Junge Frau mit Schild
Klima-Demonstrantin in Madrid: Frauen entscheiden zu wenig mit – auch wenn es um Klimaschutz geht. (Foto: Kathrin Henneberger)

Vor zwei Wochen sendete Pro 7 den Beitrag "Männerwelten" von Joko und Klaas. Frauen berichteten darin von dem Sexismus, der ihnen entgegenschlägt, wenn sie in der Öffentlichkeit stehen oder auch nicht. Und das zur besten Sendezeit.

Cool, dachte ich mir erst mal, als ich das Video gesehen habe. Auch wenn ich die anschließende Kritik daran natürlich teile, dass keine Frauen zu Wort kamen, die zusätzlich zum Beispiel rassistisch marginalisiert werden, und auch die Kooperation mit Terre de Femmes schwierig finde.

Aber immerhin ist Sexismus als Thema präsent. "Männerwelten" hat sicher auch Menschen erreicht, die sich sonst gar nicht damit auseinandergesetzt hätten.

Und was jetzt? Das Video sei bewegend gewesen, hieß es bei vielen. Bewegend zu was? Es ist, als würde sexuelle Gewalt an Frauen immer wieder mit einem Aufschrei wiederkehren. Plötzlich wird dann einmal kurz darauf geschaut, was Frauen auf der Welt so durchmachen, ja, es ist schrecklich, jetzt können wir uns aber wieder anderen Themen zuwenden.

Das Video und die Diskussion darum erinnern mich ein wenig an die Art, wie wir über die Klimakrise sprechen. Wir reden und reden über "grünes Wachstum", "klimafreundliche Technologien" und nicht besonders anspruchsvolle Klimaziele. Und wir bei Fridays for Future werden gelobt für unser Engagement. Reden ist gut, aber es reicht nun mal bei Weitem nicht aus, vor allem nicht so einseitig.

Es fehlen die Schritte von der Diskussion, die nicht einmal die gesamte Problematik begreift, bis zur ausreichenden Handlung.

Elena Balthesen spricht in ein Mikro.
Foto: privat

Elena Balthesen

ist 18 Jahre alt und geht in die 12. Klasse einer Waldorf­schule in München. In ihrer Kolumne "Balthesens Aufbruch" macht sie sich auf die Suche nach Wegen für ihre Generation, aus der Klimakrise heraus­zu­kommen. Sie ist bei "Fridays for Future" in München aktiv.

Aber das ist nicht alles, was die zwei Themen verbindet. Sexismus trägt dazu bei, dass die Klimakrise Frauen oft stärker trifft als Männer.

Bei Naturkatastrophen überleben meist weitaus weniger Frauen als Männer, weil sie sich häufiger um Haushalt und Familie kümmern – natürlich zu Hause, wo sie schlecht an Warnsysteme angeschlossen sind. Außerdem haben sie schlechteren Zugang zu medizinischer Versorgung. Sogar die Prostitutionsrate und die Gewalt gegen Frauen steigen in solchen Krisen deutlich an.

Besonders in den ärmsten Regionen des globalen Südens haben Frauen mehr unter der Klimakrise zu leiden. Bei Armut der Familie werden die Mädchen oft zuerst aus der Schule genommen und müssen zu Hause bleiben und arbeiten. Dadurch wird ihnen ein Weg aus der Armut und hin zu einer bewussten Lebensplanung verwehrt. Und das wiederum macht es schwerer, sich an die Klimakrise anzupassen.

Klimagerechtigkeit hat viele Puzzleteile

Nicht nur bei den Folgen der Klimakrise herrscht Ungerechtigkeit. Das politische Geschehen wird größtenteils von Männern beherrscht. Nur knapp 22 Prozent aller Parlamentssitze weltweit waren 2018 von Frauen besetzt. In Deutschland waren es etwas über 31 Prozent, auch hier nicht einmal halb so viel Frauen wie Männer.

 

Frauen entscheiden also kaum mit, wenn es zum Beispiel um Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen geht. Das ist nicht nur ungerecht, sondern bringt erwiesenermaßen schlechtere Ergebnisse. Studien belegen, dass der CO2-Fußabdruck einer Gesellschaft umso kleiner ist, je besser sie bei der Geschlechtergerechtigkeit aufgestellt ist.

Klimagerechtigkeit geht Hand in Hand mit Feminismus. Weltweit sind es Mädchen und Frauen, die Klimagerechtigkeitsbewegungen anführen, sich gegenseitig ermutigen und unaufhörlich weiterkämpfen. Aber sie stoßen an gesellschaftliche Grenzen und müssen Sexismus erleben. Auch ich habe schon häufiger erlebt, nicht ernst genommen zu werden, und musste mich fragen, ob ich in der jeweiligen Situation als Mann wohl anders behandelt worden wäre.

Das sind die Grauzonen. Es ist ein Irrtum, dass man offen frauenfeindlich sein muss, um sexistisch zu sein. Genauso wie man nicht behaupten kann, nicht rassistisch zu sein, auch wenn man ganz ehrlich findet, alle Menschen seien gleich viel wert. Sexismus und Rassismus sind nicht individuell, sondern durchziehen unsere Gesellschaften strukturell. Diese Strukturen müssen wir überwinden, wenn wir Klimagerechtigkeit erreichen wollen.

Klimagerechtigkeit ist wie ein riesiges Puzzle, für das man unglaublich viele Teile braucht, die ineinandergreifen. Ein großes Puzzleteil ist es, die Erderwärmung bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu begrenzen.

Aber auch die anderen Teile sind wichtig – wie eben Geschlechtergerechtigkeit. Sonst ist das Puzzle nicht komplett. Welches Bild das Puzzle irgendwann ergeben könnte? Das weiß wohl noch niemand. Wir suchen so lange weiter nach den Teilen.

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