasser kann so im Wasserkreislauf gehalten werden – etwa durch Pflanzenbewuchs und unversiegelte Böden – und steht gegebenenfalls wieder zur Verfügung, wenn es trocken ist.
"So können Freiräume und Stadtgrün im Fall von Starkniederschlägen Wasser zurückhalten, versickern und somit Überschwemmungen, aber auch Hitze und Trockenheit entgegenwirken", heißt es dazu beim UBA.
Behördenchef Dirk Messner verweist auf weitere positive Folgen: Die Gestaltung von Städten mit mehr Grün und mehr Wasser fördere auch Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen dort, sie steigere somit "die Lebensqualität aller Bevölkerungsgruppen".
Schwammstadt-Systeme gibt es hierzulande bereits in einigen Städten. Ein Beispiel dafür ist das Wohngebiet Rummelsburger Bucht im Berliner Bezirk Lichtenberg. Dort sorgen sogenannte Versickerungsmulden – tiefergelegte, wannenförmige Grünflächen – dafür, dass das Regenwasser bei Starkregen nicht gleich abfließt, sondern zurückgehalten wird. Die Abgabe an den Boden geschieht zeitverzögert, und das Grundwasser wird angereichert.
Zusätzlich sind fast alle Dächer in dem Wohngebiet begrünt, was den Regenablauf verzögert, ebenso wie eine Bodenschicht von 80 Zentimetern über den Tiefgaragen. An heißen Tagen wirkt das gespeicherte Wasser dann auch wie eine natürliche Klimaanlage, nämlich durch den Verdunstungseffekt. Die Temperaturen in dem Wohngebiet liegen unter denen in den umliegenden Stadtgebieten.
UBA schlägt Ergänzungen zum Anpassungsgesetz vor
Damit solche Konzepte flächendeckend umgesetzt werden können, müssen laut UBA aber noch eine Reihe rechtlicher, organisatorischer und finanzieller Hemmnisse ausgeräumt werden – in den Kommunen und im Bund.
Immerhin ist am 1. Juli das Klimaanpassungsgesetz in Kraft getreten, das die Klimawandel-Anpassung durch Bund, Länder und Gemeinden systematisch und möglichst flächendeckend voranbringen soll. Laut dem neuen Gesetz müssen die Bundesländer dafür sorgen, dass ihre Landkreise und Kommunen Risikoanalysen erarbeiten, auf deren Grundlage lokale Klimaanpassungskonzepte und konkrete Maßnahmepläne vorzulegen sind.
Ergänzend schlägt das UBA ein Set von weiteren Politikinstrumenten vor. So solle das Wasserhaushaltsgesetz ergänzt werden durch eine Vorschrift, das Niederschlagswasser als lokale Ressource stärker zu nutzen. Außerdem sollten der Fachbegriff "grün-blaue Infrastruktur" sowie Schwammstadt-Maßnahmen zur Minderung von Klimarisiken und zur Verbesserung des lokalen Wasserhaushalts in das Baugesetzbuch integriert werden.
Da der Umbau zu Schwammstädten zudem nur unter Mitwirkung privater Unternehmen und Personen gelingen könne, seien Anreize dafür erforderlich – etwa durch die Integration von Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen in Programme zum klimaresilienten Bauen.
Ein Blick ins Klimaarchiv des Deutschen Wetterdienstes zeigt übrigens, dass die Daten seit Messbeginn 1881 eine leichte Zunahme der jährlichen Niederschlagsmengen in Deutschland zeigen. Allerdings komme es immer wieder zu einem Wechsel zwischen trockenen und feuchten Perioden, so der DWD.
Die Trockenheit der vergangenen Jahre wurde nun durch eine sehr feuchte Zwölf-Monats-Periode abgelöst, die das aufgelaufene Niederschlagsdefizit mit jedem Monat weiter reduziert hat. DWD-Experte Frank Kaspar dazu: "Der Niederschlag zeichnet sich durch eine hohe Variabilität sowohl von Jahr zu Jahr als auch über längere Zeiträume hinweg aus."
Mit anderen Worten: Alle müssen sich immer auf alles einstellen.