Drei Monteure in roten T-Shirts installieren Solarmodule auf einem Dach in Landshut (Niederbayern).
Warum läuft der Solarausbau auf den Dächern so schleppend? Der "Rollout" lässt auf sich warten. (Foto: Altrendo/​Shutterstock)

Vor fast genau fünf Jahren skizzierte die Umweltorganisation WWF die Vision eines solaren Rollouts für Deutschland. Die Umweltleute hatten zusammen mit dem Ökostromer Lichtblick zweitausend repräsentativ ausgewählte Bürger befragen lassen.

Mehr als ein Drittel der Befragten (37 Prozent) hielt es dabei für möglich, dass im Jahr 2030 in der Immobilie, in der sie wohnten, ein Teil des Stroms selbst erzeugt wird. 31 Prozent glaubten damals im Herbst 2015, der vor Ort erzeugte Strom werde dann auch in einer Batterie gespeichert.

Aus den Antworten der Bürger und einer begleitenden Untersuchung des Thinktanks Agora Energiewende schlossen die damals kooperierenden WWF-Lichtblicker: Die solare Stromerzeugungskapazität in Deutschland lässt sich leicht vervierfachen – von damals etwas unter 40.000 Megawatt auf 150.000 bis 160.000 Megawatt.

Das sollte größtenteils geschehen, indem eine solare Begeisterung bei den Besitzern leerer Dächer entfacht wird, speziell, indem diese sich massenhaft einen Stromspeicher zulegen und von den Vorteilen eigenen billigen Stroms profitieren. Ein Rollout auf Speicher-Rädern – so lässt sich die Idee beschreiben.

Zwar legte sich, wie vom Thinktank erhofft, in der Folgezeit jeder Zweite, der sich eine Solaranlage aufs Dach setzen ließ, auch einen Speicher zu. Das Tempo für eine solare Vervierfachung wurde aber nicht mal ansatzweise erreicht. Ende 2019 waren in Deutschland erst knapp 50.000 Megawatt Photovoltaik installiert.

Der allseits verträgliche Ökostrom-Ausbau

Doch der Traum von einem solaren Rollout ist nicht totzukriegen. Belebt wurde er gerade wieder durch die Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Der Ökostromer hatte das Beratungsunternehmen Energy Brainpool mit einer Studie zu solaren Kleinanlagen bis zumeist 100 Kilowatt beauftragt.

Das Ergebnis: 2030 könnten in Deutschland Kleinanlagen mit zusammen 140.000 Megawatt installiert sein. Ihr Anteil an der inländischen Stromerzeugung würde sich von derzeit sechs auf rund 19 Prozent in etwa verdreifachen. Zusammen mit größeren Anlagen, vor allem auf Freiflächen, wären bundesweit 170.000 solare Megawatt möglich.

Energy Brainpool hat sich dafür zunächst angeschaut, was laut vorhandenen Studien so in den letzten Jahren an solarem Strompotenzial aufs Dach gebracht wurde. Bei ihrer Prognose zogen die Experten aber einiges ab. Sie berücksichtigten auch die Flächenkonkurrenz zu anderen Nutzungen, Schornsteine eingeschlossen, ebenso den Neigungswinkel der Dächer, deren Ausrichtung, Alter und Tragfähigkeit – und nicht zuletzt das finanzielle Vermögen und das Alter der Dachbesitzer, die sich fragen, was ihnen eine Investition einbringt, die sich erst in 15 bis 20 Jahren amortisiert.

Für den Strom vom Dach warb Energy-Brainpool-Studienautor Michael Claußner bei der Präsentation nicht allein damit, dass dieser eine weitgehend saubere Energie darstelle – immer wichtiger würden auch die Argumente, dass der solare Rollout keine zusätzlichen Flächen verbrauche und mehr bürgerschaftliche Teilhabe am Ökostrom-Ausbau ermögliche, was beides die Akzeptanz der Energiewende steigere.

"Politik und Markt müssen gemeinsam handeln"

Es ist schon auffällig, dass bei so unterschiedlichen Herangehensweisen wie von WWF/​Lichtblick und EWS/​Energy Brainpool am Ende eine ähnliche Größenordnung für den solaren Rollout steht. Von einem solchen kann man offenbar sprechen, wenn mindestens 150.000 Megawatt bis 2030 zusammenkommen.

Mehrstöckige Neubaublöcke mit Flachdach, darauf Solarmodule.
So soll's aussehen: Mieterstromanlage von EWS, Bürgerenergie Berlin und Wohnungsgenossenschaft Neukölln. (Foto: Christopher Rowe)

Gewollter Nebeneffekt dabei: Deutschland würde sein Ziel erfüllen, den Anteil des Ökostroms auf 65 Prozent zu steigern, selbst wenn der Stromverbrauch höher liegt, als die Bundesregierung derzeit annimmt.

Wie schon das Schicksal der Speicher-Idee von WWF/​Lichtblick zeigte, ist der Rollout kein Selbstläufer. Michael Claußner von Energy Brainpool wies bei der Präsentation darauf hin, dass die Studie keine Rentabilitätsbetrachtungen enthalte. Politik und Markt müssten gemeinsam dafür sorgen, dass der Solarausbau stattfinde, so Claußner.

Damit es mit dem Rollout klappt, ist aus seiner Sicht ein "ambitionierter" CO2-Preis von knapp 80 Euro je Tonne im Jahr 2030 nötig, des Weiteren eine Photovoltaik-Pflicht für Neubauten, ein deutlich vereinfachtes Mieterstrommodell sowie Energy Sharing. Auch sollten Fördermittel stärker dafür eingesetzt werden, gerade Kleinanlagen zu vernetzen.

Den Fans des solaren Rollouts läuft allerdings die Zeit davon. 2015 hätte noch ein jährlicher Zubau von deutlich unter 10.000 Megawatt gereicht, um 2030 da zu sein, wo man hinwill. EWS und Energy Brainpool halten nunmehr in den ersten Jahren einen Zubau von jeweils 12.000 Megawatt und ab 2027 sogar von 14.000 Megawatt für nötig.

Das liegt weit jenseits von allem, was die Bundesregierung in ihrem EEG 2021 dem Solarstrom zugestehen will. Sie verwaltet höchstens einen solaren Status quo.

Redaktioneller Hinweis: Ralf Schmidt-Pleschka von Lichtblick gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.

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