Drei Windradtürme liegen nebeneinander auf dem Boden, ein vierter ist neben einem Kiefernforst schon aufgerichtet.
Windkraft-Baustelle: Der Zubau an Land soll wieder Fahrt aufnehmen. (Foto: Tobias Arhelger/​Shutterstock)

Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich jetzt schon sagen, dass im EEG 2021, dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz, ein Ziel nicht zu finden sein wird: 75 Prozent Ökostrom-Anteil am Strommarkt im Jahr 2030.

Den Drei-Viertel-Anteil anzupeilen – dafür sprach sich die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin gestern bei der Vorstellung eines Positionspapiers des Erneuerbaren-Branchenverbandes BEE zu der EEG-Novelle aus.

Um ein Verfehlen der deutschen Klimaziele und eine "Ökostromlücke" zu vermeiden, müsse das Ausbautempo bei den erneuerbaren Energien deutlich erhöht werden, sagte Kemfert. Dafür seien jährliche Zubaumengen von 9.800 Megawatt Photovoltaik, 5.900 Megawatt Windkraft an Land und 25.000 Megawatt Offshore-Wind in der gesamten Dekade bis 2030 notwendig.

Im Unterschied dazu verfolgt die Bundesregierung mit dem EEG 2021 eher das Anliegen, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dem bereits beschlossenen Ziel eines 65-Prozent-Anteils beim Ökostrom 2030 näher zu kommen. Dazu ist die Koalition offenbar zu einigen Zugeständnissen bereit.

So soll laut einem Bericht der Tageszeitung Taz vor allem der Ausbau der Windenergie an Land deutlich zulegen: Im Schnitt der Jahre 2021 bis 2028 sollen jeweils jährlich 4.000 Megawatt hinzukommen. Wegen des nötigen planerischen Vorlaufs soll dabei die Zubaumenge von 2.900 Megawatt im Jahr 2022 auf 5.800 Megawatt 2028 steigen. Letzterer Wert würde die 5.300 Megawatt aus dem bisher besten Windausbau-Jahr 2017 noch übertreffen.

Mehr Ausbau als bisher geplant soll es mit dem EEG 2021 laut Taz auch beim Solarstrom geben: Hier soll die jährlich ausgeschriebene Leistung für Anlagen auf Freiflächen und großen Gebäuden von 2.100 Megawatt im Jahr 2021 auf 2.800 Megawatt 2028 steigen.

Dazu sollen kleine Dachanlagen kommen, die wie bisher über eine feste Einspeisevergütung gefördert werden. Hier wird ein jährliches Plus von 4.600 bis 5.600 Megawatt angepeilt.

Die von Kemfert für notwendig erachteten Ausbauziele für den 75-Prozent-Anteil sind davon freilich noch ein ganzes Stück entfernt.

Der Branchenverband BEE selbst folgt in seinem Positionspapier beim Ausbau eher Kemfert als der Bundesregierung und verlangt ein jährliches Plus von 4.700 Megawatt Wind an Land, 2.000 Megawatt Wind auf See (bis 2030 also gut 20.000 Megawatt) sowie 600 Megawatt Bioenergie.

Keine unüberbrückbaren Gegensätze

Bei anderen Punkten, die mit dem EEG 2021 geregelt werden sollen, liegen Ökoenergiebranche und Bundesregierung gar nicht so weit auseinander. So fordert der BEE, den von Minister Peter Altmaier (CDU) höchstselbst schon im Oktober 2019 vorgelegten 18-Punkte-Windakzeptanz-Plan umzusetzen – was selbstredend auch das Wirtschaftsministerium vorhat.

Branche und Regierung stimmen auch darin überein, die Windkraft im Süden Deutschlands, wo die Winde meist nicht so stark wehen, besser zu fördern – mittels eines Regionalbonus oder Südbonus. Diese Projekte können dann mit einem Preisvorteil in die Ausschreibungen gehen.

Wie die Bundesregierung will der Branchenverband die Photovoltaik-Förderung neu justieren. Zwar spricht sich der BEE dagegen aus, auch Solar-Dachanlagen künftig über Ausschreibungen zu fördern, plädiert aber ebenfalls dafür, den Markt "sinnvoll" aufzuteilen.

Anlagen mit weniger als 1.000 Kilowatt Nennleistung sollen dabei wie bisher eine feste Vergütung erhalten, während Freiflächenanlagen mit mehr als 1.000 Kilowatt weiterhin in die Ausschreibung sollen. Beide Segmente sollen nach dem Willen des BEE dann jährlich um 5.000 Megawatt wachsen.

Im Bereich Prosumer verlangt der Erneuerbaren-Verband, die EEG-Umlage für selbst erzeugten und dann selbst verbrauchten Strom "zwingend" abzuschaffen. Dasselbe soll für den Eigenverbrauch im Rahmen solarer Mieterstrommodelle gelten. Zwar will auch die Bundesregierung etwas für die Prosumer tun – in welchem Umfang, ist aber noch nicht klar.

Etwas vorsichtig agiert der BEE bei seinen Vorschlägen, wie Windanlagen, die ab Ende 2020 die EEG-Förderung verlieren, weiterbetrieben werden können. So fehlt im Positionspapier des Verbandes eine Angabe, wie viel Cent der Erzeuger für seine eingespeiste Kilowattstunde Windstrom vom Netzbetreiber künftig bekommen soll.

Der BEE verweist hier nur auf eine Berechnung der Fachagentur Windenergie an Land. Die hatte ermittelt, dass die sogenannten Post-EEG-Windanlagen Betriebskosten von 3,63 bis 4,6 Cent je Kilowattstunde haben.

Ohne sich konkret festzulegen, schlägt der BEE für die Post-EEG-Anlagen eine kurzfristige Überbrückung in Form eines "anzulegenden" Werts für die nächsten zwei bis drei Jahre vor. Was im Kern wohl heißt: Die Regierung soll einen auskömmlichen Wert um die vier Cent für die Kilowattstunde Windstrom festschreiben, damit es sich auch ohne Förderung lohnt, die Räder weiterlaufen zu lassen.

Ähnlich unkonkret fallen die BEE-Forderungen auch bei der Photovoltaik aus, wenn diese demnächst nach 20 Jahren das Förderende erreicht. Ziel sei es, diese sogenannten Ü20-Solaranlagen für mindestens zehn weitere Jahre zu betreiben. Für eine Konkretisierung der Empfehlungen verweist der BEE auf ein Positionspapier des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar).

Allerdings ist eine konkrete Centangabe auch dort nicht zu finden. Der Solarverband spricht bei den Ü20-Anlagen nur recht allgemein davon, dass die Erzeuger von Umlagen und Abgaben für selbst konsumierten Solarstrom freigestellt werden sollen und ein fairer Marktpreis für den eingespeisten Strom zu zahlen sei. 

Nun, was ein fairer Preis ist – da dürften noch einige Diskussionen zwischen Branche und Regierung hin und her gehen.

Ergänzung um 11:30 Uhr: Der Referentenentwurf zum EEG 2021 liegt Klimareporter° vor. Eine Einschätzung ist in Vorbereitung.

Redaktioneller Hinweis: Claudia Kemfert vom DIW gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.

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