Kaum standen CDU und CSU als Wahlsieger fest, ging bei der Bundestagsverwaltung eine Anfrage der Unionsfraktion mit dem Titel "Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen" ein. Hintergrund seien, wie es in der Anfrage heißt, Proteste gegen die CDU, die von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen mitorganisiert oder unterstützt würden.
Die Bundesregierung soll dazu Hunderte inhaltlich ähnliche Fragen zu demokratieorientierten Organisationen beantworten. Die Liste reicht von den Omas gegen rechts oder Campact bis zu journalistischen Organisationen wie dem Netzwerk Recherche und Correctiv.
Ziel der Anfrage sind auch Verbände wie Greenpeace, BUND, Deutsche Umwelthilfe (DUH) oder Foodwatch, die sich für den Schutz von Umwelt und Klima oder für Verbraucherrechte einsetzen. Aufgeführt sind sogar die Thinktanks Agora Agrar und Agora Energiewende.
Die betroffenen Umweltorganisationen kritisieren die Unions-Anfrage scharf. "Uns wundert es schon, dass Friedrich Merz und die Union am Tag eins nach der Wahl kein anderes Problem haben, als zu versuchen, mit solchen Anfragen die Zivilgesellschaft unter Druck zu setzen", erklärt Barbara Metz von der DUH dazu gegenüber Klimareporter°.
Die DUH-Bundesgeschäftsführerin weist die mit der Anfrage verbundenen Vorwürfe der Union zurück. Die Umwelthilfe habe praktisch alle Informationen wie Zuwendungen und Finanzen seit jeher transparent offengelegt und die Mittel satzungsgemäß für den Natur- und Umweltschutz sowie den umwelt- und gesundheitsrelevanten Verbraucherschutz eingesetzt, betont Metz.
"Wir laden Friedrich Merz gern zum Gespräch ein, um ihm zu erklären, wie wichtig eine starke Zivilgesellschaft für Deutschland ist."
Greenpeace: Anfrage zielt auf Einschüchterung unbequemer Stimmen
Die Breite der Vorwürfe und Unterstellungen aus der Anfrage habe seinen Umweltverband getroffen und irritiert, betonte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Damit erweise die Union dem demokratischen Diskurs im Lande einen "Bärendienst".
Natur- und Umweltschutzverbände übernähmen in vielen Bereichen Aufgaben, in denen der Staat zu wenig tue, so Bandt weiter. "Gern delegiert die Politik diese Aufgaben wie die Pflege von Schutzgebieten an Umweltverbände und andere Organisationen mit ihren Zehntausenden ehrenamtlichen Aktiven, die Großes für die Gesellschaft leisten."

Wie die anderen Organisationen legt Bandt Wert auf die Feststellung, dass der BUND keine Fördergelder von Bundes- und Landesregierungen für die Beteiligung an Demonstrationen einsetze.
Für die Verbraucherschützer von Foodwatch schlägt die Union mit der Anfrage "wüst um sich", wie es Geschäftsführer Chris Methmann ausdrückte. Dass Foodwatch in der willkürlich anmutenden Liste auftaucht, obwohl die Organisation bei den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus gar nicht involviert war, zeige, dass es der Union darum gehe, unbequeme Stimmen einzuschüchtern.
Man werde sich aber nicht mundtot machen lassen, betonte Methmann. Foodwatch sei parteipolitisch unabhängig und nehme weder Geld vom Staat noch von der Lebensmittelindustrie.
Für Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser stellt die Kanonade an Fragen einen "erstaunlich plumpen" Versuch der Union dar, die Zivilgesellschaft einzuschüchtern. Die kommende Bundesregierung habe einen Berg von Problemen zu lösen. Dafür brauche sie einen "breiten Rückhalt" im Land und auch in der Zivilgesellschaft. "Deshalb halten wir diesen fortgesetzten Kulturkampf für brandgefährlich", betont Kaiser gegenüber Klimareporter°.
In den vergangenen Wochen und Monaten, so Kaiser, sei Greenpeace zusammen mit Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und hunderttausenden Menschen auf die Straßen gegangen, um für demokratische Werte und gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Der Bundespräsident habe dieses gesellschaftliche Engagement ausdrücklich gelobt, die Union wolle es nun offenbar unterbinden. Kaiser: "Wir halten das für grundfalsch."
"Wir weisen auch auf problematische Politik von Parteien hin"
Auch der Deutsche Naturschutzring (DNR), Dachverband der Umweltbewegung, wendet sich – obwohl nicht selbst betroffen – gegen die Anfrage der Union. "Ohne zivilgesellschaftliches Engagement gibt es keine Demokratie", sagte DNR-Präsident Kai Niebert. "Ohne die 29 Millionen ehrenamtlich engagierten Menschen in Deutschland, davon mehr als elf Millionen in den Mitgliedsorganisationen des DNR, würden weder Gesellschaft noch Demokratie funktionieren."
Für Niebert zeigt die Anfrage von CDU und CSU ein "besorgniserregendes" Verständnis der Grundlagen der freiheitlichen Demokratie. Demokratie brauche breite Räume, in denen sich bürgerschaftliches Engagement auch außerhalb von Parteien entfalten kann, sagte er.
Zudem verbiete das Gemeinnützigkeitsrecht deshalb keine politischen Mittel wie Demonstrationen zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke. "Das politische Engagement der Menschen in unseren Mitgliedsorganisationen ist zweckgebunden, nicht parteipolitisch motiviert", stellte der DNR-Präsident klar.
Niebert weiter: "Wir machen keine Parteipolitik, aber wir weisen auf problematische Politik von Parteien hin – und zwar zum Wohle der Demokratie und zum Wohle Deutschlands und Europas." Der DNR erwarte von der CDU/CSU-Fraktion und auch von Friedrich Merz, dass diese Freiräume geschützt werden und dass verantwortungsbewusst mit Kritik umgegangen wird.