Der weltweite Elektrizitätsbedarf steigt derzeit so schnell wie seit Jahren nicht mehr. Die Ursachen dafür sind neben einem robusten Wirtschaftswachstum vor allem intensive Hitzewellen und die zunehmende Nutzung von Technologien, die mit Strom betrieben werden. Dazu gehören Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen, im Computerbereich aber auch die künstliche Intelligenz.
Unterdessen setzen die erneuerbaren Energien ihren rasanten Aufstieg fort, allerdings reicht dies noch nicht aus, um den CO2-Ausstoß im Stromsektor global sinken zu lassen.
Laut einer aktuellen Analyse der Internationalen Energieagentur IEA in Paris wird das Plus beim Strombedarf in diesem Jahr voraussichtlich bei vier Prozent liegen, und für 2025 wird ein ähnlicher Wert erwartet. Im letzten Jahr waren es 2,5 Prozent.
In vielen Teilen der Welt sei dabei die zunehmende Nutzung von Klimaanlagen ein wesentlicher Treiber der Stromnachfrage. Mehrere Regionen, darunter die USA, Indien und der Mittelmeerraum, waren im ersten Halbjahr dieses Jahres von starken Hitzewellen betroffen, deren Intensität dem Klimawandel zugeschrieben wird. Dies habe die Stromnachfrage erhöht und die Elektrizitätssystem belasteten, so die IEA.
Kohlestromerzeugung bleibt hoch
Trotz des starken Ausbaus von Solar- und Windenergie wird die globale Stromerzeugung aus Kohle laut dem Report nicht zurückgehen. Hintergrund ist das starke Nachfragewachstum besonders in China und Indien, wo viele Kohlekraftwerke laufen.
Für Indien erwartet die IEA ein Plus von acht Prozent, angetrieben von der gut laufenden Wirtschaft und den starken Hitzewellen, für China über sechs Prozent, wobei verschiedene Industriezweige boomen, darunter ironischerweise die Herstellung sauberer Energietechnologien. China ist Weltmarktführer in der Produktion von Solarzellen und -modulen.
Für die USA rechnet die Agentur mit drei Prozent mehr Stromnachfrage, da die Wirtschaft dort stetig wachse, darunter der Bereich Rechenzentren, und der Bedarf an Kühlung steige. In der EU hingegen werde die Stromnachfrage nach zwei Jahren des Rückgangs aufgrund der Auswirkungen der Energiekrise voraussichtlich nur geringfügig ansteigen.
Die starke Expansion bei Ökostrom wird laut dem Bericht dessen Anteil an der weltweiten Elektrizitätsversorgung voraussichtlich von aktuell 30 Prozent auf 35 Prozent in zwei Jahren ansteigen lassen. Die mit Sonne, Wind und Co erzeugte Strommenge werde dann erstmals die des Kohlestroms übertreffen.
Der IEA-Direktor für Energiemärkte und -sicherheit, Keisuke Sadamori, sagte dazu: "Es ist ermutigend zu sehen, dass der Anteil sauberer Energie am Strommix weiter steigt, aber dies muss viel schneller geschehen, um die internationalen Energie- und Klimaziele zu erreichen."
Gleichzeitig sei es entscheidend, die Stromnetze auszubauen und die Energieeffizienz zu erhöhen, damit der erhöhte Kühlbedarf nicht so stark auf die Stromsysteme durchschlägt.
Auch die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) in Abu Dhabi hatte im Frühjahr zusätzliche politische Maßnahmen und höhere Investitionen für den Sektor gefordert, trotz des Rekordwachstums bei den Ökoenergien im vergangenen Jahr. Unter diesen Voraussetzungen sei eine Verdreifachung der grünen Stromerzeugung bis 2030, wie von der letzten Weltklimakonferenz in Dubai gefordert, technisch machbar und wirtschaftlich tragfähig.
Bis 2030 ist dafür laut Irena ein jährlicher Leistungszuwachs erneuerbarer Energien von im Schnitt knapp 1,1 Millionen Megawatt nötig, mehr als doppelt so viel wie beim Rekordwert von 2023, der 473.000 Megawatt betrug. Die jährlichen Investitionen dafür müssten sich bis 2030 von 570 auf 1.550 Milliarden US-Dollar erhöhen.