Statt Liebe: "CO2 is in the air" – dabei könnte Zusammenhalt in der Gesellschaft viele drängende Probleme überwinden. (Foto: Friederike Meier)

Es gibt zwei Kritikpunkte, die immer wieder aufkommen, wenn ich mit Menschen über Fridays for Future (FFF) spreche: Wir seien zu radikal, wir würden das nicht verstehen, so schnell ginge das halt alles nicht mit dem Klimaschutz.

Oder: Wir seien nicht radikal genug, müssten das System mehr infrage stellen.

Beide Ansprüche können wir naturgemäß nicht erfüllen. Und mit weniger Klimaschutz können wir uns sowieso nicht zufriedengeben. Die Frage, wie stark wir uns politisch einordnen sollen, beschäftigt mich aber sehr.

Ich hatte mich in einer früheren Kolumne schon einmal daran versucht, zu sammeln, was Klimagerechtigkeit alles bedeutet. Und gemerkt, dass es ganz schön viel ist. Und ich entdecke immer mehr Aspekte.

Klimagerechtigkeit ist Demokratie, Zusammenhalt, Menschlichkeit und Antifaschismus, Antirassismus, Antiklassismus, Gendergerechtigkeit, Antiableismus. Und das alles auf globaler Ebene. Wir brauchen eine Gesellschaft, die zusammenhält, niemanden ausschließt oder unterdrückt – erst recht, wenn wir mit den Folgen der Klimakrise umgehen wollen.

Es ist existenziell, dass es Gruppen gibt, die dazu Positionen vertreten, die manche als radikal bezeichnen würden. Das machen die verschiedenen Teile der linken Klimagerechtigkeitsbewegung, in Deutschland wie global.

Mein Gefühl ist aber, dass unsere strategische Rolle als FFF – zumindest zurzeit – eine andere ist. Wir sind eine ziemlich erfolgreiche und schnell gewachsene Klimabewegung. Warum ist das so?

Breite Bewegung, klares Ziel

Einmal, weil das Format Schulstreik gut funktioniert, Aufmerksamkeit erregt hat. Aber meiner Meinung nach auch, weil wir es geschafft haben, dieses gesamtgesellschaftliche Thema einer großen Zahl von Menschen näherzubringen, die sich nicht eh schon damit beschäftigt haben.

Und das hat geklappt, weil unsere Botschaft immer sehr einfach war, unkompliziert. Wir sind keine "typisch linke" Bewegung. Bei uns fallen keine Worte, bei denen viele Leute sofort weghören, ohne überhaupt genau zu überlegen, was gemeint ist. Ich selbst vertrete oft radikalere Positionen, als wir es bei FFF öffentlich tun. Für mich ist aber die Frage: Was ist gerade konstruktiv?

Elena Balthesen spricht in ein Mikro.
Foto: privat

Elena Balthesen

ist 18 Jahre alt und geht in die 12. Klasse einer Waldorf­schule in München. In ihrer Kolumne "Balthesens Aufbruch" macht sie sich auf die Suche nach Wegen für ihre Generation, aus der Klimakrise heraus­zu­kommen. Sie ist bei "Fridays for Future" in München aktiv.

Jetzt braucht es Fridays for Future, glaube ich, am meisten als die Bewegung, die Brücken zwischen verschiedenen Parteien und zivilgesellschaftlichen Gruppen baut.

Obwohl klimapolitisch noch unglaublich wenig passiert, haben wir Einfluss bekommen. Zum Beispiel bei Wahlen wie kürzlich in Hamburg, wo Klima und Umwelt die Hauptthemen waren. Oder nächste Woche bei den Kommunalwahlen in Bayern. FFF hat die Klimakrise in ein anderes Licht gerückt, das auf mehrere politische Lager scheint.

Gleichzeitig solidarisieren wir uns mit anderen politischen Kämpfen. Zum Beispiel machen wir auf die Frauenstreiks am Sonntag aufmerksam, positionieren uns immer wieder gegen Rechtsextremismus wie nach dem rassistischen Terror in Hanau oder für die Durchsetzung von Menschenrechten in der aktuellen Krise in Griechenland.

Manchmal sind wir dabei vielleicht zu vorsichtig. Aber eine Bewegung, in der so viele Stimmen vertreten sind, durch Organisator:innen wie auch Demoteilnehmer:innen, darf auch mal Fehler machen.

Schwäche und Stärke gleichzeitig

Ich habe auch Angst, dass wir uns als FFF zerfasern und verlaufen würden, wenn wir zu allen Fragen der Klimagerechtigkeit ausdrückliche Positionen für die ganze globale und dezentrale Bewegung suchen würden. Es wäre zu viel für unsere Strukturen und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir Menschen verlieren würden, obwohl wir das Gegenteil brauchen: Wir müssen alle dazu bringen, sich mit der Klimakrise zu beschäftigen, zu wählen, zu begreifen.

Langfristig werden wir auch um die großen politischen Fragen nicht herumkommen, denn Klimaschutz ist natürlich politisch. Wir müssen uns weiterentwickeln mit neuen Ideen und Konzepten. Vielleicht brauchen wir eine Mischung. Auf der einen Seite weiter und tiefer denken, auf der anderen Seite müssen wir bei unserem Grundthema bleiben.

Das ist ein Prozess, der länger als ein paar Wochen dauert. Wir sind so schnell gewachsen, dass wir zu vielen Themen nie eine feste Position hatten. Das ist Schwäche und Stärke gleichzeitig. Und ich bin gespannt, wie es weitergeht.

Jetzt erst mal: dieses Wochenende Frauenstreik, am 13. März Klimastreik und am 15. März Klimawahl in Bayern. Und am 24. April ist es wieder so weit: globaler Streik.

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