Luftaufnahme der entstehenden E-Autofabrik in Grünheide im Land Brandenburg.
Baustelle der Tesla-Gigafactory bei Berlin, August 2020. Inzwischen ist die Autofabrik fast fertig. (Foto: Markus Mainka/​Shutterstock)

Klimareporter°: Herr Müller-Kraenner, als die Deutsche Umwelthilfe Mitte März die Bundesregierung vor dem Oberverwaltungsgericht verklagte, weil sie zu wenig für die gesetzlichen Klimaziele tut, war das kaum einem Medium eine Meldung wert. Jetzt springt der US-Autobauer Tesla Ihrem Verband öffentlichkeitswirksam bei und hat beim Gericht eine Stellungnahme eingereicht, die Ihr Anliegen unterstützt. Sind Sie glücklich darüber?

Sascha Müller-Kraenner: Dass wir so noch einmal Aufmerksamkeit für unser Anliegen bekommen, damit bin ich ganz zufrieden – obwohl es bei unserer Klimaklage eigentlich um etwas ganz anderes geht: Die Bundesregierung erreicht ihre selbst gesteckten Klimaziele nicht und legt dafür nicht die geeigneten Maßnahmen auf. Das wollen wir vor Gericht einklagen.

Auch bin ich froh darüber, dass wir jetzt endlich eine Debatte über eine sinnvolle Bürgerbeteiligung bei Großprojekten wie der Gigafactory haben. Den Schlüssen, die Tesla zieht, folge ich allerdings teilweise nicht.

Kannten Sie das Schreiben von Tesla vorher?

Nein, Tesla hat uns sein Schreiben vorher nicht zur Kenntnis gegeben oder es gar mit uns abgestimmt. Erst im Nachhinein wurden wir informiert.

Ehrlich gesagt, so ein Schreiben hätten wir mit Tesla auch nicht abgestimmt. Wir freuen uns über die Unterstützung für die Klage, aber wir stimmen unsere politischen Positionen natürlich nicht mit Unternehmen ab.

Dessen ungeachtet sind wir mit Tesla regelmäßig in Kontakt, nicht erst, seit das Unternehmen den Bau der Elektroautofabrik angekündigt und gestartet hat. Solche Kontakte haben wir auch mit anderen Automobilunternehmen.

Tesla will, dass Projekte, die dem Klimaschutz dienen und damit nachhaltig seien, deutlich einfacher genehmigt werden sollen. "Der deutsche Genehmigungsrahmen für Industrie- und Infrastrukturprojekte sowie für die Raumplanung steht in direktem Gegensatz zu der für die Bekämpfung des Klimawandels notwendigen Dringlichkeit der Planung und Realisierung solcher Projekte", soll es in der Stellungnahme heißen. Teilen Sie die Kritik?

Keinesfalls können und sollen künftig Politik oder Verwaltungen entscheiden, welches Projekt jetzt nachhaltig ist und welches nicht. Dann würde jedes Unternehmen kommen und sein Projekt als ein nachhaltiges präsentieren. Autokonzerne könnten behaupten, sie stellten ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug her und deshalb reiche ein "Fast Check" bei den Genehmigungen.

Diesen Vorschlag von Tesla halte ich für unpraktikabel und er passt auch nicht ins deutsche Rechtssystem. Jedes Vorhaben, egal, ob es am Ende mehr oder weniger umweltfreundlich ist, muss nach geltendem Recht und – für uns besonders wichtig – nach geltendem Umweltrecht geprüft werden.

Die Erfahrungen sind doch aber zwiespältig. Zum einen schafft eine echte Bürgerbeteiligung Akzeptanz, zum anderen ermöglicht sie, etwa Windkraft- und nun auch größere Photovoltaikprojekte zu verzögern oder zu verhindern. Wie lässt sich die Gratwanderung hinbekommen?

Wir sind auch der Ansicht, dass viele Verwaltungsverfahren in Deutschland viel zu lange dauern. Das liegt an der Bürokratie, an der fehlenden Digitalisierung sowie der personellen Unterausstattung der Amtsstuben, aber auch an Mängeln in den Verfahren selbst. Es wäre durchaus möglich, in der Raumordnung für die Windkraft bessere Voraussetzungen zu schaffen. So müssen Bund und Länder entsprechende Vorrangflächen für Windanlagen ausweisen.

Porträtaufnahme von Sascha Müller-Kraenner.
Foto: Stefan Wieland

Sascha Müller-Kraenner

ist seit 2015 Geschäfts­führer der Deutschen Umwelt­hilfe (DUH). Der studierte Biologe ist seit über 30 Jahren umwelt­politisch aktiv und war zuvor für den Deutschen Natur­schutz­ring, die Heinrich-Böll-Stiftung und die US-Natur­schutz­organisation The Nature Conservancy in führenden Positionen tätig.

Das heißt aber eben nicht, das Genehmigungsverfahren für die einzelne Anlage abzukürzen. Das hat weiter nach geltendem Recht und Gesetz zu erfolgen. Aber die Flächen für die Anlagen bereitzustellen – das ist eine politische Aufgabe. Auf Bundesebene sind auch bestimmte Vorgaben beim Artenschutz rechtlich zu klären.

An alldem hat es bei Tesla ja nicht gemangelt. Gründe für den Autobauer, sich zu beschweren, sehe ich im Vergleich zu anderen Vorhaben nicht. Die Flächen sind ja sehr zügig bereitgestellt worden und der Bau schon weit fortgeschritten. Auch gegenüber der Verwaltung hat Tesla nicht das Problem einer personellen Unterbesetzung gehabt. Das hat die Landesregierung schon sehr prioritär behandelt.

Für das Projekt in Grünheide hat das Unternehmen aber offenbar Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht. Auch fehlte ausreichende Kenntnis über das deutsche Rechtssystem und die Verfahrensabläufe.

Zu Beginn des Projekts haben wir Tesla gegenüber auch klar kommuniziert, dass das Unternehmen aufkommende Fragen durch eine vorgeschaltete Bürgerbeteiligung rechtzeitig beantworten könnte. Ich glaube, da hat Tesla auch ein bisschen Lehrgeld gezahlt.

Beobachtern der Szenerie erscheint es leicht absurd, dass Politik und Unternehmen jetzt gerade für Energiewende- und Klimaschutz-Projekte den roten Teppich ausgerollt sehen wollen. Dafür wäre ja die letzten 20 Jahre genug Zeit gewesen – und jetzt soll das zulasten von Bürgerbeteiligung und Naturschutz "aufgeholt" werden?

Natürlich – in zentralen Handlungsfeldern wie dem Ausbau der Erneuerbaren und der Elektromobilität hat es politisch an klaren Zielen und einem klaren gesetzlichen Rahmen gefehlt. Bei der E-Mobilität gibt es noch immer kein Ausstiegsdatum für den Verbrenner. Auch bei der Ladeinfrastruktur hätte viel mehr passieren können. Da sind in der Vergangenheit entscheidende Fehler gemacht worden.

In der Gesamtsicht ist aber die Genehmigungszeit beispielsweise für eine E-Autofabrik nicht der entscheidende Faktor.

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