Schilder in den Händen, Kampfgeist in den Gesichtern: Schüler demonstrieren bei
Die neue Klimabewegung lässt nicht locker – in der Bundesregierung hoffen immer noch einige, sie irgendwie aussitzen zu können. (Foto: Jörg Farys/​Fridays for Future/​Flickr)

"Hoch mit dem Klimaschutz – runter mit der Kohle". Ein Wochenende liegt hinter uns, in dem die Klimakrise dort war, wo sie hingehört: in die Mitte der medialen und politischen Aufmerksamkeit.

Zu verdanken ist das den Schüler-Demonstranten der "Fridays for Future"-Bewegung, den Teilnehmern des Anti-Kohle-Aktionstags im Rheinland und den Aktivisten, die mit Besetzungen den Betrieb des RWE-Tagebaus Garzweiler gestoppt haben.

Das Ganze war ein Erfolg, denn die Mobilisierung von insgesamt rund 40.000 Menschen im großen Braunkohlerevier in Nordrhein-Westfalen zeigt, wie stark die Gefahr der Klimakrise die Bürger – und vor allem die junge Generation – umtreibt.

Die spektakuläre Besetzungsaktion einer Gruppe radikaler "Ende Gelände"-Aktivisten im Tagebau selbst dominierte die Berichterstattung in TV und Internet, weil sie die stärksten Bilder und viel Dramatik lieferte. Über die Legitimität einer solchen Blockade des Abbaubetriebs kann man streiten. Für die einen ist sie eindeutig illegal.

Andere verweisen darauf, dass die sich zuspitzende Klimagefahr, die gerade in der Geschäftspolitik von Konzernen wie RWE als größtem CO2-Produzenten Europas ihre Ursache hat, ein gutes Argument ist, solche Aktionen zivilen Ungehorsams zu tolerieren. Zumindest, solange es gewaltfrei zugeht.

"Klimaschutz machen wir später" geht nicht mehr

Hinzu kommt: Die Debatte darüber darf nicht den Blick auf die Gesamtdimension der Bewegung verstellen, die sich inzwischen gebildet hat. Die ist enorm. Sie hat das politische System der "Klimaschutz machen wir später"-Parteien positiv aufgemischt. Sogar ein schnellerer Kohleausstieg als von der Kohlekommission empfohlen ist in CDU und CSU auf einmal in der Debatte.

Die Klimastreiks der Schüler begannen vor einem halben Jahr. Die jungen Leute wollten – inspiriert von Klimakämpferin Greta Thunberg – Druck auf den Weltklimagipfel machen, der im polnischen Katowice tagte. Damals hätte niemand geglaubt, dass die Fridays-for-Future-Bewegung ein halbes Jahr durchhalten würde.

Doch das tat sie. Am vorigen Freitag schaffte sie es, rund 35.000 Jugendliche aus 16 Ländern zum gemeinsamen Protest nach Aachen zu mobilisieren. Es war die erste internationale Großdemonstration von FFF.

Man darf sicher sein, dass die Aktionen auch nach den Sommerferien weitergehen werden – wenn das Klimakabinett der Bundesregierung endlich ein Konzept für den Klimaschutz bis 2030 beschließen will, um das Debakel beim verpassten 2020er Ziel wettzumachen. Und wetten: Die Klimastreikenden werden deutlich sagen, was von dem Ergebnis zu halten ist.

Die Politik tut gut daran, nicht darauf zu spekulieren, dass der "Klimahype" wieder vergeht, wie die AfD öffentlich und andere hinter vorgehaltener Hand sagen. Die junge Generation hat begriffen: Die Klimakrise wird sie mit voller Härte treffen, während das 50-plus-Führungspersonal der Altparteien dann längst auf dem politischen Altenteil sitzt oder gar nicht mehr auf dieser Erde weilt.

Die Jugend hat das ABC des Klimawandels gelernt: Wird nicht schnell und radikal umgesteuert, ist das 1,5-Grad-Limit der Erderwärmung schon in zwei bis drei Jahrzehnten erreicht. Die Zeiten, in denen die reichen Europäer sich wie heute noch halbwegs gut an das heißere Klima anpassen können, sind dann zu Ende.

In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, also wenn die heutigen FFF-Demonstranten in der Mitte des Lebens sein werden oder in die verdiente Rente gehen wollen, droht dann das Auslösen von Kipp-Punkten im Klimasystem, die das Leben auf dem Planeten radikal zum Schlechteren verändern werden – das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien, Alaska und Nordkanada zum Beispiel, das den Treibhauseffekt weiter rasant anheizen würde.

Wer das einmal begriffen hat, wird sich nicht mehr mit Placebo-Klimapolitik abspeisen lassen, auch nicht, wenn er dereinst einem Job nachgeht, eine Familie gründet und vielleicht in eine Partei eintritt.

Am Ende zählen politische Beschlüsse

Natürlich ist es die Sorge um die eigene politische Zukunft, die Politiker vor allem der Union nun neue Töne anschlagen lässt. Der Aufschwung der Grünen hat sie schwer erschüttert. Sie haben das Schicksal der SPD vor Augen, die den Anschluss an die gesellschaftliche Realität verloren und kein Zukunftsprogramm entwickelt hat – und nun um die Zweistelligkeit bangen muss.

Plötzlich lässt Kanzlerin Merkel (CDU) durchblicken, der Kohleausstieg könne auch schon vor 2038 abgeschlossen sein, und Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) bringt sogar 2030 ins Spiel – wie es auch die Grünen fordern. So radikal wie die Forderungen der Fridays-Streikenden ist das noch nicht, aber mit Blick auf die notwendigen CO2-Ziele durchaus diskutabel.

Allerdings: Nicht solche seitlichen Ausfallschritte aus Angst vor dem Absturz an der Klima-Kante zählen am Ende, sondern politische Beschlüsse. Bisher ist nicht erkennbar, wie die Union und ihre zuständigen Klimakabinettsminister von Altmaier bis Scheuer die Kurve zu kriegen gedenken. Schon deswegen darf der Druck von der Basis nicht nachlassen, zumal CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer angekündigt hat, die politische Sommerpause falle diesmal aus – wg. Klima.

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