Für Shrada Shreejaya gehören Geschlechter- und Klimagerechtigkeit zusammen. (Foto: Svea Busse)

Auf der Klimademo am Samstag in Katowice steht Shrada Shreejaya vor dem bunten feministischen Block. "Wenn ihr nicht mehr könnt, wechselt euch ab!", ruft sie den Banner-Trägerinnen zu. Gleichzeitig verteilt sie Buttons, winkt anderen Aktivisten und checkt nebenbei ihr Smartphone.

Die junge Inderin wirkt dabei viel größer als die ein Meter sechzig, die sie ungefähr misst. Immer wieder schickt sie Leute zur Seite, damit der Schriftzug "Feminists Demand Climate Justice" gut zu lesen ist. Während ihr Kollege eine kleine Tanzperformance anleitet, bringt sie drei Frauen einen Sprechchor bei.

Auf die Frage, wie es ihr gehe, antwortet Shreejaya mit einem mäßig zufriedenen "okay", als wir uns auf den Klappstühlen zwischen Plenarsälen und VIP-Garderobe der COP 24 treffen. Ihr persönliches Wohlergehen hängt im Moment komplett vom Ergebnis der Klimakonferenz in Katowice ab. Die Vertragstexte seien noch nicht weit genug, beschwert sich die 27-Jährige. Noch sei auch ungewiss, inwiefern die Themen Gender und Menschenrechte darin auftauchen.

Ihr geht es um die ganz großen Zusammenhänge von Gesellschaft und Umwelt. Dabei hat Shreejaya eigentlich ein Faible für die kleinen Dinge. Sie studierte Biochemie, Ökologie und Umweltwissenschaften und ist besonders von der molekularen Ebene fasziniert. "Proteine finde ich wirklich spannend", erzählt sie lachend. In ihrer Masterarbeit analysierte sie den Klimaschutzplan Indiens und wurde dadurch auf die internationale Klimapolitik aufmerksam.

"Klimawandel ist nicht geschlechtsneutral"

Nach dem Studium wird sie Genderaktivistin. Die Zeit sei eine reine Achterbahnfahrt gewesen, schreibt die Aktivistin auf einem Blog. Shreejaya schließt sich der Transition-Town-Bewegung an und zieht in die spirituelle Modellstadt Auroville, wo gesellschaftliches Miteinander und Kreislaufwirtschaft gelebt werden. Als sie sich für eine Null-Abfall-Politik einsetzt, bemerkt sie, wie viel nicht recycelbarer Müll durch Binden und Tampons anfällt.

"Binden werden mit Chemikalien gebleicht und bestehen zu 90 Prozent aus Plastik", erklärt Shreejaya. "Das ist schlecht für die Umwelt und kann auch für die Frauen gefährlich sein, die solche Produkte benutzen." Für sie war das ein Aha-Moment: Ihr wurde bewusst, dass alle Umweltfragen auch eine Geschlechter-Komponente haben.

"Auch der Klimawandel ist nicht geschlechtsneutral", ruft sie. Besonders in Entwicklungsländern seien noch immer die Männer für die wirtschaftlichen Einkünfte der Familie zuständig, während die Frauen dafür zu sorgen hätten, dass täglich ausreichend Essen auf den Tisch kommt. Keine leichte Aufgabe, wenn Dürreperioden oder Starkregen die Ernten ruinieren.

Männer bekämen hingegen eher die Klimawandel-bedingten Fluktuationen der Arbeitsmärkte zu spüren und würden deshalb häufiger in andere Städte und Länder abwandern. Zurück blieben die Frauen mit doppelter Belastung – neben dem Haushalt müssen sie sich dann ebenfalls um Einkommen kümmern, um ihre Familien ernähren zu können. "Oft fehlen den Frauen Informationen oder sie sind nicht gut genug gebildet, um die Entscheidungen treffen zu können, die vorher ihre Männer übernommen haben" erläutert Shreejaya.

"Außerdem häufen sich während und nach Naturkatastrophen sexuelle Gewalt gegenüber Frauen und Menschenhandel", erklärt sie. Eine wichtige Rolle spiele auch die Religion, ebenso wie soziale Schichten, in Indien besonders das strikte Kastensystem. "Denn in Krisenzeiten sind es häufig arme Frauen ethnischer oder religiöser Minderheiten, die am meisten zu leiden haben."

Beim Asiatisch-Pazifischen Forum für Frauen, Recht und Entwicklung (APWLD) setzt sich Shreejaya seit dem vergangenen Jahr deshalb für Klima- und Gendergerechtigkeit ein. APWLD ist ein Netzwerk aus vielen kleinen Graswurzelorganisationen. Die Aktivistin unterstützt die Gruppen dabei, besser zu verstehen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Frauen und die Gemeinden vor Ort hat. Die Untersuchungen werden von den Betroffenen selbst durchgeführt, das Netzwerk liefert die nötigen Werkzeuge und Ressourcen.

Von der Molekularbiologie für den Klimaschutz lernen

Die Ergebnisse geben die Aktivisten an lokale und internationale Entscheidungsträger weiter. Auch auf der Klimakonferenz setzt sich APWLD zusammen mit anderen Organisationen dafür ein, dass die Stimmen der betroffenen Frauen auf dem internationalen Parkett gehört werden. "Uns ist wichtig, dass das Wissen direkt von den Betroffenen kommt", sagt Shreejaya, "damit nicht einfach von außen vorgegeben werden kann, welche Lösungen angeblich für die Menschen vor Ort am besten sind."

So richtig optimistisch wirkt die junge Inderin aber nicht: "Man fährt immer mit großen Hoffnungen zu den Klimaverhandlungen und leider kommt oft weniger dabei heraus, als man gedacht hat." Dabei geht es in Katowice um Themen, die einen großen Einfluss auf Frauen und Personen anderer benachteiligter Gender haben können.

Im vergangenen Jahr haben die Verhandler auf dem UN-Klimagipfel in Bonn den Gender Action Plan beschlossen, das reicht Shreejaya aber nicht. Besonders bei der Klimaanpassung und Klimafinanzierung müssten Frauen viel stärker berücksichtigt werden. Ihr ist wichtig, dass die Länder das Geld für Klimaanpassung nicht aus den Sozialbudgets herausnehmen. Gerade Frauen seien auf diese staatliche Hilfen angewiesen.

Bei Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel müsse das Wohlergehen von Menschen benachteiligter Gender beachtet werden, gerade weil die Auswirkungen unterschiedlich ausfallen. Dafür müssten alle gleichermaßen Zugang zu Informationen und Resourcen erhalten. "Alle Menschen sollten ein sicheres Umfeld haben" sagt die Aktivistin.

Auch wenn die internationale Klimapolitik den Rahmen vorgibt, glaubt Shreejaya an Veränderung, die von unten entsteht. "In der Molekularbiologie kann man sehr gut sehen, wie eine Veränderung auf der kleinsten Ebene einen Wandel auf der Makroebene nach sich zieht." Das Prinzip überträgt sie auf die Gesellschaft: "Alle können dazu beitragen, das Leben innerhalb einer Nachbarschaft zu verändern."

Wichtig ist ihr deshalb auch, als Frau aus dem globalen Süden nicht nur als Opfer dargestellt zu werden. "Wir können sehr wohl handeln und kämpfen für unsere Ziele" sagt sie entschlossen.

Auf der Demonstration ist dieser Handlungswille unverkennbar. Die Feministen erhalten mit ihren Choreografien und den großen Köpfen aus Pappmaché besonders viel Beachtung. Zumindest auf den Straßen von Katowice hat Shreejaya es geschafft, andere auf ihre Herzensangelegenheit aufmerksam zu machen.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz COP 24 in Polen finden Sie in unserem Katowice-Dossier

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