Blick über ein Feld auf das Atomkraftwerk Isar 2, das seit 15. April 2022 vom Netz ist.
Bayern wollte seinen Atomreaktor Isar 2 gerne weiterlaufen lassen, weil die CSU-Regierung den Windkraft-Ausbau schon vor Jahren gestoppt hat. (Bild: Ulrike Leone/​Pixabay)

Vor knapp einem Jahr sind in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet worden, nämlich Emsland (Niedersachsen), Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) und Isar 2 (Bayern). Diese lieferten zuletzt rund sechs Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms.

Der Ausstieg war damals heftig umkämpft und auch innerhalb der Ampel-Bundesregierung umstritten. Eine aktuelle Analyse zeigt jedoch, dass die Sorgen bezüglich der Folgen für Klima und Strompreis unberechtigt waren.

Danach hat die Stromerzeugung in Deutschland im ersten Jahr ohne Atomstrom aus hiesigen Anlagen weniger Treibhausgase verursacht und ist günstiger sowie sicherer geworden als im Vorjahreszeitraum. Allerdings wird weiterhin Atomstrom genutzt, nämlich importierter, allerdings weniger als 2022.

Der Atomausstieg war 2011 nach dem Super-GAU im japanischen Fukushima von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung beschlossen und parteiübergreifend im Bundestag abgesegnet worden. Enddatum für die letzten drei von ehemals 19 Leistungs-AKW: Ende Dezember 2022.

Angesichts der Energiekrise und einer Strompreis-Explosion, verstärkt durch Putins Angriff auf die Ukraine seit Februar, setzten dann aber heftige Debatten über die Sinnhaftigkeit dieses Schritts ein. Die Opposition von Union und AfD, aber auch in der Ampel die FDP forderte, die Laufzeiten wieder zu verlängern.

Vor allem die Grünen lehnten das ab, und der Konflikt wurde erst durch ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gelöst. Die drei AKW wurden im "Streckbetrieb" gefahren und dreieinhalb Monate später, Mitte April abgeschaltet.

"Zeichen für funktionierenden europäischen Markt"

Das Berliner Beratungsunternehmen Enervis kommt in der jetzt vorlegten Analyse zu dem Ergebnis, dass der CO2-Ausstoß im Energiesektor seit dem Ausstieg – untersucht wurde der Zeitraum vom 16. April 2023 bis 15. März 2024 – um 24 Prozent gesunken ist.

Grund dafür seien ein Wachstum bei den erneuerbaren Energien sowie zurückgegangene Strommengen aus fossilen Energiequellen gewesen: Braunkohle minus 29 Prozent, Steinkohle minus 47 Prozent und Gas minus fünf Prozent.

Insgesamt sei die Stromnachfrage im Vergleich zum Vorjahreszeitraum lediglich um ein Prozent zurückgegangen, so Enervis. Die Studie war von der Umweltorganisation Greenpeace und der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy in Auftrag gegeben worden.

Die Untersuchung geht auch darauf ein, dass Deutschland im Jahr nach dem Ausstieg mehr Strom aus dem Ausland bezog. Dieser Importüberschuss von rund 20,6 Milliarden Kilowattstunden sei nicht Folge von Engpässen im nationalen Kraftwerkspark gewesen, betonen die Enervis-Fachleute. Vielmehr hätten steigende Kosten für fossile Brennstoffe und CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel zur Verteuerung der fossilen Verstromung und deswegen zur verringerten Nutzung geführt.

Die Analyse habe gezeigt, dass im Betrachtungszeitraum genug Kapazitäten in Erdgaskraftwerken für zusätzliche Stromerzeugung bereitgestanden hätten, heißt es bei Greenpeace. Diese Kapazitäten seien nicht genutzt worden, da Importe günstiger waren.

"Die Stromimporte sind ein Zeichen für den funktionierenden europäischen Markt", sagte Carolin Dähling von Green Planet Energy. Etwa die Hälfte der importierten Elektrizität kam nach den Enervis-Zahlen aus erneuerbaren Quellen, jeweils rund ein Viertel stammte aus AKW und aus fossilen Kraftwerken. Der Atomstromanteil im deutschen Netz betrug danach vier Prozent.

"Nicht mehr abhängig von russischem Uran"

Die Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt rechnete unterdessen vor, dass das Plus bei den erneuerbaren Energien die Stromproduktion der drei AKW rechnerisch komplett ersetzt habe. Danach haben die Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland von April 2023 bis März 2024 zusammen 29 Milliarden Kilowattstunden mehr Strom als in den zwölf Monaten zuvor erzeugt, was ziemlich genau dem weggefallenen Atomstrom von 30 Milliarden Kilowattstunden entspreche.

Laut der Enervis-Analyse wird erwartet, dass der starke Ausbau erneuerbarer Energien Deutschland ungefähr ab 2030 zum Exporteur von grünem und günstigem Strom macht. Derzeit beträgt der Anteil von Ökostrom am Verbrauch gut 50 Prozent, 2030 sollen es nach Plänen der Ampel mindestens 80 Prozent sein.

 

Geenpeace-Atomexperte Heinz Smital bilanzierte: "Ein Jahr nach dem Atomausstieg ist Strom in Deutschland sauberer, günstiger und sicherer als zuvor." Der Ausstieg aus der Hochrisikotechnologie sei die richtige Entscheidung gewesen, er habe die Energiewende beschleunigt.

Ausgestrahlt-Sprecher Armin Simon betonte, das Abschalten der AKW habe Deutschland auch unabhängiger gemacht. "Anders als jene Länder, die noch auf Atomkraft setzen, ist Deutschland nicht mehr abhängig von russischem Uran."