Die Berichterstattung über die Klimakrise hält selten gute Nachrichten parat. Wie auch? Es geht schließlich um eine Krise von planetarem Ausmaß.
Ganz so einseitig ist die Nachrichtenlage bei der Energiewende nicht. Es ist ein Vor und Zurück – auf jede gute Nachricht folgt eine schlechte Nachricht folgt eine gute und so weiter.
So liest sich auch der neue Bericht "Statistical Review of the World Energy" des Londoner Thinktanks Energy Institute. Angefangen mit der schlechten Nachricht: Der weltweite Energieverbrauch stieg 2023 um zwei Prozent auf 620 Exajoule, einen neuen Höchstwert.
Ein Exajoule entspricht einer Trillion Joule – eine Zahl mit 18 Nullen.
Die gute Nachricht: Zum ersten Mal in der Geschichte stammte der Zuwachs zu einem großen Teil von Wind- und Solarenergie. Zusammen deckten die beiden Erneuerbaren 40 Prozent des Anstiegs ab.
Allerdings stieg auch die Energiegewinnung aus Erdöl und Kohle auf ein Rekordhoch. Öl trug 39 Prozent und Kohle 20 Prozent zu dem zusätzlichen Energieverbrauch bei. Wenig überraschend erreichten damit auch die Treibhausgasemissionen neue Höhen und überstiegen zum ersten Mal 40 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent.
Der Verbrauch von Erdgas als Energielieferant blieb in etwa auf Vorjahresniveau.
Ein ähnliches Auf und Ab gibt es auch mit Blick auf Deutschland. Während die Photovoltaik dieses Jahr erneut auf gutem Wege ist, ihr Ausbauziel zu erreichen – Stand heute ist schon gut die Hälfte des Weges geschafft –, will es beim Ausbau der Windkraft nicht so recht vorangehen.
"Wir werden das Ausbauziel dieses Jahr verfehlen"
Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass dieses Jahr Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von 6,9 Gigawatt gebaut werden soll. Bisher, kurz vor Ende der ersten Jahreshälfte, sind aber gerade mal 15 Prozent davon in die Tat umgesetzt.
Festgehalten sind die Ausbauziele im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und im Windenergie-auf-See-Gesetz.
2030 sollen demnach 215 Gigawatt Solarleistung an das deutsche Stromnetz angeschlossen sein. Gegenwärtig liegt der Solarsektor bei knapp 90 Gigawatt und in den vergangenen Jahren wurde der vorgegebene Ausbaupfad stets übertroffen.
Bis 2030 soll die installierte Leistung aller Windkraftanlagen auf 145 Gigawatt steigen. Sie liegt heute bei etwas über 70 Gigawatt und hat die Vorgaben die letzten Jahre verfehlt. Dabei ist besonders bei der Windkraft an Land einiges nachzuholen.
Aus heute rund 62 Gigawatt sollen bis Ende des Jahres 69 Gigawatt Windkraft an Land werden. "Das Ausbauziel für 2024 werden wir verfehlen. Das steht bereits fest", erklärt Jürgen Quentin, Referent für Energiewirtschaft bei der Fachagentur Wind- und Solarenergie.
In den ersten fünf Monaten von Januar bis Mai kam sogar etwas weniger dazu als im Vorjahr. Vor allem im April und Mai schwächelte der Ausbau.
Hoffnung macht hingegen die Entwicklung der Genehmigungen. In den ersten fünf Monaten wurden mit 3.400 Megawatt knapp 50 Prozent mehr Wind-Kapazität an Land genehmigt als im selben Zeitraum des Vorjahres.
Zehn von 70 Gigawatt Windkraft sind im Rentenalter
Bis Jahresende, schätzt Quentin, könnten zwischen acht und 11,5 Gigawatt genehmigt werden. Damit könnten 2024 sogar die 9,4 Gigawatt des bisherigen Spitzenjahres 2016 überflügelt werden.
Mit einer Inbetriebnahme der Anlagen ist Quentin zufolge 2026 zu rechnen. "Die Erfahrung zeigt, dass zwischen Genehmigung und einer laufenden Anlage gut zwei Jahre liegen." Wenn sich der Trend bei den Genehmigungen allerdings fortsetzt und sich dies in den Ausbauzahlen niederschlägt, ist für den Experten auch das ambitionierte 2030er Ziel durchaus noch erreichbar.
Neben dem Ausbau sind allerdings auch die Stilllegungszahlen von Bedeutung. Diese sind jedes Jahr seit 2017 gestiegen. In diesem Jahr liegen sie mit 145 Megawatt im ersten Quartal auf Vorjahresniveau.
Im Durchschnitt beträgt die Lebensdauer einer Windkraftanlage etwa 19 Jahre. Gegenwärtig haben Anlagen im Gesamtumfang von zehn Gigawatt ein Alter von mindestens 20 Jahren erreicht.
In den kommenden Jahren wird also ein beträchtlicher Anteil der heutigen Windkapazität wegbrechen. Um das aufzufangen, müssten nicht zuletzt die großen Flächenländer im Süden Deutschlands einen Zahn zulegen.
Allein letztes Jahr übertraf der Spitzenreiter Schleswig-Holstein mit einem Windkraftzubau von 1,2 Gigawatt das besonders zögerliche Bayern um mehr als das 45-Fache.
Da jeder fünfte Quadratkilometer Deutschlands in Bayern liegt, spielt der Freistaat eine große Rolle beim Ausbau der Erneuerbaren. Jürgen Quentin: "Dieses Jahr wurden in Bayern erst vier Anlagen in Betrieb genommen. Eine verschleppte Energiewende in Bayern gefährdet die Energiewende in ganz Deutschland."