Blattgrün gestrichene Wand, vor der eine Aluminiumleiter aufgestellt ist, auf der Leiter-Ablage liegt der offenbar verwendete Pinsel.
Fertig! Eben war hier noch fossiles Braun und Schwarz zu sehen. (Foto: Jarrett Tilford/​Pixabay)

"Die deutsche Braunkohlenindustrie ist für knapp 0,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Seit 1990 wurden die CO2-Emissionen um mehr als 60 Prozent reduziert. Die Braunkohle leistet ihren Beitrag zur Energiewende, aber der Rest der Welt muss mitmachen."

Das ist einer von drei Sprüchen, mit denen der Deutsche Braunkohlen-Industrie-Verein (Debriv) die Besucher seiner Website begrüßt. So kennt man seine Braunkohlelobby. Schnörkellos werden Afrika, ganz Asien und viele andere Regionen zum "Rest der Welt" erklärt, der auch mal was tun müsse – obwohl die CO2-Emissionen in vielen Ländern dort gering sind, gemessen am Ausstoß der deutschen Braunkohle.

Eine Zeitlang hoffte die deutsche Braunkohle, mit der sogenannten stofflichen Nutzung der Kohle, gefördert in Minitagebauen, noch eine Zukunft vor sich zu haben. Seit die Welt aber generell und Deutschland für 2045 "Net Zero", also null Emissionen, beschlossen hat, fällt die Kohle als Quelle von Kohlenstoff aus.

Schade. Gewiefte PR-Leute wären sonst sicher schnurstracks auf die Idee gekommen, den Debriv in "Zukunft Kohlenstoff" umzubenennen.

Erdgas sichert sich Zukunft

Bei der Braunkohlelobby wird das aus anderen Gründen, die noch zu erläutern sein werden, wohl nicht mehr passieren. Doch in Deutschland grassiert die – man mag das Wort gar nicht mehr gebrauchen – Seuche der grünen Umbenennung.

Weithin bekannt ist die Namensverkürzung, die die hiesige Erdgaslobby Anfang vergangenen Jahres vornahm. Aus dem Verein "Zukunft Erdgas" wurde "Zukunft Gas". Damit wolle der Verein weg vom reinen Image des fossilen Energieträgers Gas und hin zu regenerativen Energien wie Biogas oder Wasserstoff, hieß es anlässlich der Umbenennung.

Nun – Biogasverbände sucht man unter den Mitgliedern vergebens. Auch grünen Wasserstoff gibt es bisher nur in apothekenüblichen Mengen.

Der Verband mit dem grünen Namensanstrich konnte aber letzte Woche – nicht einmal zwei Jahre nach der Umbenennung – seinen größten lobbyistischen Erfolg feiern. "Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar", lautet einer der meistzitierten Sätze im Koalitionsvertrag der kommenden Bundesregierung.

Dabei wollte der Verband doch mit dem fossilen Rohstoff gar nicht mehr so viel zu tun haben. Da sage noch einer, so eine Neubenennung lohne sich nicht.

Erdöl heißt jetzt "irgendwas mit Energie"

Dass so etwas Nachahmer auf den Plan ruft, wundert nicht. So trat kürzlich der "En2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie" an die Öffentlichkeit.

Weil das niemand gleich versteht, liefert "En2x" die Erklärung gleich mit. Man solle das wie "n-to-x" aussprechen, es sei abgeleitet von "energy to x" – an dem Punkt fällt dann vielleicht der Groschen.

Angeknüpft wird an die schon eingeführte Symbolik von Power to X (PtX). Diese beschreibt, welch schöne Sachen sich aus Wasser und Kohlenstoff mithilfe von Ökoenergie herstellen lassen: Wasserstoff, Methan, synthetische Kraftstoffe und so weiter.

All das ist freilich für die Verbandsmitglieder von En2x noch ziemliche Zukunftsmusik, denn zu dem unaussprechlichen Dach fusionierten der bisherige Mineralölwirtschaftsverband (MWV) sowie das "Institut für Wärme und Mobilität" (IWO).

Das "Institut für Wärme und Mobilität" ist Lobbyistenjägern gut bekannt. Früher hieß es "Institut für Wärme und Öltechnik", daher stammt die Abkürzung IWO. Dabei ist es gar kein Institut, sondern ein Lobbyverband, der noch im Frühjahr dieses Jahres für den Einbau "klimaneutraler" Ölheizungen warb.

Die Werbung findet sich auf der Website von "En2x" nicht. Gäbe es dort nicht auch die gut bekannten Statistiken über Kraftstoffpreise, Tankstellen und Rohölpreise, könnte man denken, man hätte sich auf die Seite eines Öko-Start-ups verirrt.

Namensverwirrung rein zufällig?

Einen neuen Namen legte sich jetzt auch ein dritter fossiler Verband zu – und zwar die Initiative Erdgasspeicher (Ines). Ziel des schon vor einigen Jahren gegründeten Verbands ist es, durch Bündelung von Interessen die öffentliche Wahrnehmung für die Bedeutung von Erdgasspeichern im Rahmen der Energiewende zu fördern. Man setze sich für eine sichere, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung mit Erdgas ein, hieß es bei Ines.

Doch mit fossilem Erdgas öffentlich zu werben, ist – wie "Zukunft Gas" demonstrierte – so gar nicht mehr en vogue. Bei Ines stellte sich offenbar noch das Problem, dass man das eingeführte Kürzel behalten wollte.

Für die knifflige PR-Aufgabe fand sich eine elegante Lösung: Mitte Oktober beschloss die ordentliche Mitgliederversammlung einstimmig, Ines mit sofortiger Wirkung in "Initiative Energien Speichern e.V. (Ines)" umzubenennen. Voilà!

Die Umbenennung ändert natürlich nichts daran, dass die Ines-Mitglieder auf Jahre hinaus vor allem fossiles Erdgas speichern werden. Für die überall gehypten "grünen" Gase gibt es schlicht noch keine Genehmigungen.

Aber was macht das schon? Fehlende Speicherkapazitäten gelten unter Energiewendeskeptikern als das entscheidende Hindernis, um aus Kohle und Atom aussteigen zu können. Und wer da Lösungen feilbietet, gehört schon aus Prinzip zu den Guten.

Es gibt übrigens einen zum Verwechseln ähnlichen Speicherverband – den Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES). Der widmet sich dem Speichern von Ökostrom in allen Facetten, Fossiles ist kein Thema.

Künftig gilt in der Energiebranche: Auch wenn zwei fast denselben Namen haben, können sie ziemlich Entgegengesetztes tun. Da fragt man sich nur noch, ob die Verwirrung Zufall oder Absicht ist.

Es geht auch ohne Dachverband

Die grüne Umbenennung macht übrigens auch vor der Braunkohle nicht völlig halt – bloß auf andere Weise.

So ist die eine verbliebene Braunkohle-Macht in Deutschland, der RWE-Konzern, bereit, über einen früheren Kohleausstieg zu sprechen – allerdings nicht sofort. Parallel dazu verbreitet RWE die gute Nachricht, in den nächsten Jahren viele, viele Milliarden in erneuerbare Energien zu investieren.

Die andere Braunkohle-Macht ist der Eigentümer der ostdeutschen Kohleförderer und -verstromer Leag und Mibrag, der tschechische Milliardär Daniel Křetínský mit seiner Holding EPH. Diese gründete vor nicht langer Zeit die "EP New Energies", kurz EPNE. Die EPH-Tochter soll für Leag und Mibrag Erneuerbaren-Projekte in den Bereichen Sonne und Wind entwickeln.

Um ihre Braunkohle lindgrün zu färben, brauchen RWE und Křetínskýs EPH ihren Banchenverband gar nicht mehr. Das erledigen sie selbst. Da muss man auch den Debriv nicht mehr umbenennen – höchstens irgendwann noch als weltlichen Rest abwickeln, idealerweise natürlich vor 2030.

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